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Christian Lehner Berlin

Pop, Politik und das olle Leben

15. 6. 2015 - 14:17

Balbina ist da

Mit Balbina kommt eines der größten deutschen Poptalente (vorerst nur im Vorprogramm von Herbert Grönemeyer) live nach Österreich. Ein Kurzportrait.

Balbina Über das Grübeln

Four Music

Es gibt ihn also doch, den deutschen R’n’B. Also so richtig. Nicht das in der Bundesrepublik so beliebte Kopieren, Verdünnen und Einkochen von Poptrends made in the USA oder dem UK. Nein, Balbina macht genuinen deutschen R’n’B, behaupte ich als Österreicher. So richtig mit Gefühl, zelebriert, nicht zerschlagert und doch gesetzt, also in Dichtertradition, aber auch mit Alltag und Polka Dots. Ihr merkt schon: Es ist etwas kompiziert und doch sehr schön. Sehr, sehr schön sogar.

Die Musik der Berlinerin wirkt zunächst spröde und distanziert. Auch etwas perfektionistisch. Doch der Flow, der ihren Reimen eine Richtung gibt, stammt von einem Ort, der jenseits von Prussia liegt.

Balbina

Balbina

Die in Warschau geborene und mit drei Jahren nach Neukölln zu Berlin umgezogene Balbina Monika Jagielska hört in der Sozialwohnung ihrer Mutter ein Album von Abba und will das auch machen. Sie schreibt und grübelt viel. Sie schaut dabei oft aus dem Fenster. Sie vermisst die große Welt mit den fassbaren kleinen Dingen, die um sie herum sind. Das alles wird sie Jahre später in ihrem Debütalbum „Über Das Grübeln“ verdichten und verdichtern. Doch vorher muss sie ihre Stimme finden.

Balbina findet sie im taffen Rap-Kollektiv und Label von Royal Bunker (K.I.Z., Prinz Pi, Sido u.a.). Dort macht sie Background und Vordergrund. Steht als MC ihre Frau. Lernt das Kerngeschäft und “entwickelt ihr Selbstverständnis als Musikerin“, wie sie am Telefon sagt. Damals nennt sie sich Bina und nimmt ein Album auf, das alles will, aber noch nicht viel kann. Der Sound ist gigantomanisch, die Verse hingegen verstecken sich in der Konvention. Mit Balbina erfindet sich Balbina schließlich neu. Sie besinnt sich auf ihre alten Tugenden, zügelt die Musik und dreht umso munterer an ihrem Wortspiel.

Balbina bezeichnet ihre Reime als eckig und kantig. Ihr Umgang mit der Sprache erinnert – wenn man ein deutschsprachiges Pendant bemühen will – an jenen von Bilderbuch, die auch prompt von Balbina als eine Favoritenband ausgemacht werden. Auch Balbina konterkariert das Offensichtliche und bricht klassische Versschemen auf. Auch sie setzt scheinbar profane Worte an heilige Stellen und umgekehrt, betont Unbetonbares und umgekehrt. Doch wo Bilderbuch den Mucker-Indie mit Gigolo-Erotik aufpimpen, macht Balbina genau das Gegenteil. Die Verweigerung von Sexy ist ein strategischer Move. Balbina twerkt lieber mit Metaphern. Viel Bling über wenig Tuch würden davon bloß ablenken.

Dieses Konzept dehnt Balbina auf die visuelle Erscheinung aus. Auch ihre Kostüme bestechen durch Ecken, Kanten und große Flächen. Entworfen und genäht werden sie von Susanne Bosslau, einer Arteliersnachbarin in Berlin Oberschönweide. Die bildersprachlich starken Videos entstehen ebenfalls in der Regie von Balbina. Mit diesem umfassenden künstlerischen Ansatz steht sie als Solokünstlerin ziemlich alleine da in der deutschen Poplandschaft.

Das macht auch frei von Standesdünkel und Eingemeindungstendenzen. Balbina kann man sich in einem superhippen Clublokal in Kreuzköln vorstellen, aber auch auf der ESC-Bühne oder gar beim Stadionrock. Letzters ist derzeit tatsächlich der Fall, denn Mr. Herber Grönemeyer himself hat Balbina für das Vorprogramm seiner aktuellen Tour engangiert. Möge ihr außergewöhnlicher Pop auf offene Ohren stoßen.

Heute Montag tritt Balbina auf der Burg Clam auf. Morgen dann in der Wiener Stadthalle.