Erstellt am: 13. 6. 2015 - 15:00 Uhr
Was wissen wir?
Drei Tage nach dem G7-Gipfel und einen Fußweg von 5 Stunden und 45 Minuten vom bayrischen Schloss Elmau entfernt, findet die so genannte Bilderberg-Konferenz in Telfs-Buchen statt.
Die jährlichen Treffen gehen auf eine Konferenz im Mai 1954 zurück, im Hotel de Bilderberg in der holländischen Niederrhein-Region, und haben zum Ziel "to foster dialogue between Europe and North America."
Wie die laufenden TTIP-Verhandlungen, so findet auch die Bilderberg-Konferenz unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Organisatoren begründen den Ausschluss von Berichterstattung damit "the highest level of openness and dialogue" der Teilnehmenden untereinander zu fördern.
Die Spitzenvertreter großer Medien nehmen zwar regelmäßig Teil, dadurch generierte Informationsvorsprünge werden aber kaum deklariert. Medienhäuser sind integraler Bestandteil der Machteliten. Die Bilderberg-Gruppe bündelt dazu Finanzeliten, Wissenseliten, Spitzen von Technologiekonzernen, Militärs, Adel, sowie Politiker.
Wie legitim sind solche Treffen, die wie heuer von Flugverbotszonen, privaten Sicherheitskräften, Cobra und 2.000 PolizistInnen beschützt werden und zugleich betonen, "private Treffen" zu sein?
gemeinfrei
Wenn das gewählte österreichische Staatsoberhaupt Heinz Fischer auf Kosten der SteuerzahlerInnen zu diesem Treffen anreist und hier auf den nach den Snowden-Aufdeckungen zurückgetretenen Ex-NSA-Chef Keith Alexander trifft, der seine Dienste nun u.a. den 100 größten Finanzunternehmen der USA anbietet, oder auf den wegen illegaler Informationsweitergabe verurteilten Ex-CIA-Direktor David Petraeus, nunmehr Leiter der Analyseabteilung einer großen Investmentfirma und wenn dann auch noch ein heimischer Korruptionist wie der größte österreichische Immobilien-Unternehmer, der verurteilte René Benko mit von der Partie ist, so erscheint die "Chatham-House"-Regel genannte Diskretion zumindest fragwürdig.
(Die heurige Bilderberg-TeilnehmerInnenliste)
Optimus-Verlag
Ein überparteiliches Protestbündnis gegen das Bilderberg-Treffen aus u.a. Sozialistischer Jugend, Grünen, Piratenpartei und Innsbrucker Friedensforum hat gestern zur Alternativkonferenz ins Innsbrucker Treibhaus geladen.
Der Soziologe Björn Wendt hat diese mit seinem Vortrag unter dem Titel "Was wissen wir?" eröffnet.
In seiner Studie Die Bilderberg-Gruppe / Wissen über die Macht gesellschaftlicher Eliten legt Wendt die strukturellen Blindheiten sowohl des journalistischen als auch des politischen sowie des verschwörungstheoretischen Feldes dar.
Er analysiert nicht nur Netzwerk und Akteure, sondern auch Finanzierung und Rekrutierung der Organisation und hat mit seiner Arbeit sicher eine Grundlage für weitere Forschung gelegt.
Betont der Wirtschaftshistoriker Hannes Hofbauer, dass es sich hier um das Personal einer postdemokratischen ökonomischen Struktur handelt, um eine "imperiale Denkmaschine", die Kapitalherrschaft etabliert und die von anderen derartigen Denkmaschinen wie z.B. dem 1921 gegründeten Council on Foreign Relations in ihrer Wirkung noch übertroffen wird, so spart der Soziologe Björn Wendt nicht mit Kritik an den VeranstalterInnen des Alternativgipfels: die Hand, die den Griff einer Marionette hält und am Veranstaltungsplakat abgebildet ist, suggeriere eine falsche Vorstellung von Macht.
Macht geht nämlich nicht nur in eine Richtung.
Ich habe Björn Wendt zu seiner Machtforschung interviewt:
Lukas Tagwerker
In Telfs demonstrieren heute einige hundert Friedens- und Ökologiebewegte, Antikapitalistinnen und besorgte BürgerInnen gegen das Bilderberg-Treffen.
Vor dem Telfer Rathaus skandiert der Rapper Kilezmore "Was wir alleine nicht schaffen, das schaffen wir zusammen!"
Danach weist der grüne Innsbrucker Gemeinderat Mesut Onay in seinem Redebeitrag auf den Zusammenhang zwischen dem Irakkrieg 2003 und der aktuellen Flüchtlingssituation hin. Wer damals gegen "Blut gegen Öl" demonstriert habe, solle sich bewusst bleiben, dass Europas Menschlichkeit am Umgang mit Asylsuchenden gemessen werde.