Erstellt am: 11. 6. 2015 - 17:55 Uhr
Der letzte Sir
Christopher Lee
Geboren 1922 in London, gestorben am 7. Juni 2015
- Christopher Lee ist tot (orf.at)
- Christopher Lee (Wikipedia)
- Christopher Lee
Unweigerlich muss ich daran denken, wie in Terence Fishers Großtat Dracula (1958) der zurück gezogene Vorhang die Sonnenstrahlen in das Schloss eindringen lässt, das Licht auf diesen edelsten aller Blutsauger fällt und er zu Asche und Staub wird. Sir Christopher Lee ist viele Leinwandtode gestorben, vermutlich mehr als die meisten anderen Schauspieler.
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Denn der groß gewachsene, anmutige Kosmopolit britischer Herkunft war spätestens nach seiner Darstellung des Grafen Dracula im oben genannten Film eine Urkraft aus Licht und Schatten, die sich tief, ganz tief ins popkulturelle Gewebe des 20. Jahrhunderts eingebrannt hat: Der Schurke als Gentleman, attraktiv, hintertrieben. Lee hat, neben seinem Landsmann Peter Cushing und dem dezent vulgärer und saftiger wirkenden Amerikaner Vincent Price, den Horrorfilm zwischen Klassik und Moderne entscheidend geprägt.
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Seine Bewegungen waren tänzerisch, seine Augen intensiv wie sein Schauspiel. Christopher Lee – das Sir sagte ich nie dazu, dafür kannte ich ihn zu gut – hatte für mich immer den Anschein des Ewigen. Undenkbar, dass dieser letzte Lebende der großen Horrorschauspieler irgendwann nicht mehr sein könnte, nicht wiederauferstehen würde. Ich hätte ihm mein Blut jederzeit gegeben.
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Sein Einfluss auf meine Sozialisation mit den dunklen Ecken des Kinos hätte jedenfalls gar nicht gewaltiger sein können. Ich weiß noch ganz genau, wie ich Robin Hardys The Wicker Man für mich entdeckt habe. Eine im täuschend harmlosen Sonnenlicht liegende Insel von einem Film, die einen mit Folklorismus und Naturmystizismus bezirzt, mit einem berauschenden Soundtrack einfängt, bevor man der erschütternden Wahrheit hoch über den wütend umspülten Klippen ansichtig wird. Mittendrin in diesem Ereignis wieder Christopher Lee, als sanft autoritärer Lord Summerisle, dessen Bariton einem alles glauben machen kann.
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Als Schauspieler erarbeitete sich Lee jeden Charakter penibel. Wie sein enger Freund Peter Cushing, mit dem er auch immer wieder vor der Kamera gespielt hat, kannte er keine Verachtung oder Geringschätzung für die Kultur des Fantastischen Films. Egal wie verwegen die Idee, wie kostengünstig die Umsetzung: Christopher Lee hat sich in seine Figuren vertieft und reingekniet. Unfassbar fand ich damals eine Dokumentation, in der er vor einem prasselnden Kaminfeuer sitzend eine etwa zehnminütige Einführung in jene historische Figur des Grigori Rasputin gegeben hat, die er in der Hammer-Produktion Rasputin, the Mad Monk gespielt hat.
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Überhaupt Hammer. Die legendären britischen Studios, die ab den späten Fünfziger-Jahren mit ihren für damalige Verhältnisse radikalen Modernisierungen des English Gothic international punkten konnten, sind untrennbar verknüpft mit der Karriere von Christopher Lee. 1957, ein Jahr vor seinem Durchbruch als Dracula, spielte er schon für Terence Fisher in The Curse of Frankenstein jenes Monstrum, das der Baron zum unseligen Leben (?) erweckt. Die ikonische Horrorkreatur, von Boris Karloff letztgültig dargestellt, wird bei Christopher Lee, angeleitet von seinem genialen Regisseur, zur kreatürlichen Offenbarung: nicht mehr plump, eher in sich zusammen gefallen und unkoordiniert.
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In über zweihundert Filmen hat Christopher Lee mitgespielt. In einigen, wie Das letzte Einhorn, hat er auch nur gesprochen. Aber was für eine Stimme, was für ein Charakter! Mag schon sein, dass er mit seinen Rollen in den Herr der Ringe-Filmen und den Star Wars-Prequels einem neuen, jüngeren Publikum bekannt wurde. Aber ich wünsche jedem einzelnen, dass er diesem Schauspieler auf so vielen Ebenen, in so vielen Filmen wie nur irgend möglich begegnet. RIP, Sir Christopher Lee.