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Martina Bauer

Geschriebenes und zu Beschreibendes. Literatur und andere Formate.

22. 6. 2015 - 18:03

Das Kunst-Werk der Siri Hustvedt

"Die gleißende Welt", das neue Buch von Siri Hustvedt, ist Roman - und auch wieder nicht.

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Siri Hustvedts neuer Roman wird als Quasi-Rückkehr zu ihrem Erfolgswerk "Was ich liebte" (übrigens: weit oben auf meiner Top Ten Buchliste) vermarktet. Gemein sind dem alten wie dem neuen Buch, dass sie in der New Yorker Kunstwelt ansiedelt sind und typische Hustvedt Ingredienzen aufweisen.

Kunst und Literatur sowie deren Geschichte, Familie(nverstrickungen), Traumata und Ängste sowie Philosophie inklusive Themen wie Identitäten, Gender, Spiegelungen des Ichs. Diese Topics ziehen sich durch Hustvedts Romane, Essays und sonstige Arbeiten.

Das neue Buch "Die gleißende Welt" ist nun auch rein formal eine Mischform aus dem Gesamtschaffen der Autorin. Konzipiert ist der Roman nämlich als eine Art Reader, ein Schriften-Puzzle zu seiner Protagonistin Harriet Burden.

Missverstandene Künstlerin

Cover "Die gleissende Welt" von Siri Hustvedt

Rowohlt Verlag

Siri Hustvedts "Die gleißende Welt" ist in der Übersetzung von Uli Aumüller bei Rowohlt erschienen.

Zum Inhalt: Burden fühlt sich als missverstandene, von einer männerdominierten Kunstwelt gedisste Künstlerin. Ihr verstorbener Ehemann war zudem ein weltweit anerkannter Kunsthändler, seine Frau kam daher nicht in den Genuss seiner Förderung.

Nach seinem Tod nun exerziert Burden ein wunderbares Experiment. Sie gestaltet drei Ausstellungen und bietet diese der Öffentlichkeit unter dem Pseudonym eines jeweils anderen männlichen Kreateurs an. Jeder dieser Burden-Strohmänner ist glamouröser als sein Vorgänger, jede Ausstellung wird erfolgreicher als die vorhergehende. Burden sieht sich in ihrer Annahme bestätigt. Der männliche Kunstschaffende wird besser rezipiert als die weibliche bzw. im Speziellen sie selbst. Burden arbeitet an einer kunstvollen Auf- bzw. Erlösung, aber natürlich zeitigt ihr Masken-Spiel Komplikationen.

Wunderbare Vielstimmigkeit

Wie immer in Hustvedts Romanen stecken auch in "Die gleißende Welt" jede Menge Verweise, Anspielungen, besteht der Text aus mehreren Lagen. Das beginnt damit, dass Harriets Spitz-/Rufname Harry ist, Fiktives und Reales ineinander hineinreichen. Und endet damit, dass die ganze Story natürlich auch als mit Hustvedts eigener Biografie verknüpft gelesen werden kann oder sogar muss.
Formal geht die Autorin diesmal noch weiter: Im Vorwort meldet sich eine angenommene Professorin/Herausgeberin zu Wort, steckt den Rahmen des vorliegenden Buches und ihrer Quellen ab. Es folgen verschiedenste Dokumente, die die Kunstschaffende und Privatperson Harriet Burden von unterschiedlichen Seiten und Standpunkten beleuchten: Auszüge aus den umfangreichen Tagebüchern der Künstlerin, Statements von WegbegleiterInnen, ihrer Familie, aber auch Interviews mit KritikerInnen, Gegenpolen. Das Ergebnis ist eine wunderbare Vielstimmigkeit - SprachwissenschafterInnen würden hier wahrscheinlich zum Terminus polyphon greifen.

Siri Hustvedt

Marion Ettlinger

Diese Stimmen-Stil-Vielfalt (mitunter inklusive Fußnoten!) hat aber auch ein Manko - ab und an hemmt sie den Lesefluss. Ebenfalls störend: gerade in diesem durchwegs auch feministischen Text, werden immer wieder ausschließlich männliche Formen verwendet, etwa: "Hatte es je ein Kunstwerk gegeben, das nicht mit den Erwartungen und Vorurteilen der Betrachter, Leser, Hörer aufgeladen war (...)?"

Dennoch: "Die gleißende Werk" ist ein Kunst-Werk. Wie immer in packender, feiner Sprache erzählt. Gespickt mit Witz - so arbeitet sich die Autorin etwa selbst als zitierte Quelle ein - und der Einladung nachzuschlagen, nachzulesen. Und einfach hinreißend ist, was Siri Hustvedt für die dritte Masken-Ausstellung imaginiert. Großes Lesekino.