Erstellt am: 8. 6. 2015 - 15:19 Uhr
Alles neu, aber nicht wirklich
Einmal im Jahr ruft die Modeklasse der Universität für angewandte Kunst Wien zur Modenschau und alle Szenegrößen (und -kleinen) der Stadt kommen zum kollektiven #FrontRowSelfie zusammen.
Christoph Rumpf
Dieses Jahr war der Austragungsort zum ersten Mal die Kunsthalle Wien im Museumsquartier und ebenfalls zum ersten Mal fand die Show unter der Leitung Hussein Chalayans statt, der Bernhard Willhelm im Oktober 2014 ablöste. Der Stardesigner ist tot, lang lebe der Stardesigner quasi.
Der Professorenwechsel und die damit einhergehende Übergangsphase machte sich bei der Show bemerkbar. Bei vielen der Kollektionen hörte man noch den "Willhelmsschrei" durch den umfunktionierten Ausstellungsraum hallen.
Christoph Rumpf
Isis Flatz’ Kollektion "barking up trees" sind Bernhard Willhelms plakative Kleider, mit denen man sonntags in die Kirche gehen kann. Ein bisschen entspannter und tragbarer, für diejenigen unter uns, die sich Bernhard Willhelm nicht zutrauen. Flatz’ Show war auch die einzige, die performativ ein bisschen mehr beziehungsweise fast schon zu viel geboten hat. Die Models, darunter Florian Reither von gelitin, tanzten zu hawaiianischer Musik rückwärts Conga, gaben sich Bussis und positionierten sich in den unterschiedlichsten Konstellationen, was teilweise an Vanessa Beecrofts Tableaux Vivant bei Kanye Wests Adidas-Show von vor ein paar Monaten erinnerte.
Christoph Rumpf
Auch bei Kenneth Izedonmwens "Ratio"-Kollektion konnte man noch deutlich den Einfluss von Professor Willhelm erkennen. Eine großzügig geschnittene Männerkollektion für diejenigen, die gerne mal wie trendy Landstreicher aussehen wollen. Mit "Ratio" entreißt Izedonmwen Paris das Monopol auf Boho-Chic, übersiedelt es nach Lagos und übersetzt es auch noch ins 21. Jahrhundert. Im Gegensatz dazu folgten Dimtrije Gojkovics "NEW WOOL" und Jackie Whajung Lees "#boys #bed #andbeyond" nicht der willhelmschen Linie. Whajung Lee funktioniert klassische Seidenpyjamas und Nachthemden zu Kleidern, Blazern und Hosen um, in denen ich mich nicht aus dem Schlafzimmer trauen würde. Aber das ist eher Geschmacks-, als Tatsache.
Angewandte / Shoji Fujii
Dimtrije Gojkovics "NEW WOOL", die filigranste der vier Diplomkollektionen, beantwortete die Frage "Wie würde es aussehen, wenn die Amish bei COS einkaufen?" Wobei Gojkovics Kleider mich auch an grimmig schauende Galeristinnen erinnern. Ich kann mir keine andere Berufsgruppe vorstellen, zu der diese Kollektion besser passen würde.
Christoph Rumpf
Christoph Rumpf
Das waren die Diplomkollektionen, in den anderen drei Jahrgängen gab es viel Nettes, aber kaum Neues. Ein paar gute Details hier und da, aber ein "Wow" wurde mir nicht entlockt. Warum die Student/innen der ersten drei Jahrgänge nicht Mutigeres wagen, ist mir ein Rätsel. Aber vielleicht tut sich bis zum nächsten Jahr unter Hussein Chalayans Professur noch was.
Meine Honorable Mentions für die Nicht-Diplomkollektionen gehen an Yuhei Mukais samtige Neuinterpretation des Leichentuchs und der Burka (ein Zwinkern Richtung Chalayan?), Simon Grundtners Mäntel, die einen fast den Winter herbeiwünschen lassen und Agnes Varnais Schuhe, die den Models das Leben beziehungsweise das Laufen schwer machten.