Erstellt am: 7. 6. 2015 - 14:55 Uhr
It's a Family Affair
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- Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken
Es ist ein Sprung in den kühlenden Pool, hundert Wasserbälle und tanzende Sonnenschirme vollführen dazu eine Begleitchoreografie. Das letzte Woche zum gratis Download in die Welt geschleuderte Album des Chicagoer Kollektivs Donnie Trumpet & The Social Experiment nennt sich ganz richtig "Surf": Ein Titel, der zunächst klar das Aroma von Strand, feiner Hitze und Premium-Fun transportiert, gleichzeitig auf ein vielleicht elegantes, vielleicht erratisches, jedenfalls wildes Gleiten und Driften anspielt. Ein Reiten auf Wellen und Sounds, das Freude bringt.
Leiter der Gruppe ist der Trompeter Nico Segal aka Donnie Trumpet, die Stimme, die das Projekt zusammenhält, ist der junge MC Chance the Rapper, dazu kommen eine Handvoll Musiker und auf "Surf" gut zwanzig Gastvokalisten. Echte Stars wie Erykah Badu, Busta Rhymes, J. Cole, Janelle Monáe oder Big Sean und bislang noch eher obskure Freunde der Band wie KYLE oder Jamila Woods - denen ein größerer Durchbruch bevorstehen dürfte.
Donnie Trumpet & the Social Experiment
So ist "Surf" ein bunt zusammengewürfeltes, abenteuerlich durch die Styles und Tempos purzelndes Wunderwerk geworden, aus dem stets die Sonne scheint. Gangstatum hat hier Pause, vielmehr feiert das Album den Gemeinschaftsgeist, Unity, positive Weltsicht und - ideologische wie leibliche - Familie. "If it’s a miracle / To be alive and well / If we fell, we feel we’d be OK", heißt es gleich hochoptimistisch in der Eröffnungsnummer "Miracle". Alles ist ein Mirakel, wir wollen einander die Hände reichen und dem Leben ein Lied singen.
Und so passt das alles bei aller Vielfalt auf "Surf" wunderlich zusammen und fließt: Soul und Funk, Disco, Softrock, Jazz-Instrumentals, Beach-Boys-Harmoniegesänge, aufgeblasener Fanfaren-Pop, HipHop aus der Hängematte. Wie der vielstimmige Ferienclub-Turntablism der Avalanches, bloß an echten Instrumenten zusammengebaut.
Neben vielen Hits und Highlights ist das Stück "Sunday Candy" der Höhepunkt - und programmatisch für "Surf". Hier geht es um die Familie im Wortsinne. Chance the Rapper rappt und singsangt hier ein Loblied auf seine Großmutter, die eine große Rolle in seiner Erziehung gespielt hat und nach wie vor wichtige Bezugsperson ist. Weil Chance mittlerweile aber eben ein erfolgreicher Rapper ist, sieht er die Oma nicht mehr gar so oft. Fixpunkt bleibt jedoch der gemeinsame sonntägliche Kirchenbesuch mit Familie.
Chance erzählt über einem munteren Pianomotiv, Bläsern und Gospelchor von der Liebe zur Großmutter und spiegelt Bilder, Erlebtes aus dem Alltäglichen im Sakralen: Das titelgebende "Sunday Candy" meint so das in der Kirche verabreichte - eventuell heilige - Brot und gleichzeitig die Süßigkeiten, die der kleine Chance von der Oma zugesteckt bekommt.
Oma weiß, wann es Zeit ist, nachhause zugehen: "Come on in this house, it's gonna rain", heißt es in der von Jamila Woods gesungenen Bridge. Ein kleines, altmodisches Lied, aus dem beste Laune und wohlige Melancholie sprühen. Der Zynismus muss hier versagen, Oma ist die Beste.