Erstellt am: 6. 6. 2015 - 17:38 Uhr
Wer den Shitstorm sät...
Gab man bei Google zum Beispiel nur "Ron" ein, erschien der Name der Autorin schon vor dem Lindgren-Klassiker "Ronja Räubertochter".
Was war passiert?
Die Tageszeitung "Die Welt" hatte schon vor einiger Zeit befunden, dass die Feminismusdebatte langweilig geworden sei und deshalb drei "Radikalpositionen zum Thema" veröffentlicht. Ein Text lobte die Segnungen des Feminismus, dem zweiten Autor war der Feminismus total egal und die 23jährige Welt-Redakteurin Ronja von Rönne mokierte sich unter dem Titel "Warum mich der Feminismus anekelt" über Solidarität unter Frauen. Sie erklärte, sie sei Egoistin und keine Feministin und seo bisher noch niemals benachteiligt worden. Deshalb brauche sie als Frau auch keinen Feminismus, der ekle sie eher an:
"Mittlerweile ist der Feminismus eine Charityaktion für unterprivilegierte Frauen geworden, nur noch Symptom einer Empörungskultur, die sich fester an die Idee der Gleichheit klammert als jedes kommunistische Regime".
Veröffentlicht wurde der Text schon Anfang April, seitdem tauchte er immer wieder in den Sozialen Netzwerken auf, wurde geteilt und kommentiert. Nun kann sich die interessierte Leserin mit solch einem Artikel inhaltlich auseinander setzen, oder ihn als Trollerei ignorieren.
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Carolin Saage
Zur inhaltlichen Auseinandersetzung gab er leider nicht so viel her - provozierte aber den Widerspruchsgeist vieler Schreiberinnen und Blogger. Eine der lustigeren Repliken im Blog der Wochenzeitschrift "Freitag" trägt zum Beispiel den Titel "Warum mich der Adel anekelt".
Der Blogger wirft Ronja von Rönne vor, als Adelige und Privilegierte über die sogenannten "Unterprivilegierten" herabzuschauen. Lustig auch die Antwort der Frau von Rönne: So sehr adlig und privilegiert sei sie gar nicht, ihre Oma wohne schließlich in einer Mietwohnung und das "von" habe sie lediglich im Namen behalten, damit der sich nicht wie "Rennschwein Rudi Rüssel" anhöre.
Eine taz-Autorin schrieb, der Rönne-Artikel enthalte keinerlei Argumente, gefiele aber dem Ring Nationaler Frauen - eine Unterorganisation der rechtsradikalen NPD. Die hatte den Rönne-Artikel verlinkt, auch die rechte "Junge Freiheit" äußerte sich lobend. So weit, so schlecht. Ronja von Rönne distanzierte sich umgehend von den rechten Organisationen.
Als dann aber bekannt wurde, dass Rönne in diesem Jahr zum Wettlesen bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur eingeladen ist, postete eine Social Media-Koordinatorin der Tagesschau: "Diese Autorin wird Ihnen empfohlen von dem Jury-Vorsitzenden des Bachmann-Preises und dem Ring Nationaler Frauen."
Das wiederum erboste den FAZ-Blogger Don Alphonso so sehr, dass er sich beim Arbeitgeber der Social Media-Koordinatorin beschwerte, weil diese versucht habe, Kritik am Feminismus mit Rechtsextremismus gleichzusetzen. Dass es sich dabei um einen privaten Account gehandelt hatte, verschwieg er geflissentlich. Schließlich mischte sich auch noch der Frankfurter "Antifa-Pfarrer" Hans-Christoph Stoodt per Twitter mit einem Zitat aus dem Rönne-Text ein: "#Feminismus ist etwas für Unterprivilegierte", und setzte im zweiten Teil des Tweets hinzu: "'Adel ist was für die Laterne'. Ça irá, #BachmannPreis, ça irá, von Rönne!"
Gemeint war das als Anspielung auf das französische Revolutionslied "Ah! Ça ira", in dem der Hoffnung ("Es wird gehen!") Ausdruck verliehen wird, die Aristokratie durch massenhaftes Erhängen endgültig auszulöschen. Diese harsche Adelskritik wurde dann aber wiederum vom FAZ-Blogger Don Alphonso als "Morddrohung" bezeichnet, verantwortlich dafür machte er die "Netzfeministinnen", die "Methoden totalitärer Regime" anwenden würden.
Die Netzfeministinnen hätten die Bachmann-Nominierung nämlich als Teil einer Diffamierungskampagne gegen den Feminismus gewertet. Des weiteren wurde diskutiert, ob der Pfarrer-Tweet eine Morddrohung sei, oder die Morddrohung nur eine Netzlegende.
Androhungen von Gewalt sind ja im Netz gang und gäbe, selbst der Musikjournalistin kann es passieren, dass man ihr den baldigen, qualvollen Tod wünscht, weil sie sich abfällig zu Marius-Müller-Westernhagen geäußert hat. Hannah Pilarczyk hat in ihrer sachlichen Aufarbeitung der Debatte auf Spiegel Online darauf hingewiesen, dass Drohungen gegen Frauen im Netz an der Tagesordnung sind:
"Denn im Vergleich zu den brutalen Mord- und Vergewaltigungsdrohungen, die Aktivist*innen wie Anita Sarkeesian (die sich gegen Sexismus in Computerspielen engagiert) oder Caroline Criado-Perez (die sich für einen neuen britischen Geldschein mit Jane Austens Porträt eingesetzt hat) erhalten haben, wirkt "Ça irá" (die "Morddrohung" gegen von Rönne) nachgerade bildungsbürgerlich-elegant."
Die "Welt", die auch gerne mal misogyne und homophobe Texte veröffentlicht, war von dieser "Morddrohung" aber so schockiert, dass der Ressortleiter öffentlich erklärte, dass Worte auch Wirkung haben. Und dass die Worte der Feministinnen eine "Hasskampagne" seien, die Worte von Rönne hingegen Teil eines "Experiments" seines Feuilletons, das mit Worten "verrückte Dinge" mache. Inzwischen rief Ronja von Rönne zu "mehr Güte im Netz" auf, dabei hatte sie aber mit ihrem superpolemischen Sound die musikalische Marschmusik zu diesem eskalierten Meinungskonflikt vorgegeben. Über die starke Reaktion zeigte sie sich verwundert, denn ihre Texte sollten doch nicht so "eins zu eins" gelesen werden, sondern eher als Stimmungsbilder.

dpa-Zentralbild/Jens Kalaene
Spätestens hier wurde die Debatte endgültig sinnlos. Ronja von Rönne hat eine Polemik verfasst und (wer den Shitstorm sät...) die erwartbaren Reaktionen erhalten, erklärt dann aber Wochen später, der Text sei gar nicht so journalistisch, sondern literarisch zu lesen!?
Die Feminismus-Debatte ist längst in den Hintergrund geraten, es geht inzwischen um unsere Diskussionskultur. Denn bei dieser Rönne-Debatte schrieben ja nicht anonyme, unbekannte Blogger, sondern Journalistinnen und Journalisten von prominenten Medienhäusern. Und in deren Beiträge wurde unterstellt, zugespitzt, verkürzt, was das Zeug hält, es wurden sämtliche journalistischen Regeln verletzt.
Da ging es längst nicht mehr um Inhaltliches, sondern um einen Stellungskrieg verschiedener Lager, und argumentiert wurde aus einer egozentrischen, abwertenden Haltung heraus - nach dem Motto "Ich blick durch und ihr seid scheiße". Letztendlich hat die leidige Rönne-Debatte gezeigt, dass die sozialen Medien nicht für ernsthafte Diskussionen geeignet sind, auch wenn sie von JournalistInnen geführt werden, die es doch eigentlich können müssten.
Das Ende dieser Geschichte ist nun hoffentlich erreicht - gibt man bei Google "Ron" ein, erscheint wieder "Ronja Räubertocher" an erster Stelle. Ein gutes Zeichen.