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Felix Knoke Berlin

Verwirrungen zwischen Langeweile und Nerdstuff

5. 6. 2015 - 16:36

Agar.io: Friss und teile!

Wie kann es eigentlich sein, dass hier Agar.io noch nicht behandelt wurde, das Browserspiel des Jahres?

Du bist ein kleiner Blob und frisst kleine Pillen in dich rein, bis du so groß bist, dass du auch andere Blobs, deine Gegenspieler, vertilgen kannst. Um Trägheit auszugleichen, teilst du dich, oder wirfst gleich Masse ab - raubhafte Zellteilung und autokannibalistische Konkurrenzvernichtung. All das in dem kleinen, tollen Spiel: Agar.io.

Fressen, um noch mehr Fressen zu können, Länderwettbewerb und überhaupt kein Ende.


Klar, dieses Spiel ist so reich an Bezügen und so arm an Unterhaltung, dass beim Blobfressen spannende und dämliche Gedanken aufploppen und platzen, dass es eine Freude ist. Allein all die Länder-Blobs! Wer einen Ländernamen als Blobtitel wählt, bekommt einen Blob in den Farben der Landesflagge. Wer sich Moon nennt, erscheint als Mondkäse, wer sich Erde nennt, wird zur Comicerde.

Mir ist trotzdem nicht ganz klar, warum Agar.io so dermaßen fesselnd ist. Den spielerischen Horizont hat man schnell erreicht. Ziemlich schnell passiert nichts mehr. Aber vielleicht ist es auch genau das: Gewinnen heißt in diesem Spiel still zu stehen und nicht mehr mitspielen zu können: unerreichbar und unerreichend.

Das wahre Spiel hat sich deshalb auch längst um Agar.io herum herausgebildet. Es ist unfassbar, wie viele Leute sich wie viel Mühe mit Videos und Zusatzinhalten, Konversionen und Konversationen um dieses Spiel beschäftigen. Simplegaming hat zum Beispiel 16 Videos zu dem Spiel gemacht. Es gibt unzählige Twitch-Channels, eine Minecraft-Mod, Browser-Extensions und natürlich einen zugleich erhellenden wie verdunkelnden Subreddit.

Agar.io Screenshot

Agar.io

Kein Wunder: Agar.io ist aus dem Video-Games-Board bei 4chan entstanden, damit ist seine Viralität und Anpassungsfähigkeit fast schon eingeschrieben: Das Spiel verhält sich wegen seiner 4chan-typischen Offenheit und glitzernden Glubschigkeit wie andere erfolgreiche Internet-Memes auch: Es ist ein Gedankenmuster, das sich schnell in andere Zusammenhänge einbinden lässt.

Um so mehr Freude hab ich deshalb noch in den Kommentaren bei Steam: Dort gibt es mehrere Threads mit Diskussionen darüber, wie man dieses Spiel noch besser machen könnte. Und es kommen zahllose Vorschläge, die alle so vernünftig klingen. Aber je länger diese Liste wird, desto klarer wird auch: Dass es all diese Funktionen nicht hat, macht Agar.io so gut. Und das ist natürlich der größte Spaß: Dass ein Spiel, bei dem es um Wachstum und Trägheit geht, selbst so reduziert ist.