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Anna Masoner

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Anna Masoner

Erkundet als digitale Migrantin Vorzüge und Abgründe der Informationsgesellschaft

5. 6. 2015 - 13:04

Gekaufte Forschung?

Hochschulwatch.de will Verbindungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft offenlegen.

Mehr Hochschulthemen auf

Mehrere Jahre lang finanzierte die Deutsche Bank an der TU Berlin sowie an der Humboldt Universität Berlin ein Institut für angewandte Finanzmathematik. Auf neue Forschungsergebnisse hatte die Bank ein Exklusivrecht, so steht es im Kooperationsvertrag. Das ist nur eines von vielen Beispielen, die Arne Semsrott einfallen, fragt man ihn nach problematischen Verflechtungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Arne leitet für die internationale NGO Transparency International das Projekt Hochschulwatch.de, eine gemeinsam mit der Berliner TAZ ins Leben gerufene Online-Plattform, auf der tausende Kooperationen zwischen deutschen Hochschulen und der Wirtschaft dokumentiert sind.

Studierende

APA/HELMUT FOHRINGER

Magere Unibudgets

Von Firmen bezahlte Hörsäle, Stiftungsprofessuren oder Sponsoring-Verträge sind in Zeiten spärlich fließender öffentlicher Gelder immer beliebter, auch in Österreich. An der Wirtschaftsuniversität Wien kann man am Namen mancher Hörsäle und Bibliotheken ablesen, welche Unternehmen sie bezahlt haben. In Deutschland pumpen Unternehmen mittlerweile mehr als 1,4 Milliarden Euro jährlich in öffentliche Universitäten und Hochschulen. Doppelt so viel wie noch vor zehn Jahren. Für Österreich kennen wir keine genaue Zahl. Aus dem neuen Forschungs- und Technologiebericht 2015 geht zwar hervor, dass zwischen 2007 und 2013 sogenannte Drittmittelerlöse um 47,1 Prozent auf 597,5 Mio. Euro gestiegen sind. Zu den Drittmitteln gezählt werden aber nicht nur Gelder von Unternehmen, sondern auch von öffentlichen Fördertöpfen, Wissenschaftsfonds FWF und der Forschungsförderungsgesellschaft FFG etwa.

Kein Generalverdacht

Seit 2013 sind auf Hochschulwatch mehr als 10.000 Hinweise über Kooperationen zwischen Hochschulen und Wirtschaft zusammengekommen. Nicht alle dieser Verbindungen müssen so problematisch sein, wie das Beispiel der Deutschen Bank. Bei der Recherche hat Arne Semsrott allerdings festgestellt, dass viele Kooperationsverträge geheim gehalten werden. Die Transparenzinitiative stößt bei Unternehmen daher, wenig überraschend, auf wenig Gegenliebe. "Viele haben das Gefühl, dass wir solche Kooperationen unter Generalverdacht stellen. Wir aber wollen vor allem Transparenz." Ein Industrievertreter bezeichnete Hochschulwatch sogar als Gefahr für die deutsche Volkswirtschaft.

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Hochschulwatch.de

Auch Hochschulen reagieren auf Anfragen zu den Spendern zuweilen widerwillig und berufen sich gern auf bestehende Geheimhaltungsvereinbarungen oder verlangen sogar Geld für die Informationen: "Von den Unispitzen werden wir oft kritisiert. Von MitarbeiterInnen, ProfessorInnen und Studierenden kommt dagegen oft Sympathie, weil sie erleben, dass zu enge Verstrickungen zuweilen problematisch sind." Dass nicht alle Angaben auf Hochschulwatch.de richtig sind, wie Kritiker anmerken, bedauert Arne Semsrott. "Auf Einwände von Unis und Unternehmen versuchen wir so schnell wie möglich zu reagieren."

Geld fließt in Naturwissenschaft und Technik

Die Geisteswissenschaften sind für Unternehmen meist uninteressant. Das Geld fließt vor allem in technische sowie industrienahe Studienrichtungen wie Pharmazeutik und Finanzmathematik. Wie frei und unabhängig lässt es sich da noch lehren und forschen? Hochschulwatch.de hat eine Debatte über die Einflussnahme von Unternehmen auf Hochschulen angestoßen und ist zu einem Recherchepool für deutsche Medien geworden. Arne Semsrott wünscht sich jetzt noch mehr internationales Interesse: Dass auch andere Länder, zum Beispiel Österreich, Hochschulwatch übernehmen, um die Transparenzinitiative internationaler zu machen.