Erstellt am: 3. 6. 2015 - 15:02 Uhr
Kinder und Jugendliche in Massenquartieren
Er fühle sich politisch und moralisch zuständig für alle Menschen in Traiskirchen, sagt Bürgermeister Andreas Babler: "Wir machen keinen Unterschied, woher ein Kind kommt. Alle Kinder haben die gleichen Rechte. Das ist nicht nur in der Kinderrechts-Charta so festgelegt, sondern diesen Anspruch muss man in Österreich leben."
Die Situation rund um die unbegeleiteten jungen Flüchtlinge sei in den letzten Monaten eskaliert, so Babler. Zwischen 1200 und 1400 Kinder und Jugendliche schliefen in seiner Stadt in Massenquartieren. Es gebe keine versperrbaren Schränke, sodass die jungen Flüchtlinge ihre wenigen Habseligkeiten ständig bei sich trügen. Essen dürfe nicht in die Räumlichkeiten mitgenommen werden, was dazu führe, dass junge Mütter Milch für ihre Kleinkinder in die Unterkunft "schmuggeln" müssten. "Es gibt Menschen, die außerhalb der Betreuungsstelle nächtigen, oder die innerhalb der Betreuungsstellen auf freien Flächen oder unter Betonstiegen schlafen müssen."
Die Kinder und Jugendlichen bekämen keine Betreuung, keinen Unterricht und es stünden in der ganzen Stadt zu wenige Einrichtungen und zuwenig Personal zur Vefügung: "Beispielsweise im städtischen Bad. Meine Angestellten berichten mir, dass von den Kindern und Jugendlichen, die in das Bad gehen, nur ganz wenige schwimmen können. Sie können auch nicht sprachlich folgen, wenn man ihnen etwas sagt. Daraus entstehen gefährliche Situationen, und das ist ein gutes Beispiel dafür, wie ich hinsichtlich der Infrastruktur total überfordert bin, um die Sicherheit garantieren zu können."
Für Monika Pinterits von der Kinder- und Jugendanwaltschaft ist es ein Skandal, dass tausende minderjährige Flüchtlinge keine psychologische Hilfe erhalten: "Die Jugendlichen kommen nicht aus Jux und Tollerei nach Österreich. Sie haben Vergewaltigungen erlebt. Sie haben erlebt, dass ihre Eltern ermordet wurden."
Bürgermeister Andreas Babler fordert, dass Österreich die Kinder- und Jugendhilfegesetze einhält. Dass Kinder monatelang keine keine Tagesstruktur, keine Betreuung und keine Schuldbildung erhalten, seien grobe Gesetzesverstöße. "Ich fordere, dass in Traiskirchen sofort eine Clearingstelle eingerichtet wird, wo alle Obsorge- und Fürsorgeeinrichtungen der Bundesländer für Kinder und Jugendliche schon vor Ort sind, um diese dann in die Obsorge zu übernehmen. Das ist Gesetz der Republik und wird nicht eingehalten."
Auch das vor Kurzem vom Innenministerium in Traiskirchen aufgestellte Zeltlager kommentierte Bürgermeister Babler. Dieses sei eine "menschliche und politische Bankrotterklärung" – denn es gäbe "keinerlei Betreuungs- und Sicherheitskonzept." Innenministerin Johanna Mikl-Leitner dazu: "Seit Bürgermeister Babler in Traiskirchen sein Amt angetreten hat, bin ich sein Blitzableiter. Das habe ich so zu akzeptieren. Aber was mich besonders beschäftigt ist: Wie bringen wir täglich 250 Flüchtlinge unter, damit diese nicht obdachlos sind. Das ist meine Sorge."
Die innenpolitische Diskussion über unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wird also weitergehen. Wünschenswert wäre, dass die betroffenen jungen Leute – alleinstehende Minderjährige aus Krisen- und Kriegsgebieten – nicht nur in Form von Zahlen und als zu verteilende Last in der Debatte vorkommen.