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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

3. 6. 2015 - 13:03

Und: Action!

Brisante Zeitgeschichten erzählen die Dokus beim Crossroads Festival in Graz. Ja, das kann hervorragend unterhalten.

Crossroads – Festival für Dokumentarfilm und Diskurs , 3. bis 13. Juni, Forum Stadtpark, Graz

Mike Bonanno bei einem Vortrag in Graz

Radio FM4

Die Titelseite der New York Times kannst du nicht kaufen, erklärt Igor Vamos, vielleicht bekannt als Mike Bonanno, noch besser bekannt als einer der beiden Yes Men. The Yes Men sind ein US-amerikanisches Aktivisten-Duo.

Seit zwei Jahrzehnten machen sie auf Missstände aufmerksam und klagen damit Konzernverantwortliche und andere Mächtige an. Die Titelseite mancher einflussreichen Tageszeitung könne man also nicht kaufen, doch man könne Aktionen liefen, die es auf das Cover schaffen, sagt Mike Bonanno vor wenigen Wochen in Graz bei einem Workshop. Für eine andere Option entschied er sich: The Yes Men fertigten eine Kopie einer Ausgabe mit all jenen Schlagzeilen an, die sie endlich lesen wollten. "Iraq war ends" stand am Cover, es war 2008. Die "Pranks" also Streiche der Yes Men hatten schon ökonomische Auswirkungen und ließen Aktienkurse sinken, wenn sie sich etwa als Vertreter von Konzernen ausgaben und erklärten, die Verantwortung für Nachlässigkeiten, die zu Unglücken führten, zu übernehmen.

"Das Wichtige ist aber auch, dass The Yes Men viele Menschen inspirieren", sagt Josef Obermoser, der das Crossroads Festival in Graz organisiert und den neuen Film "The Yes Men Are Revolting" in der Österreich-Premiere zeigen wird. "Wenn man sich anschaut, was die machen, versteht man, dass man mit Humor irrsinnig viel bewegen kann und damit einen anderen Hebel hat, denn wenn man bloß mit klassischen Aktionsformen agiert."

The Yes Men mit Ausgaben der New York Post, die von massiven Auswirkungen der Klimakrise am Cover berichtet

The Yes Men

The Yes Men

Aufsehen erregend

Beim Crossroads handeln alle Filme von Aktivismus. Diverse soziale und ökologische Bereiche, in denen sich die Konflikte unserer Gegenwart zuspitzen, beleuchtet das Festival für Dokumentarfilm und Diskurs. In den kommenden zehn Tagen hat man die Möglichkeit, sich die Geschichten hinter den Ereignissen, die Schlagzeilen machten, anzuschauen. Man kommt jenen Persönlichkeiten näher, die russische Bohrinseln hochklettern, barbusig für Menschenrechte Veranstaltungen stürmen und für Klima-Gerechtigkeit einstehen, noch ehe man mit diesem Begriff vertraut ist.

Auch The Yes Men widmen sich jetzt dem Klimawandel und legen darüber hinaus in ihrem neuen Film dar, wie sich die Vorbereitung zu ihren Aktionen und ihre Arbeit gestalten. "Inklusive der persönlichen Krisen und Schwierigkeiten, wenn man eine Midlife-Crisis bezüglich des eigenen Tuns bekommt oder Beziehungskrisen", sagt Josef Obermoser über den Eröffnungsfilm "The Yes Men Are Revolting". "Das finde ich nochmal spannender als nur die Aktionen zu sehen. Der Film ist auf jeden Fall sehr lustig!"

In den kommenden zehn Tagen wird im Forum Stadtpark somit durchwegs brisantes Filmmaterial gezeigt. Das Crossroads findet zum vierten Mal statt und behält seine Philosophie bei: Verlangt werden keine fixen Eintrittspreise, es gilt pay as you wish.

Einzelne, die sich widersetzen

Alain Margots Porträt der "Femen - Mit Leib und Seele"-Aktivistin Oxana Shachko hat Österreich-Premiere.

Oxana Shachko bei einem Protest oben nackt. Sie wird verhaftet.

EyeSteelFilm

Oxana Shachko

Diskussionswürdige Ansicht: "There’s a Reason Gay Marriage Is Winning, While Abortion Rights Are Losing"

Feministischen Aktivismus auf dem offenen Meer betreibt die Ärztin Rebecca Gomperts mit ihrer Organisation "Women on Waves" seit 1999. Vor den Küsten jener Länder, in denen Abtreibungen verboten sind, bietet sie die Eingriffe auf dem Schiff an. Denn 22,2 Kilometer von der Küste entfernt beginnt internationales Gewässer, und damit gilt auf einem niederländischen Schiff: eine Abtreibung ist legal möglich, wie in den Niederlanden.

Gomperts Einsatz geht aber weit über einzelne Eingriffe hinaus. Der Film "Vessel" erzählt davon und räumt mit dem Klischeebild von Kampf-Aktivistinnen auf. Gomperts initiiert Kampagnen für die Legalisierung von Abtreibungen in etlichen Ländern und erreicht damit eine öffentliche Debatte, die etwa in Portugal zur Einführung der Fristenregelung führte. 47.000 Frauen sterben jährlich weltweit an unsicheren Abtreibungen.

Rebecca Gomperts umringt von anderen Aktivistinnen und Reportern

Diana Whitten

Wegen Piraterie und Rowdytum klagte Russland die 28 AktivistInnen des Greenpeace-Schiffes "Arctic Sunrise": Sie enterten eine Bohrinsel des staatlichen russischen Energiekonzerns Gazprom, um gegen die erste Ölförderung im arktischen Ozean zu protestieren. "Black Ice" rollt die Ereignisse auf. Ein Action Movie der anderen Art.

Die Umwelt ist dein Hinterhof

In "A Dangerous Game" indes begegnet man dem amerikanischen Billionär Donald Trump auf der Suche nach dem schönsten Ort für einen neuen Golfplatz. Im schottischen Aberdeenshire sagt jetzt kein Fuchs mehr einem anderen Lebewesen Gute Nacht. Die Fauna ist verödet, für das perfekte Rasengras der Golfer fehlt den AnrainerInnen nun das Grundwasser. Wer aller für dieses Spiel weichen muss, das nicht immer eines der Reichen war, ahnt man zu Beginn des Films noch nicht. Doch dasselbe Drama findet in Dubrovnik wie in Shen Zen statt.

Noch eine Empfehlung: Zurück, über das Meer, und auf eine Insel, führt "Evaporating Borders". Die Doku von Iva Radivojevic mit toller Kameraarbeit und produziert von Laura Poitras war hierzulande bereits am Crossing Europe Filmfestival zu sehen und nun erfreulicherweise in Graz.

Es ist ein faszinierender Reisefilm in ein unbekanntes Zypern, fern der Ferienanlagen, der einen eigenen Sog entwickelt.
Während die SchottInnen auf das Know-How des Filmregisseurs von "A Dangerous Game" den Veränderungen ihres Lebensraums durch die Grabungsarbeiten für den Golfplatz wie ausgeliefert gegenüberstehen, organisiert in Texas ein früherer Stuntman massiven Widerstand gegen den Bau einer Pipeline. In "Above All Else" steht dieser David Daniel als junger Vater einem Unternehmen gegenüber, der unbeeindruckt eigene Interessen verfolgt. "For David, the political is personal, the environment is his backyard, and the future sits on his lap in pigtails", sagt der Regisseur John Fiege. Empfehlung!