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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

2. 6. 2015 - 17:01

Das Leben mit Körbchengröße F

Annika Line Trost - eine Häfte von Cobra Killer - schreibt über ihr Leben mit zwei Körperteilen, die sich immer in den Vordergrund drängen.

Annika Line Trost war eine Hälfte des Elektro-Punk-Duos Cobra Killer - die großbusige Hälfte wie es im Klappentext zu ihrem Buch "75F" heißt. Darin erzählt Annika Line Trost vom ersten Sport-BH, vom Angestarrt-Werden in der U-Bahn und von zweifelhaften Telefonanrufen. Annika Lines Busengeschichte beginnt mit elf Jahren und mit einem Alf-T-Shirt, das viele Blicke auf sich zieht. Und mit zerstörtem Bindegewebe, das den Kinderarzt auf den Plan ruft. Und der verschreibt einen BH:

Mit dem ersten BH ist das ja so: Manche Mädchen nerven ihre Mütter so lange, bis sie ihnen endlich das Geld und die Erlaubnis dafür geben. [...] Manche Mädchen brauchen eigentlich keinen, wollen aber nicht die einzigen ohne sein. [...] Und dann gibt es andere Mädchen, so wie ich eines war, die bekommen ihren ersten BH aufgrund einer ärztlichen Indikation verordnet, wie eine Brille, wie eine Zahnspange oder Anti-Senkfuß-Einlagen.

Buchcover 75F - ein großer Busen

Fischer Verlag

Der Busen wächst und will gar nicht mehr aufhören zu wachsen. Schlussendlich hat Annika Line Trost Körbchengröße F - das ist circa so groß wie zwei Honigmelonen. Und Brüste dieser Größe bleiben einfach nirgends unbemerkt. Da wird U-Bahn-Fahren schnell mal zum Spießrutenlauf

Einer Rentnerin mit Strohhut rutscht ein spitzes "Huch!" heraus als ich meine Brüste an ihr vorbeischiebe, und ihr Mann fängt an, so aufgeregt mit seinem Gebiss zu wackeln, dass er es beinahe verschluckt. […] Ein Typ mit IKEA-Tasche ist anscheinend der Ansicht, dass ihn seine neuerstandene Yucca-Palme unsichtbar machen würde, und äugt mir ungeniert wie ein geiler Tropenforscher durch ihre Blätter ins Dekolleté.

Vielen anderen Dingen steht der Busen im Weg: Laufen ist unmöglich, weder als Sport, noch um den Bus zu erreichen. Es ist schwierig bis unmöglich, den Busen mit Kleidern so zu verpacken, dass er nicht auffällt. Und auch dass Frauen mit großen Brüste jede Menge Vorteile hätten, räumt Trost aus. Besonder gut illustrieren das eingestreute Telefonprotokolle, bei denen Möchtegern-Fotografen und Casting-Agentinnen immer eins wollen: den Busen vor der Kamera - alles vollkommen seriös und ästhetisch, versteht sich.

Annika Lina Trost

Hadley Hudson/S. Fischer Verlage

Annika Line Trost

Das Buch "75F" besteht aus locker zusammengewürfelten Anekdoten, von Kindheit bis heute. Dazu ein Glossar der besten - oder auch lächerlichsten - Busennamen und eine Aufzählung so genannter Tittentypen - vom Furchtlosen bis zum Ehrfürchtigen.

Es schält sich eine Lebensgeschichte heraus, in der der Busen sich immer in den Vordergrund drängt - nicht ganz aus freien Stücken der Trägerin. Annika Line Trost erzählt das mit trockenem Humor. Als ihr der Arzt eine Verkleinerung ans Herz legt, söhnt sie sich sogar fast mit dem großen Busen aus:

Meine Brüste waren gewiss eine Last aber doch sicher keine Krankheit! […] Einem gesunden runden Busen einen Strick daraus zu drehen, dass alles um ihn herum dauernd am Durchdrehen ist, erschien mir alles andere als gerecht. Meine Brüste waren groß, aber verdammte Axt nochmal, sie waren unschuldig!

Trosts Buch zeigt bei aller Komik auch, wie sehr Menschen, die aus dem Rahmen fallen (ob optisch oder sonstwie), den Blicken anderer ausgesetzt sind. Wie sich die angeblich "Normalen" im Recht fühlen, alles, was nicht ins vorgegebene Schema passt, kommentieren zu können. Bei Annika Line Trost ist das dank Schnoddrigkeit und Schnauze aber ziemlich unterhaltsam.