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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

1. 6. 2015 - 14:57

The daily Blumenau. Monday Edition, 01-06-15.

Erzähl uns eine Geschichte, oder: ohne offensive Narrative gewinnen die Blutgrätscher das Match.

#demokratiepolitik #ltw15

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Die Aufforderung "Erzähl uns eine Geschichte!" ist seit einigen Jahren eine Aufgabe im vielfältigen Bewerbungs-Verfahren innerhalb des ORF. Weil Geschichten-Erzählen die Basis des Journalismus ist. Und auch die Basis des sozialen Miteinanders; seit dem allerersten Lagerfeuer.

Man kann das steirische (auch das burgenländische) Wahlergebnis mit vielerlei griffigen Bildern beschreiben.

Etwa, dass es egal gewesen wäre, wie der steirische Spitzenkandidat der FPÖ eigentlich heißt (weiß jetzt immer noch kaum jemand), weil der eigentliche Kandidat Strache war und die hauptsächliche Agenda die des Es-der-Koalition-Reinwürgen.

Dass es ebenso egal wäre ob man - in Regierungsverantwortung - nichts (oder wenig und das zögerlich und schwachatmig) tun oder ob man sich extra anstrengen würde (wie die steirischen Reformpartner, die bei ihren Einschnitten zwar - im Sozialbereich - das Kind mit dem Bade ausschütteten, aber in punkto Strukturreform tatsächliche Schritte setzten) - weil man sowieso für die bundes/asylpolitische Erstarrtheit bezahlen würde.

Stimmt alles.
Weil aber nie jemand gesagt/versprochen hat, dass alles ganz einfach wird ist das keine Ausrede.
Schließlich fehlt etwas Elementares. Eine Erzählung, Narrativ nennen das die G'studierten.

Das kann simpel sein.
Das Narrativ der Populisten etwa ist von grober Schlichtheit: alles ist Scheiße, ihr werdet arg gefickt, und wir sind die einzigen, die eure Stammhirn-Ängste verstehen und verteidigen gegen die Sündenböcke, die Fremden, die Linkslinken, queeren Gender-Gfraster und alle, die uns ausgrenzen wollen, uns, die wir doch durch die Kraft der Scholle und des Herrgotts hier das Vorrecht auf Besserbehandlung haben.

Da wird keinen Millimeter um eine Ecke gedacht, nicht eine globale Vernetzung beachtet, weder sozial noch ethisch differenziert. Es geht um reine Abwehrarbeit, um Blutgrätschen im Namen der Autochthonie, um Isolationismus als Rezept gegen die Überforderung des 21.Jahrhundert-Dogmas, dass alles mit allem zusammenhängt (und dass nur der damit zurechtkommt, der sich auf die Außenwelt einlässt).

Um sich gegen diese reale Überforderung einzumauern, braucht es tatsächlich nur den Glauben daran, etwas Besseres zu sein und ein diffuses Gegnerbild. Und selbstverständlich ist die politische Elite, deren Aufgabe es ist/wäre die Bürger für die neue Welt denkfit zu machen, die für die dadurch ausgelöste Verunsicherung verantwortlich gemacht wird. Weil sie, und da trifft das populistische Narrativ am ehesten auf einen bloßliegenden Nerv, nicht verhindern, dass die Bürger gefickt werden. Von globalen Konzernrittern und einer sich hysterisch vervielfachenden Nicht-Realwirtschaft. Weil zu viele der politischen Machteliten von genau diesen globalen Playern haben einsacken lassen.

Nur: das war noch nie anders.
Der Unterschied ist: heute, im Zeitalter der Transparenz, des 24/7-News-Beschusses und der Medien-Hysterisierung merkt das nicht nur der politisch Interessierte 5%er, sondern ein jeder Dodel.

Weil das Leben gern so ist wie der Sport, ist auch im Kampf um Stimmen im politischen Wettbewerb das beste Mittel gegen den defensiven Denkriegel, gegen die Rumpelfuß-Abwehrhaltung nichts anderes als die wogende Offensive. Klar, es kann nicht jeder ein Messi sein. Aber es reicht ja eine Geschichte, eine Erzählung.

Gestern Abend, bei einem Gespräch mit einem steirischen VP-Funktionär, der sich stellte, blitzte ein solches Narrativ kurz durch, zumindest eine mögliche Schlagzeile. Davor, in einer Parodie auf einen Wahlkampf, eine konfuse Abwehrschlacht zweier Gezeichneter gegen einen gesichtslosen Angreifer, war davon aber nichts zu spüren

Die sogenannte Reformpartnerschaft hatte sich damit begnügt dezent auf ihre Existenz und ihre besondere Stellung hinzuweisen. Das ist nicht komplett verkehrt: tatsächlich ist der Voves-Schützenhofer-Weg der Arbeitsbeziehung ohne ideologische Grabenkämpfe und mit Augenmerk auf grundlegende einschneidende (und im besten Fall zukunftsträchtige, im schlechten Fall zerstörerische) Reformen etwas recht Einmaliges im sonst eher folkloristisch kasperltheatermäßig inszenierten Regierungswesen Österreichs (in Bund und Ländern).

Nur wird niemand (schon gar nicht jene, die von Reformen und Einschnitten betroffen sind; also ganz schön viele) sich von selber dafür bedanken. Es gilt also die Besonderheit dieses Wegs herauszustreichen. Was aus recht wenig nachvollziehbaren Gründen kaum oder unzureichend geschehen ist.

Noch deutlich wichtiger wäre aber etwas gewesen, das nicht einmal im Ansatz existierte: die Ansage, was diese Reformpartnerschaft in der Zukunft vorgehabt hätte. Womöglich mit dem Hinweis darauf, dass sich nach den Einschnitten durch die Reformen im nächsten Schritt noch vieles zum Besseren bewegen ließe. Das könnte vielleicht eine Verwaltungsvereinfachung beinhalten, etwa auf Bezirksebene (oder etwa die komplette Streichung dieser Ebene) oder eine Stutzung unsinniger gern gedoppelter Renommierprojekte lokaler oder bundespolitischer Granden, mit denen es sich die Landespolitiker eh schon verscherzt hatten, bedeuten; oder vieles anderes mehr um der Steiermark ein Kärntner Schicksal zu ersparen und die Enkelsicherheit herzustellen. Es geht gar nicht so sehr um konkrete Pakete oder ausgearbeitete Konzepte - zum Narrativ taugt schon die (glaubwürdige) Absichtserklärung.

Die Erzählung dessen was man vorhat (und angesichts einer soliden Mehrheit dann auch umsetzen könnte - im Land wie auch im Bund) als offensiver Akt; ganz ohne Marketing-Sprech oder totgerittene Phrasen (Verwaltungsreform), ganz ohne konkurrierende Klientel-Ankündigung (wie im Fall der zumindest kommunikationstechnisch nicht gelungenen Steuerreform). Eine Preview auf das, was in den nächsten paar Jahren ansteht und erreicht werden kann, ohne überflüssigen Glitzer, markant auf ein, zwei zentrale Sätze eingedampft, das wäre ein Anfang. Daraus, und ethisch einwandfreien Untertönen ließe sich ein Narrativ entwickeln, dessen Offensivkraft die schmutzige Abwehrschlacht alt aussehen lässt.

Ich muss nicht extra drauf hinweisen, dass ein zukunftsmutiger Conchita-Satz jedes Gaballier-Genörgel an Strahlkraft deutlich aussticht. Ich muss nicht extra die beiden Obama-Wahlkämpfe, die ausschließlich über das Setzen von Zukunftsbotschaften gewonnen wurden, ausschildern. Und auch das, was die neuen postdemokratischen Diktatoren, die Putins, die Erdogans, die Orbans an Bildern rausschicken, die sich in den Köpfen der Menschen festsetzen sollen, arbeitet bewusst mit dem Erzählen einer großen Geschichte.

Warum das in Österreich nur in Detailbereichen und hin und wieder funktioniert, warum es im Land der großen Erzähler seit Jahrzehnten schon keine packende politische Erzählung mehr gibt, das lässt sich nicht mit einem mittlerweile großteils zweitklassigen politischen Personal, der Entideologisierung oder der Angst vor der Nörgelhaltung eines zunehmend aus Trollen bestehenden Publikums erklären. Es ist schlicht der mangelnde Mut jener, die die Möglichkeit hätten in Wahlbewegungen aktiv zu werden anstatt sich passiv vom Diktum des Populismus überrollen zu lassen.

Eine Geschichte erzählen, das kann nämlich eigentlich jeder. Und jemand, der ein politisches Mandat einnehmen will, wird seine Erzählung der Zukunft so offensiv gestalten müssen, dass sie im Match gegen die Blutgrätscher heller leuchtet.