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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

31. 5. 2015 - 15:59

Lost in Translation

Der Song zum Sonntag: Crocodiles ft. Dee Dee Dum Dum Girls - "Dieses Durcheinander"

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Eine kleines, albernes Rock'n'Roll-Lied, in dem die Crocodiles aus San Diego die großen Rock'n'Roll-Themen besingen: Sich in Bars und Clubs rumtreiben, Drogen nehmen, Blödsinn machen, vielleicht arg dreinschauen. In der rumpeligen Garagenmusik der Crocodiles geht es ohnehin auch soundtechnisch meist um Räudigkeit und Bierdosencharme, um Noisepop, Fuzz und gelangweilten Nölgesang, da kann man dann auch schon mal davon singen, wie das so läuft, wenn man als coole Type illuminiert durch die Nacht torkelt.

Crocodiles

Crocodiles

"Foolin' Around" nennt sich die aktuelle Single der Crocodiles, die Band hat sich den Spaß erlaubt, das Stück nicht bloß auf Englisch, sondern auch auf Französisch, Spanisch und Deutsch zu veröffentlichen. Auf Deutsch trägt dieses "Foolin' Around" nun den prächtigen Titel "Dieses Durcheinander", gesungen wird diese Version von Dee Dee von den Dum Dum Girls, soundtechnisch den Crocodiles nicht unverwandt. Dee Dee, so heißt es, sei der deutschen Sprache mehr oder weniger mächtig, zudem ist Crocodiles-Sänger Brandon Welchez ihr Ehemann.

In der deutschen Variante dieses wunderbaren, knackigen Rocksongs läuft einiges ein wenig aus der Bahn. Ein Lied, das eiert und in dem es seltsam lebt. Nun meint "Foolin' Around" nicht bloß das Unfugtreiben, sondern transportiert freilich auch eine etwas prickelndere Konnotation und umschreibt den Sachverhalt, wenn zwei Menschen einander körperliche Freuden bereiten, ohne vielleicht gleich Hochzeitsabsichten zu hegen.

Die Crocodiles-7" "Foolin' Around/ Dieses Durcheinander" erscheint beim neuen Wiener Label Reich & Föhn. Die Relaseparty samt Live-Performance findet am 23. Juni im fluc statt.

Eine kurze sexuelle Bekanntschaft als "dieses Durcheinander" zu bezeichnen, ergibt dann einen schön schiefen Mehrwert, der von diesem vielleicht ein bisschen verunglückten Übersetzungstransfer lebt. Eventuell war dieses komische altmodische Funkeln, das diesem Wort "Durcheinander" innewohnt, auch beabsichtigt: Seit Rock'n'Roll-Filmen mit Peter Kraus und wilden Boogie-Woogie-Partys in den 60ern kommt es in der rabaukigen Lederjackenmusik und im Hipster-Slang nicht mehr gar so oft vor.

Ebenso hat die Zeile "Hey Leute! Was ist los?", die in dem Stück immer wieder auftaucht, einen schön schalen Beigeschmack einer überholten Coolness, ein Jargon aus dem Kinderfernsehen. Die Zeile "Don't be cold as ice", die schon ein besonders gut abgenutztes Bild bemüht, lässt man im Englischen noch gerade irgendwie so durchgehen, man hat sich an sie gewöhnt. Wenn es dann im Deutschen heißt: "Sei nicht kalt wie Eis", dann transportiert das eine weltfremde Schlagerhaftigkeit.

Eine Künstlichkeit, Entrückung, Plastik, es ist alles sehr kompliziert. Ein großes Durcheinander. Eine speziell erbauliche Textpassage ist jedoch gegen Ende des Songs zu hören: „Zeig mal was Du unter Deinem Hut hast!“. Was mag sie bedeuten? Man wird wohl nachschauen müssen.