Erstellt am: 29. 5. 2015 - 16:31 Uhr
Into The City: "Hotel Metropole"
Das Hotel Métropole am Wiener Morzinplatz wurde 1873 zur Weltausstellung gebaut und von den WienerInnen damals angeblich als das "jüdische Sacher" bezeichnet.
Gemeinfrei
Ab 1938 war in dem arisierten Gebäude das Gestapo Hauptquartier in Wien untergebracht. Von hier aus wurden politische Gegner bekämpft: eingesperrt, verhört und gefoltert. Das Gebäude wurde 1945 zerbombt und 1948 abgerissen. Heute steht hier der Leopold Figl-Hof, ein Wohn- und Geschäftshaus.
FM4/Irmi Wutscher
Im Rahmen von Into the City bei den Wiener Festwochen gestalten verschiedenste KünstlerInnen im und um das ehemalige Hotel Metropole ein Programm, das der Geschichte des Platzes gedenken soll.
Ausgangspunkt Klokommunikation
Auf einem Platz im Park haben etwa die Kunstlergruppe Mobile Albania gemeinsam mit der Budapester Gruppe Pneuma Szöv Klomuscheln aufgestellt und mit Plastikrohren verbunden, die an eine Maifeier von gefangenen KommunistInnen im Jahr 1942 erinnern soll. Da den Gefangenen jeder Austausch verboten war, kommunizierten sie über die Klorohre und hielten so eine Maifeier ab, erzählt Sarah Günther von Mobile Albania.
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Die Widerstandskämpferin Margarete Schütte-Lihotzky war eine der KommunistInnen, die im Hotel Métropole verhört wurde und an der improvisierten Maifeier teilnahm: "Margarete Schütte-Lihotzky selber hat eine Rede über die Frau in der Sowjetunion gehalten, ein anderer hat ein Gedicht vorgelesen und dann haben alle die Internationale gesungen.", sagt Sarah Günther. Ausgehend von diesem historischen Moment fragt das Projekt "Widerstandsgeister" PassantInnen, wann oder wie sie heute widerständig sind und sammelt Hoffnungslieder, die an die Stelle der Internationale treten könnten.
Bewegte Geschichte des Platzes
Das ist nur eines der Kunstprojekte am und um den Morzinplatz, die von einer Postkartenserie über eine klassische Ausstellung bis hin zu einem internationalen Symposium reichen. "Der Morzinplatz hat unterschiedliche Geschichten: ein luxuriöses altes Hotel, dann der Bruch mit der Arisierung, dem Einzug der Gestapo - Vertreibung, Folter, Ermordung", sagt Wolfgang Schlag, einer der Kuratoren. "Das ist eine sehr dramatische Geschichte zwischen 1938 und 1945. Heute ist hier eigentlich wenig sichtbar."
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Der Morzinplatz ist eigentlich ein Un-Ort in Wien: eine Tankstelle, gläserne Aufgänge einer Tiefgarage, dazwischen ein paar lieblose Rasenstücke und Büsche. Es gibt ein steinernes Mahnmal das an das Gestapo-Hauptquartier erinnert. Über ein Mahnmal für die homosexuellen Opfer der NS-Zeit wird seit Jahren gestritten, bisher gab es immer nur temporäre Lösungen, wie Jakob Lena Knebls „Schwule Sau“.
Sonst ist der Platz beliebter Aufenthaltsort für Obdachlose. Darauf wiederum nimmt "Hotel Metropole" Bezug: "Dass wir ein Performancekollektiv aus Ungarn hier haben hat auch damit zu tun, dass hier einige Ungarn am Platz sind: Man sieht hier immer wieder Obdachlose, die in Budapest überhaupt keine Anlaufstelle haben und hier zumindest temporär eine Bleibe finden. Das war für uns auch ein Grund zu sagen, wir beziehen diese Leute ein."
Einblick in die Täterdatei
Besonders stolz ist Wolfgang Schlag auf das Projekt "exhibitofcrime. Die Mörder sind unter uns" von Arye Wachsmuth und Sophie Lillie. Diese konnten nämlich zum ersten Mal seit 1947 Einblick in die Täterdatei bekommen. Ihre Installation beschäftigt sich sich den MitarbeiterInnen der Gestapo Wien, die hier aufgelistet sind und deren Fotos man sieht. Über 900 MitarbeiterInnen hatte die Gestapo in Wien, das waren 200 mehr als in Berlin. Nur ein Drittel der TäterInnen wurden nach 1945 zu relativ geringen Strafen verurteilt. Die anderen waren nach dem Krieg, genau wie davor, weiter im Polizeidienst tätig. Das Fotografieren ist in diesem Ausstellungsraum nicht möglich.
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Parallelen bis in die Gegenwart
Aber nicht nur um die Vergangenheit geht es bei Hotel Metropole: Viele der Arbeiten ziehen Parallelen zur Gegenwart. Zum Beispiel das Billboard "Untertauchen" vor dem heutigen Leopold Figl-Hof, der an der Stelle des Hotel Metropole steht: Auf dem Fotoplakat schwimmt ein Mensch genau an diesem Platz kopfunter im Wasser. Das soll die Folter-Methoden symbolisieren - von Waterboarding, über Lärm- bis Lichtfolter - die alle von der Gestapo bereits perfektioniert wurden und auch heute zur Anwendung kommen. Gleichzeitg thematisiert es die Festung Europa, mit der Mauer, die um das Gebäude gezogen ist.
Wolfgang Schlag will mit dem Projekt Hotel Metropole thematisieren, dass Ausgrenzung und Flucht bis heute in unseren Gesellschaften präsent sind. Und er will der Politik aufzeigen, dass verschiedene Formen von Gedenken möglich und notwendig sind: „Wir brauchen Gedenken – aber in lebendiger Form und nicht immer in Form einer Tafel, die irgendwo hängt, oder einem Mahnmal, das irgendwo steht. Sondern, dass das ein Ort des Gesprächs wird.“ Genau das tut Hotel Metropole die nächsten vier Wochen.