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Boris Jordan

Maßgebliche Musiken, merkwürdige Bücher und mühevolle Spiele - nutzloses Wissen für ermattete Bildungsbürger.

28. 5. 2015 - 15:33

"Nein heißt Nein"

So heißt eine Kampagne für die Novellierung des Sexualstrafrechts. Ein Interview mit dem Mitbetreiber Dr. Martin Risak.

Mitmachen

Wer sich an der Kampagne beteiligen, oder einfach nur sich über die Kampagne oder die Novelle des Sexualstrafrechts informieren möchte, kann dies auf der Website der Sektion Acht oder auf Twitter unter dem hashtag #neinheißtnein tun.

Kann sich noch jemand daran erinnern, dass man in Wien noch an einem Abend locker ein kleines Vermögen im Glücksspiel verlieren konnte? Das ist noch gar nicht lange her, seit 2015 ist das so genannte "kleine Glücksspiel" aber Geschichte. Der Hauptgrund, warum die Wiener Stadtregierung das kleine Glücksspiel verboten hat, war eine Vernunftkampagne einer Stadtsektion in der Wiener SPÖ, die die Mitglieder in einer Urabstimmung – anfangs gegen den Willen der Parteiführung – dazu gebracht hat, dagegen zu stimmen.
Jetzt lässt diese Sektion Acht der Wiener SPÖ wieder aufhorchen, und zwar mit einer Social Media Kampagne für die Novellierung des Sexualstrafrechts. Hier ein Interview mit dem Rechtsprofessor und stellvertretenden Leiter der Sektion Acht, Prof. Dr. Martin Risak.

http://blog.sektionacht.at

Martin Risak, der Initiator der Kampagne "Nein heißt Nein", auf einem der Plakate.

Es wird eine Novelle des Sexualstrafrechts diskutiert. Inwieweit ist das bestehende Sexualstrafrecht schon im Text nicht ausreichend?

Dr. Martin Risak: Ich greife nur zwei von vielen Punkten dieser Novelle heraus, das sind die Diskutierten im Sexualstrafrecht: Zum einen handelt es sich um den Tatbestand der "Verletzung der Sexuellen Selbstbestimmung", bei dem geht es um die stärkere Bestrafung des – das Strafrecht hat immer altmodische Begriffe – Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtliche Handlung ohne Einwilligung.

Es geht um die bloße fehlende Einwilligung, nicht dass Gewalt angewandt werden musste oder man sich dagegen wehren musste, das ist auch die Schlagrichtung unserer Kampagne, der Titel "Nein Heißt Nein". Ohne Einwilligung heißt, dass es im Zweifel keine Einwilligung gibt: Nur Schweigen, nur Erdulden kommt eben keiner Einwilligung gleich. Das mag für manche eine Veränderung in ihrem Sexualverhalten bedeuten, aber aus unserer Sicht ist das auch gut so.

Der zweite Tatbestand ist der der "Sexuellen Belästigung", die im Strafrecht bislang nur geschlechtliche Handlungen miteinbezogen hat. Das sind nach der Rechtsprechung zum Beispiel nur der Griff an die primären oder sekundären Geschlechtsteile, zum Beispiel die Brust. Was nicht dazu kommt – und deshalb heißt der Paragraf schon jetzt verkürzend im Jargon "Po-Grapsch-Paragraf" – sind sexualisierte Übergriffe auf andere Körperteile, etwa den Po oder die Schenkel-Innenseiten, oder auch der unerwünschten Zungenkuss. Das soll geändert werden.

Wir haben die Debatte ja im Arbeitsrecht bei der sexuellen Belästigung schon vor über zehn Jahren gehabt und man hat geglaubt, es bricht das Abendland zusammen und am Arbeitsplatz wird kein normaler sozialer Umgang mehr möglich sein. Nichts ist passiert. Hoffentlich sind Leute sensibilisiert worden, dass ihr Verhalten unerwünscht ist. Dafür ist das Recht ja auch da. Es geht nicht in erster Linie darum, Menschen zu bestrafen, sondern dafür zu sorgen, dass Menschen ein Verhalten setzen, das sozial adäquat ist, wo sie vielleicht auch ein bisschen an die andere Seite denken.

Plakat zur Kampagne "Nein heißt Nein"

http://blog.sektionacht.at

Die Kampagne versteht sich als Männerkampagne für Männer, die für die Novellierung sind. Sind Männer sonst meist dagegen? Teilt sich die Welt in zwei Lager?

Ich glaube es ist ganz gut sich zu überlegen, was gegen die Novelle spricht. Da gibt es im Wesentlichen zwei Aspekte bei der Kritik. Das eine ist die Angst vor falschen Anschuldigungen. Das zeigt ganz gut, in welcher Rolle sich die Kritiker selbst sehen, nämlich auf der Seite der potentiellen Täter und nicht auf der Seite der potentiellen Opfer. Sexuelle Gewalt geht typischerweise von Männern aus, typischerweise aber nicht nur gegen Frauen, und man sieht hier, wer Angst vor falschen Anschuldigungen hat. Was ein wenig absurd ist, weil es Falschanschuldigungen ja immer gibt. Bei Eigentumsdelikten beispielsweise existiert diese Angst offenbar nicht so. Es wird ja keiner ernsthaft verlangen, dass Diebstahl deshalb straffrei bleiben muss, weil jemand einem Diebesgut unterjubeln könnte oder so.
Das zweite Argument ist das von der "Bestimmbarkeit der Definition". Es wird bezweifelt, dass – um jetzt konkret zu werden – Personen überhaupt erkennen können, welche Berührungen situationsadäquat sind und welche nicht. Diese Argumentation geht auch wieder von einer TäterInnenperspektive aus und nicht von der der Opfer, die geschützt werden sollen. Aus meiner Sicht ist eine Berührung halt im Zweifel nicht erwünscht - und nicht das Gegenteil. Und auch Männer können zwischen "Ja" und "Nein" unterscheiden, und das ist in etwa das, was wir mit dieser Kampagne zeigen wollen.

Unsere Kampagne ist bewusst eine "Männerkampagne". Nicht, weil wir Frauen ausschließen wollen, sondern weil wir gegen all die Gegenstimmen eine positive Stimme zur Strafrechtsnovelle abgeben wollen.

Ein häufiger Einwand ist ja, es würde hier Schnüffelei betrieben, der Staat mische sich in etwas ein, das ihn nichts angeht?

Der Staat mischt sich in Eigentumsverhältnisse ein. Er verfolgt zum Beispiel einen Diebstahl, auch wenn ich sage, dass ich das gar nicht haben muss. Die Eigentumsordnung ist uns so wichtig, dass wir jeden Verstoß gegen diese Ordnung sanktionieren. Bei der sexuellen Selbstbestimmung gehen wir noch nicht so weit, da sind wir vorsichtiger und sagen, das sei "Privatsphäre". Zumeist geht es um zwei unterschiedliche Personen, die sich auch zumeist in unterschiedlicher Machtposition befinden. Die Frage ist: "Darf ich mir einfach nehmen was ich will, oder sollte ich vorher das Gegenüber fragen?" – Zweiteres halte ich für einen Grundsatz, wenn wir von selbstbestimmten Menschen ausgehen, die auch über ihren Körper und über ihre Sexualität selbst verfügen können – und wenn die das nicht können, dann soll man sie schützen, ich sehe da kein Problem.