Erstellt am: 28. 5. 2015 - 14:59 Uhr
Richtiges Surfen im Binnenland
In der Mitte einer langen Geraden zwischen Brixen im Thale und Kirchberg in Tirol steht ein einsamer Bauernhof, der schon seit Jahren nicht mehr bewirtschaftet wird. Wiesen erstrecken sich von diesem Bauernhof bis hinunter zur Bahntrasse, auf der die Züge zwischen Wörgl und Saalfelden verkehren. Hier, wo gerade noch Gräser und Wiesenblumen blühen, sollen bald schon Wellen brechen, zumindest wenn es nach Flo Huter geht.
Simon Welebil / Radio FM4
Flo Huter leitet einen Sportshop und Schiverleih in Kirchberg und betreibt einen Spartensender für Events und Tourismusziele. Sein neuestes Projekt ist es, einen Surfpark nach Kirchberg bringen, ein Wasserbecken, 300 Meter lang und 115 Meter breit, in dem Wellen erzeugt werden, zwei pro Minute, die bis zu zwei Meter hoch werden können.
Die Technologie für diesen Wellenpark kommt aus Spanien, aus San Sebastián, und ist nach jahrelanger Entwicklung 2012 bei der Sportfachmesse ISPO in München ausgezeichnet worden. Kernstück des Wellenparks ist ein in einem Holzsteg versteckter Wellengenerator, der mit einer Art Pflug das Wasser anschiebt und dadurch fürs Surfen perfekte Wellen mit sauberer Front und Tube erzeugt.
wavegarden.com
Ein Prototyp dieses Wavegardens steht seit einigen Jahren im spanischen Baskenland, mit kleineren Dimensionen, voll funktionsfähig, allerdings ohne Zutritt für die Öffentlichkeit. Surf-Profis, die zum Testen in die Anlage eingeladen wurden, schwärmen von dem Erlebnis.
Noch diesen Sommer wird der erste große, kommerzielle Surfpark eröffnet werden, Surf Snowdonia im Norden von Wales. Madrid und Bristol in England sollen 2016 folgen. Fünf bis zehn Wellenparks würden wohl im nächsten Jahrzehnt in ganz Europa entstehen, und Flo Huter wäre da gerne mit dabei. Die Auflagen für den Surfpark seien nicht viel anders als bei anderen Sportanlagen wie etwa Golfplätzen meint er, und laut Raum- und Bauordnung wäre das Projekt ohne große Umwidmungen realisierbar, vor allem, da auch der Kirchberger Gemeinderat vom Wellenpark angetan gewesen sei - endlich ein Projekt für den Sommertourismus, das kein Golfplatz ist.
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Standort Kirchberg
Was für den Standort Kirchberg spricht ist, ist in Flo Huters Augen die verkehrsmäßig günstige Lage, von der er sich ganz Österreich und den süddeutschen Raum als Einzugsgebiet verspricht, und die bereits vorhandene touristische Infrastruktur: 8.000 Gästebetten gibt es allein in Kirchberg, die im Winter meist voll, im Sommer halbleer sind. Surfen könnte hier eine wichtige Ergänzung zum Mountainbiken sein, das in der Region groß beworben wird.
Dass die SurferInnen kommen werden, davon ist Johnny Nesslinger, der Präsident des Österreichischen Surfverbands überzeugt, den sich Flo Huter schon früh als Unterstützer an Bord geholt hat. Die Welle würde Leute anziehen, die Surfen unter sicheren Bedingungen lernen wollen und nicht die Möglichkeit haben, woanders hinzufahren, ebenso wie SurferInnen, die schon irgendwo Surfen gelernt haben und es wieder mal machen wollen. Fortgeschrittene, die regelmäßig gute Wellen surfen wollen und nicht nach 2.000 km Fahrt enttäuscht von den Bedingungen sein wollen, Leute, die ihr Surflevel schnell verbessern wollen, sich auf Wettkämpfe vorbereiten etc.
Und mit einer bis zu zwei Meter hohen Welle, wie sie die Hersteller versprechen, könne man schon Einiges anfangen. Außerdem würde man zwei gute Wellen pro Minute im Meer ohnehin nur selten finden.
Simon Welebil/FM4
Surfparks als Bedingungen für Olympische Disziplin
Johnny Nesslinger verspricht sich von dem Wellenpark die einzigartige Chance einer surfbaren Welle in Österreich, für die man nicht ewig weit reisen muss und träumt von perfekten Trainingsmöglichkeiten und einem Surf-Bundesleistungszentrum.
Surfparks werden für die Zukunft des Sports eine bedeutende Rolle spielen, führt Johnny Nesslinger aus. Denn sie sind Teil der Pläne der International Surfing Association, Wellenreiten zur Olympischen Disziplin zu machen. Eine Vorraussetzung dafür sind genügend künstliche Wellenanlagen, die sicherstellen können, dass jede Welle möglichst gleich ist und man Events ansetzen, die auch bei jedem Wetter stattfinden können.
Die Kosten des Surfens
Bei den heimischen Bedingungen rechnet Flo Huter mit ca. 130 Betriebstagen pro Saison von Mai bis Oktober. Zehn Stunden könne der Park pro Tag geöffnet sein, wobei gleichzeitig 110 Surfgäste im Wasser sein könnten, etwa 50 im Könner-Bereich rund um den Steg und weitere 60 in den Buchten, wo AnfängerInnen Weißwasser-Wellen surfen können.
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Abgerechnet würde stundenweise, und was eine Stunde Surfen kosten würde, hat etwa SurfSnowdonia schon kommuniziert: Zwischen 26 und 45 Pfund, je nach Tageszeit, Haupt- oder Nebensaison, allerdings planen diese etwa 100 Surftagen mehr im Jahr ein. In Österreich dürften Hauptsaisonpreise wohl um die 60 Euro pro Stunde liegen.
Mit Ermäßigungen etwa für Studierende, günstigere Preise zu Randzeiten etc. wäre das für eine große Gruppe an SurferInnen leistbar. Außerdem seien Surfreisen ja auch nicht gerade billig, sagt Johnny Nesslinger. Und eine Stunde Surfen im Wellenpark sei viel ergiebiger als eine Surfsession im offenen Meer: "Wenn man permanent Wellen hat, ist man nach 1-2 Stunden ziemlich sicher kaputt."
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Finanzierbarkeit
Ob der Wellenpark in Kirchberg schließlich errichtet werden kann, hängt schlussendlich wohl mit der Finanzierung zusammen. 6 Millionen Euro kostet laut Herstellern die Errichtung der Anlage. Hinzu kommen Anschlusskosten für Strom und Kanal, Kosten für die Errichtung von Parkplätzen etc. Flo Huter kalkuliert mit 7,5 Millionen Euro Gesamtkosten, die er alleine nicht stemmen kann und deshalb noch Investoren sucht.
Offen ist allerdings auch, ob diese Investitionen mit einem Wellenpark in Tirol auch wieder reingespielt werden können. Im Gegensatz zu den bisher geplanten Wellenparks wird in Kirchberg wohl nicht die ganze Wertschöpfungskette - Surfkurse, Boardverleih, Hotellerie, Gastronomie, Events - genutzt werden können. Zumindest Übernachtungen am Gelände sind keine geplant.
Simon Welebil / Radio FM4
Idealerweise würde der Tourismusverband mitmachen, in der Hoffnung auf mehr Übernachtungen im Sommer, oder die Bergbahnen, um Kombi-Angebote für MountainbikerInnen, WandererInnen und SurferInnen zu schnüren. Sollte sich bald ein Lead-Investor finden, könnte jedenfalls nächsten Sommer schon in Kirchberg gesurft werden. 2016 könnte so das erste Jahr werden, in dem österreichische Surfmeisterschaften tatsächlich in Österreich ausgetragen werden.