Erstellt am: 27. 5. 2015 - 16:08 Uhr
The daily Blumenau. Wednesday Edition, 27-05-15.
#fußballjournal15 #power,corruption&lies
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Hier bei 90minuten.at gibt's einen sich laufend aktualisierenden Live-Ticker zu den Ereignissen.
Heute morgen sorgten sieben Verhaftungen hoher FIFA-Funktionäre (Vorwurf: millionenschwere Korruption) im Baur au Lac Hotel in Zürich und die zeitgleiche Hausdurchsuchung der Schweizer Bundesanwaltschaft am FIFA-Sitz (ebenso in Zürich) sowie Hausdurchsuchungen des FBI in Miami für einigen Wirbel; vor allem angesichts der am Freitag anstehenden Wahl des neuen FIFA-Präsidenten.
Die FIFA ist der governing body, der Fußball-Weltverband, ein Zusammenschluss von 209 nationalen Verbänden - das sind deutlich mehr Mitglieder als selbst die UNO hat. Die FIFA verfügt über das Premium Produkte aller Premium Produkte weltweit, die Gelddruck-Maschine Fußball-WM, und somit - via Rechtevergabe- über unendliche Einnahme-Quellen.
Seit der Präsidentschaft des wieseligen, an einen humorbefreiten Louis de Funes gemahnenden Joseph S. Blatter quillt die Korruption des nach dem Senioritäts-Prinzip strukturierten Altherren-Vereins öffentlich aus allen Poren. Nicht dass sie nicht auch schon zuvor, seit der Übernahme durch den durch und durch korrupten Brasilianer Havelange, gewesen war - allerdings liefen die Geschäfte hinter gut verdeckten Kulissen ab.
Das System Blatter bekennt sich mittlerweile dazu, vor aller Augen zu agieren um so seine Unzerstörbarkeit zu demonstrieren - die für jeden offenkundig geschobene Vergabe an Katar gilt als Musterbeispiel.
Der FIFA und ihren Bossen Gesetzesverstöße nachzuweisen ist eine unendlich schwierige Angelegenheit: allzu oft finden sich kein Geschädigter (Folge der freigiebigen Vergabe-Politik Blatters), vieles wird mit dem Verweis auf die Organisations-Struktur, anderes mit absurden, aber unbeeinspruchbaren Knebelverträgen abgefedert. Und moralische Vorwürfe sind nicht einklagbar.
Die heutigen Verhaftungen sind Konsequenz einer vom System Blatter unzureichend geschützten Flanke, mitten im Gebiet seiner größten Hausmacht, den Verbänden von Süd- und Nord/Mittelamerika, und deren hochkorrupten Umgangs mit Vermarktungs-Rechten. Vor zwei Jahren war Blatters Vize, Jack Austin Warner, Chef des mächtigen Concacaf-Verbandes wegen Bestechungsvorwürfen gestolpert - heute wurden der von ihm eingesetzte Nachfolger und andere höchstrangige mittel- und südamerikanische Funktionäre wegen Schmiergeldannahme (im Bereich dreistelliger Millionensummen) verhaftet. Ausschlaggebend war die Insistenz der US-amerikanischen Strafverfolgung.
Dies alles in der Woche des weichenstellenden FIFA-Kongresses in Zürich, wo am Samstag ein neuer Präsident gewählt werden soll. Der eigentlich wieder Joseph Blatter sein/heißen sollte. Vor allem aus Europa in Stellung gebrachte Gegenkandidaten hatten sich in den letzten Wochen wieder zurückgezogen, einzig der auch von Europa unterstützte Blatter Gegner Ali bin al-Hussein, ein Prinz aus Jordanien, ist noch im Rennen.
APA/EPA/STEFFEN SCHMIDT
Das klingt alles recht einfach, mit der Aufteilung Gut/Böse und mit der Logik der Konsequenzen. Ist es nicht. Es gibt einige, jetzt allerorten kursierende, auf der Hand liegende Trug/Fehlschlüsse:
1: dass damit die Wahl Blatters verhindert wird
Annahme: die FIFA wird ja wohl nicht einen Mann wiederwählen, der die zahlreichen wegen Korruption Verhafteten seit Jahren zu seinen Getreuen und Verbündeten zählt, und ihre Schuldlosigkeit dauerbetont hat. Schließlich trägt der Chef die Letzt-Verantwortung über den Zustand der Organisation. Und das Außenbild der FIFA ist seit Jahren verheerend.
Für die Wahlentscheidung zählt aber nicht die Außen-, nicht die Medien- und nicht die Fremd-, sondern ausschließlich die Innensicht. Und da zählt neben einer klassischen Bunker-Mentalität (die da draußen werden uns hier drinnen nicht vorschreiben, was wir zu tun haben...) in erster Linie die Politik von Gefälligkeiten. Wenn Experten (wie hier) das System FIFA mit der Mafia vergleichen, dann ist das nicht despektierlich, sondern rein analytisch.
Wie das in der Praxis aussieht, zeigt dieser aufschlussreiche Beitrag der einzigen deutschsprachigen Fernsehsport-Sendung von Belang (dem, beim wdr produzierten Sport Inside): die Würfel zur Wahl sind längst gefallen, Blatters Gegenkandidaten kriegen - wie in den realen Scheindemokratien unserer Tage - nominelle Podien, werden aber mit jeder systemischen Geste sofort an ihre Chancenlosigkeit erinnert.
Das One Nation-One-Vote-System der FIFA hat Europa, hat jeden, der sich nicht wie Blatter mit permanenten Förderungen an die "Kleinen" rangemacht hat, systematisch entmachtet.
2: dass mit einem Aus für Blatter sein System verschwindet
Selbst wenn die nächsten Entwicklungen der nächsten Tage den Fall Blatters nach sich ziehen sollten (weil ihm direkt etwas nachgewiesen werden kann; weil ihn ein Verräter eintunkt; weil er sich verkabelt am Klo verplaudert...): am Kurs des Tankers FIFA kann und wird das nichts ändern.
In allen Bereichen der Zürcher Zentrale, in allen Vorständen der Kontinental-Verbände außerhalb Europas sitzen Blatters Leute. Menschen, die sein System nach oben gespült hat, erfahrene Machtpolitiker, die das Ölen der Maschinerie perfekt beherrschen.
Als Jack Warner 2013 stürzte, wurde Jeffrey Webb sein Nachfolger als Präsident des Concacaf (Verband für Nord- und Zentralamerika & Karibik). Webb war ursprünglich bei einem Finanzdienstleister auf den Cayman Islands, der die krummen Geschäfte Warners abwickelte, stieg dann zum Präsidenten des nationalen Verbandes der Caymans auf, ehe er Warner nun nachfolgte. Eine klassische und typische Karriere.
Ganz ähnlich hat Blatter seine Getreuen um sich platziert.
Selbst wenn Hussein die Wahl gewinnen sollte, weil das Blatter-Camp sie nicht verschieben und keinen Gegenkandidaten aus dem Hut zaubern kann: das System Blatter wird die FIFA schon allein deshalb noch jahrelang prägen, weil die Präsidium keinen Einfluss auf die Wahl der nationalen Funktionäre hat. Solange an der Basis (also den Landesverbänden und ihren kontinentalen Zusammenschlüssen) die Blatter-Leute sitzen, wird ihr System bestehen.
3: dass der Machtkampf nicht auch andere Hintergründe hat
Bei allem Ekel vor dem Korruptions-Filz, der sich vor allem in den (von den jeweiligen Landes-Eliten besetzten) nationalen Verbänden in (vor allem) Afrika (unter Quasi-Diktator Issa Hayatou), Mittel- und Südamerika breitgemacht hat und alles überlagert: letztlich geht es bei dieser Affäre auch um eine Kampf der Kulturräume.
Blatter, der sich aus machtstrategischen Gründen schnell mit den außereuropäischen Verbänden arrangiert hat, stellt sich gegen den alten Kulturhegemonial Europa,. vertreten durch seinen Kontinentalverband UEFA.
Die strategische Schwäche der Europäer (die lange wenig fähige Führungskräfte hatten und sich erst jüngst auf einen neuen Weg unter dem Ex-Spielerstar Michel Platini einigen konnten) trug das Ihrige zur Spaltung des Weltfußballs bei: auf der einen Seite das mächtige, durch Champions League, Euro-Ausrichtung und globaler Merchandising- und Lizenz/Rechtevergabe-Dominanz immer stinkreicher werdende Fußball-Europa gegen die Underdogs aus dem Rest der Welt.
So lässt sich leicht mobilisieren.
Immer wenn aus Europa Vorwürfe in Richtung Blatter kamen, brauchte der nur die kaum groß neulackierte Kolonialismus-Keule rauszuholen und bekam sofort backing aus aller Welt. Selbst die Vergabe an Katar konnte so plausibel gemacht werden: aufgeregt hatten sich in erster Linie die Briten, Stimmung machten immer nur die Europäer. Zudem war ein Katari ein Jahrzehnt lang Chef des asiatischen Verbands.
Gegenkandidat Ali bin al-Hussein nützt es übrigens nichts, dass er aus dem asiatischen Verband kommt (die einzige, vage Hoffnung der Europäer) - auch der ist, ebenso wie der ozeanische, zumindest überwiegend im Blatter-Camp daheim.
Der Vorwurf, den sich Fußball-Europa gefallen lassen muss: nichts getan zu haben um den erworbenen Reichtum zu teilen. Stattdessen nerven die reichen europäischen Klubs mit Abstellungs-Genörgel, will die UEFA mehr WM-Startplätze, verstopfen die europäischen Stars, Trikots und Franchises die nationalen Märkte, greifen die postkolonialistischen Seilschaften immer noch die meisten Gewinne ab.
In diesem globalen Kampf kann man gegen die Positionierung, die Blatter vorgenommen hat, nicht gewinnen.
4: dass Österreich beim Thema Korruption eh nicht mitspielt
Doch, das passiert, auf österreichische Art halt, verdruckst und patschert.
Wie sich der ÖFB-Präsident (wie auch der Liga-Präsident hierzulande kein Profi, sondern ein Frühstücksdirektor aus der Privatwirtschaft, er ist Chef des oberösterreichischen Energieanbieters) just im Vorfeld der anstehenden Wahlen in Unvereinbarkeits-Probleme ohne Ende geritten hat, könnte man fast schon als kunstvoll bezeichnen.
News hat den windschiefen Ablauf eines Förderungsansuchens dokumentiert, das einem privaten Fußball-Charity-Projekt zukommen soll, aber zunächst über offizielle ÖFB-Konten abgewickelt wurde, ehe dann mit Ach und Krach ein geregelter Ablauf erzielt wurde.
Mit bedenklicher Begleitmusik: die windelweiche Haltung, die er ÖFB-Chef gegenüber Blatter einnahm, war selbst als Gastgeber beim UEFA-Kongress im März, bei dem sich die Europäer auf einen Gegenkandidaten zu Blatter einigen wollten, zu spüren. Die SZ spricht von einer irritierenden Gefälligkeit. Erst in den letzten Tagen bekannte sich der ÖFB.
Die Europäer stehen, wie Chef Platini zugeben muss, immer noch nicht 100ig gegen Blatter. Da davon auszugehen ist, dass fast jeder Verband weltweit in vergleichbaren halbkorrekten Finanz-Kontakten mit der Geldsprudelquelle in Zürich steht, sollte aber nichts mehr verwundern.
Der ÖFB sieht in seinem Vorgehen kein Problem und sucht - konsequenterweise - keine innere Einkehr in Richtung verbesserte Ethik, sondern einen Maulwurf.