Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Don't Stop Believing"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

24. 5. 2015 - 12:06

Don't Stop Believing

Das Finale beim Eurovision Song Contest.

Genug ist genug

Wer dennoch noch Nachschlag will:

Wenn man sich das Wort "Hero" in den Songtitel schreibt, hat man fast schon gewonnen. Durchhaltevermögen, Selbstvertrauen, ein High-Energy-Leben gegen die blöde Welt da draußen. Nieder mit den Umständen - das ist die Botschaft, die man gerne hört. Wie allerorts im Vorfeld prophezeit hat also der Schwede Måns Zelmerlöw am Samstag beim Eurovision Song Contest den ersten Platz belegt.

Falls man im Laufe der Woche kurz durch Euphorieschübe fehlgeleitet worden war - am Ende der Nacht durfte man dann doch wieder wissen, dass bei dieser Veranstaltung oft die schlichte Message und der schlichteste gemeinsame musikalische Nenner zum Sieg führen."We are the heroes of our time", singt Zerlmerlöw in seinem Song "Heroes", da kann sich jede und jeder so ein bisschen etwas vorstellen und vorübergehenden Trost finden, danach muss es in dem Stück mysteriös und zweideutig funkeln: "But we're dancing with the demons in our minds...".

Schweden

Orf.at/Christian Öser

Måns Zelmerlöw, Schweden

Klarerweise gibt kaum ein Song beim Song Contest Rätsel auf, hier geht es um aus dem Phrasenbuch zusammengedokterte Texte, die sofort quer über den Globus als Slogans und Kalenderblattweisheiten erkannt werden müssen. Die schöne Flucht aus den Sorgen: "And live your life like there is no tomorrow, son", lautet eine andere Zeile aus dem Siegertitel, ein tatsächlicher Geniestreich glückt der Nummer "Heroes", einem der schlechtesten Lieder des Wettbewerbs, in der letzten Zeile vor dem Refrain, indem sich der Song in vorauseilender Selbstvergewisserung und kokett gleich selbst zum Hit erklärt: "Heroes" sei, so singt Zelmerlöw "the greatest anthem ever heard".

The Makemakes aus Österreich haben mit ihrer Verkörperung einer Rock'n'Roll-Band für die ganze Familie verdientermaßen im Voting keinen Punkt erhalten und werden wohl in weiterer Zukunft beteuern müssen, dass sie vermutlich keine Band für den Song Contest sein dürften. Außerhalb von Nachwuchsbandcontests, Stadtfesten und österreichischen Song-Contest-Vorentscheiden muss für eine derlei ideenlose Band die Nische erst gefunden werden.

Makemakes

Orf.at/Christian Öser

The Makemakes, Österreich

Ebenfalls blutleer versuchte sich der deutsche Beitrag - ebenso Null Punkte - an der Imitation populärer Musik: Die Sängerin Ann Sophie mühte sich da an einer Interpretation von Sixties-James-Bond-Pop mit Soul und Laszivität, in der Art, wie es seit sechs Jahren von Adele und allen anderen vorgemacht wird. Selten war deutlicher, dass hier etwas gewollt wird und die Rolle in keiner Weise ausgefüllt werden kann. Da half auch ein halber Emma-Peel-Catsuit nichts.

Auch neben dem schwedischen Beitrag tat sich in den vorderen Rängen wenig Aufregendes: Russland landete mit einer soliden Power-Ballade für den Soundtrack von "Titanic 3" - dem Siegertitel haushoch überlegen - auf Platz 2. Schiefe Metaphorik - "Your heart is like a beating drum, burning brighter than the sun" - machte Sängerin Polina Gargarina durch mitfühlbar und glaubhaft dargestellte Entrückung wett.

Il Volo

Orf.at/Christian Öser

Il Volo, Italien
Lettland

Orf.at/Christian Öser

Aminata, Lettland

Dass es im Pop eben nicht nur um die Musik geht, sondern auch um außermusikalische Reize, um Aura und Frisuren, demonstrierte der Beitrag aus Italien: Die Opern-Pop-Boyband Il Volo wurde im Ranking Dritter, wohl auch nur, weil die drei Herren irgendwie berühmt sind. Italien war sich nicht zu schade, einen Song namens "Grande Amore" ins Rennen zu schicken - so etwas hat dann beim Song Contest Erfolg. Österreich sollte sich für den nächsten Wettbewerb das Schnitzelsemmel-Lied überlegen.

Für die Handvoll guten - im Kontext - Lieder, die sich nicht komplett in seliger Klischeeerfüllung genügten, gab es dann doch gute Platzierungen: Der schelmische R'n'B-Pop aus Belgien landete auf Platz 4, das sexuell aufgeladene Schlafzimmer-Duett aus Estland - das Blickkontakt-Lied - auf Platz 7. Überraschenderweise schaffte es der Song, der als fast einziger etwas mit aktueller, interessanter Popmusik zu tun hat, gar auf Platz 6: "Love Injected" der Sängerin Aminata, die für Lettland am Start war.

Klappernder und blubbernder Bastelstuben-R'n'B, der von Poststep und FKA Twigs schon gehört haben dürfte, aber auch das Schmalz und den Pomp nicht scheut. Fast schon Future. Es ist noch nicht alles verloren. Your love revives my soul. Es war ein großes Fest, ein teuer hergestelltes billiges Parfüm, ein Lamettaregen in einem staubigen Leben. Morgen werden wir die Lieder vergessen haben. YOLO.