Erstellt am: 24. 5. 2015 - 14:40 Uhr
Das Geheimnis ewiger Liebe
Leider kenne ich das Geheimnis ewiger Liebe gar nicht. Der Titel dieses Aufsatzes ist nur eine geschickte Finte von mir, um die Aufmerksamkeit der Leserschaft zu gewinnen.
Haha!
Diesen Trick habe ich mir von der Onlinekonkurrenz abgeschaut, die es - ich gebe es nur widerwillig zu - mitunter schafft, mich mit Headlines wie "Die sieben besten Analfisting-Tricks für die Grelle Forelle" zu ködern. In dicken Lettern prangen derlei Titel im sozialen Netzwerk meiner Wahl, und wenn mir fad ist im Schädel klicke ich drauf und bin dann regelmäßig von den No-Go-Auflistungen und Tinder-Exklusivreportagen enttäuscht. Rasch schließe ich den Tab wieder und kehre auf Facebook zurück, wo in meiner Abwesenheit munter weiter gepostet wurde, zum Beispiel fragt Freund D.:
"Könnte mir jemand einen verrückten Sonnenhut für die nächste FKK-Plattenbörse borgen?"
Man ist natürlich hilfsbereit, sucht das verrückteste Teil aus dem Hutfundus, schreibt dem Freund und zwei Stunden später steht er nackt vor der Haustüre, um einen crazy Zylinder abzuholen und sogleich zum entblößten Vinyl-Tauschen zu eilen. Man hilft gerne. Der eine oder andere übertreibt es aber auch mit dem virtuellen Schnorren.
Alles mögliche wollen die Friends geschenkt bekommen oder ausborgen. Fleischwölfe, Dörrapparate, von mir aus auch Umzugskartons, aber manche treiben es wirklich ein bisschen gar bunt und fragen nach Zahnstochern (Ich übertreibe!) oder Strohhalmen (Ich übertreibe nicht!). Beliebt macht man sich wohl nicht damit, unter solche Facebook-Schnorrereien zu posten, was so unerträglich unter den Fingern juckt:
Man kann sich durchaus auch mal etwas KAUFEN!
Denn dafür hat der der liebe Gott die Geschäfte erschaffen!
mc
Man kann sich im Grunde alles kaufen, nur nicht die ewige Liebe, womit ich nun dem Titel des Aufsatzes doch ein bisschen Rechnung getragen habe, nicht aber der Frage, wieso ich meine Texte eigentlich immer Aufsätze nenne. Der simple Grund ist, dass ich das Wort schön finde und es so sympathisch bescheiden klingt. Die meisten assoziieren es wahrscheinlich mit Deutsch-Schularbeiten, ebenso wie die seltsame Textgattung Erörterung.
Schüler beschweren sich gerne darüber, dass sie die Inhalte des Mathematikunterrichts "im Leben" nie wieder "brauchen" würden.
Das ist ein Irrglaube, schließlich stand jeder schon einmal im Aufzug und hatte plötzlich das Bedürfnis, auf der Stelle eine Extremwertaufgabe zu lösen.
Vielmehr sollten sich die Schüler beschweren, dass sie jahrelang dazu gezwungen werden, Erörterungen zu schreiben, eine Textgattung, die ausschließlich zum Malträtieren von Schülern erfunden wurde und der man "im Leben" wirklich nie wieder begegnet. Aus erster Hand weiß ich, dass sogar ein anderer Textgattungs-Schlager meiner schulischen Laufbahn immer noch fest im Lehrplan verankert ist:
Der gute alte Leserbrief.
Hui! Da werden die Digital Natives sicher ganz wuschig, wenn sie endlich lernen, wie man einen Leserbrief schreibt *lol*.
Dabei gäbe es so viele schöne Textformen!
Oden!
Sagen!
Traktate!
Auch Rezensionen können hübsch sein. Kürzlich kam ich mit einem lieben Persönchen ins Gespräch. Nach einiger Zeit lobte es mich für meine Beiträge auf diesen graugelben Seiten. Wörtlich sagte das Persönchen, es würde meine Rezensionen sehr lustig finden. Ich bedankte mich artig und fand das insgeheim auch sehr lustig, weil ich hier wirklich schon alles mögliche geschrieben habe, aber noch nie eine Rezension!
Was sollte ich schon rezensieren? Platten? Filme? Bücher?
Hab isch doch keine Ahnung von ey!
Aber... Ein einziges Mal könnte ich es ja doch probieren. Ich müsste halt etwas rezensieren, von dem ich ein bisschen etwas verstehe.
Warum nicht zum Beispiel einen
Pizza-Verriss
schreiben?
Jakob Dettner CC BY-SA 2.0
Pizzen erfreuen sich völlig zu Unrecht großer Beliebtheit. Der zumeist fantasielos arrangierten und nährstoffarmen Teig "mit was drauf" rangiert seit Jahrzehnten unangefochten auf den Spitzenplätzen der internationalen Speisecharts, obwohl das kreisrunde Trottelessen fast ausschließlich nachteilsbehaftet ist.
Alleine die Beschaffung gestaltet sich stets als schwierig. Von den auf Speisekarten und Flyern zahllos angebotenen Belags-Variationen trifft zumeist keine einzige den Geschmack des gierigen Konsumenten zu hundert Prozent. Einmal sind ungeliebte Kapern drauf, dann vergällen Pilze den vollendeten Genuss und ein andermal wieder ist es der Mais, der die Komposition verdirbt. So ist man in den meisten Fällen gezwungen, der Bestellung ein "Aber bitte für mich ohne…" anzufügen.
Individuell belegen lassen? Abzocke!!!
Pizza selbst machen? Schmeckt nicht!
Tiefkühlpizza? Hat man ja doch nie zu Hause, wenn man sie braucht,
Lösung: Pizzeria. Nach der schwierigen Auswahl der wie immer mangelhaften Belags-Compilations beginnt die schier endlose Kette an Nachteilen der überschätzten Italo-Fladen erst. Lässt man sich die Pizza nach Hause liefern, dauert es eeeewig, bis man dem Arbeitnehmer an der Tür Trinkgeld für sein bereits kaltes und erschlafftes Produkt aushändigen kann. Speist man in der Pizzeria, muss man das vermaledeite Gericht mit Messer und Gabel essen, und man will doch keine Pizza mit Messer und Gabel essen! Ist ja nicht einmal so einfach, wo die Ränder doch immer über den viel zu kleinen Teller lappen und die stumpfen Messer nicht einmal durch die Käseschicht zu dringen vermögen. Nein, nicht blöd zerteilen, sondern heißhungrig hinunterschlingen will man sie, bis einem die Oliven im Hals stecken bleiben, wenn man sich an den natürlich unentkernten Trümmern nicht schon längst einen Zahn ausgebissen hat.
mc
Eine Sauerei ist dieses Schlingen jedes Mal! Viel zu viel Belag wurde nach dem beliebten Pizzamotto "mehr ist oft mehr" auf den außen verkohlten und innen letscherten Teig gepappt, sodass die Hälfte wieder aus den zusammengerollt zum Mund geführten Keilen quillt. Doch der Belagsverlust ist sogar noch größer als fünfzigprozentig, weil schon beim Vierteln so manch widerspenstige Zutat verlustig geht - Salamischeiben beispielsweise lassen sich nie so schön zerschneiden, wie man es…. wie man es…. vielleicht in Hochglanzmagazinen sieht!
Doch das ist alles noch gar nichts gegen die wahrhaft größte Schweinerei, nämlich die sogenannte Umzugspizza, denn nach getaner Übersiedlung findet man natürlich kein Messer in den ganzen Umzugskartons, woraufhin die freiwilligen Helfer ihre Pizzen nicht schneiden, sondern zerreißen müssen, was an Würdelosigkeit kaum zu toppen ist.
Vermeintlich kaum zu toppen!
Noch würdeloser ist es, einen bereits verschlungenen Pizzabissen wieder ausspucken zu müssen, weil die Tomatensauce unter einer Salamischeibe wesentlich heißer ist als jene in der Scheiben-Umgebung - Wer dieses leider totgeschwiegene Problem nicht kennt, lebt wohl hinterm Pizzaofen!
Diese Unannehmlichkeiten, insbesondere der massive Belagsverlust während des Verzehrs, führen schließlich unweigerlich dazu, dass der Pizzakarton nach dem "Genuss" so mit Sauce und Fett vollgesogen ist, dass man ihn weder ruhigen Gewissens im Papier- noch im Restmüll entsorgen kann.
Leider sieht die Wahrheit trauriger aus als eine Margarita ohne alles: Weiterhin wird die träge Masse Tag für Tag tonnenweise den schändlichen Snack spachteln, weshalb es wohl vergebene Liebesmüh wäre, die vielen vielen weiteren Pizza-Kontras anzuführen, die mir auf der Zunge brennen würden wie Salamischeiben.
Auweia!
Ich lasse das Rezensieren wohl doch besser bleiben. Jetzt fühle ich mich schlecht. Ich will doch gar nichts tadeln, was ich eigentlich schätze. Aber auch nichts preisen, was ich in Wahrheit verachte.
Klar: Man könnte natürlich einfach schreiben, was man auch tatsächlich meint. Aber: Wer will schon überlange Texte darüber lesen, dass Pizzen total lecker sind!?
Versöhnlicher Schluss
Zu zweit gierig Pizza runterschlingen und sich überhaupt nicht darum scheren, wie man dabei aussieht - DAS ist übrigens das Geheimnis ewiger Liebe.