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Marc Carnal

Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, hat die bessere Luft. Lach- und Sachgeschichten in Schönschrift.

21. 5. 2015 - 11:36

Mythos TV-Aufzeichnung, Mythos Schaukasten

Exklusiv: Meine fünf Lieblingsfolgen von Tom Turbo!

Um in Fernsehstudios eine resche Atmo zu generieren, karrt man zuweilen Klatsch-Sklaven an und lässt sie schöne Geräusche machen.

TV-Aufzeichnungen beizuwohnen ist eine ausgesprochen mühselige Freizeitaktivität - Trotzdem sind die Reihen stets üppig gefüllt, mancheiner ist sogar bereit, Eintritt zu bezahlen. Stundenlanges Warten und Schwitzen, verordnetes Lachen und Applauszwang nimmt man für die All-time-number-one unter den Aufzeichnungs-Erkenntnissen in Kauf, denn die Stimmungs-Statisten stehen IMMER mit offenem Maul da und sagen: “Boah! Ich hab mir das Studio viel größer vorgestellt!” Und dann finden sie es ungeheuer “spannend”, mal zu sehen, “wie so eine Sendung entsteht”.

Was genau ist denn so spannend daran? Meinen die Leute, dass keine Scheinwerfer an der Decke hängen? Glauben sie insgeheim, dass die Show nicht von Kameras und Mikrofonen, sondern mittels Föhnen und Spargelschälern aufgezeichnet wird? Spekulieren sie damit, dass nicht Moderatoren ihren Text aufsagen, sondern Fahrräder?

Gut, eine Sendung gibt es wirklich, die von einem Fahrrad “moderiert” wird, und ich weiß auch nicht soooo genau, wie es technisch möglich ist, dass Tom Turbo so täuschend echt aussieht, aber ich will es auch gar nicht wissen, denn das würde mir die geliebte wöchentliche Illusion rauben, wenn es wieder heißt: “Bleibt auf der Spur!”

ORF/Günther Pichlkostner

Und auch wenn das jetzt wirklich niemanden interessiert, verrate ich gschwind meine fünf liebsten Tom Turbo-Episoden:

Allesamt sehr spannend! TV-Aufzeichnungen dagegen: nicht spannend.

Zuerst steht man ewig herum und bekommt nichts zu trinken, dann bekommt man doch etwas zu trinken, darf das Getränk aber nicht mit ins Studio nehmen, dann sitzt man ewig herum und bekommt wieder nichts zu trinken, dann kommt ein Warm-up-Kasperl, der einem erklärt, was man zu tun hat und was untersagt ist, dann beginnt die Sendung, man sieht nichts, es ist heiß und stickig, und dann ist die Sendung wieder vorbei und man muss wieder nach Hause gehen.

“Aber so ein Blick hinter die Kulissen ist doch trotzdem interessant!”

Wer wirklich hinter die Kulissen blicken will, muss beim Fernsehen arbeiten! Und das will ich wirklich niemandem… Ups, das ist ja für den Österreichischen Rundfunk, was ich hier schreib! Ich korrigiere: Das will ich wirklich JEDEM empfehlen!

mc

Don't judge a pack of shorts by its cover, heißt es bekanntlich. Ob der ausgesprochen skeptische Unterflak-User aber eine glückliche Motivwahl ist, sollte für die Herbstkollektion trotzdem noch einmal überdacht werden.

Soeben bemerke ich, dass ich auf diesen graugelben Seiten eigentlich noch nie von einem wirklich merkwürdigen Erlebnis berichtet habe, das sich vor rund acht Jahren zugetragen hat. Da es sich in diesen Aufsatz thematisch recht gschmeidig einfügt, möchte ich diesen Mangel beheben: Der Erlebnisbericht heißt

Das Wunder

Vor vielen Monden hatten mein lieber Kollege Max und ich mal eine Fernsehsendung auf einem unbekannten Wiener Kabelsender. Für unsere televisionäre Jugendsünde wollten wir den bekannten DJ DJ Ötzi interviewen. Zu diesem Zweck fuhren wir nach Salzburg, wo der Musikantenstadl gerade Station machte.

Als Nikoläuse verkleidet betraten wir das Backstage-Areal des Stadls, wo wir mit dem DJ verabredet waren.

mc

Zeit totschlagen mit Gabriel von den Krieglachern

Wir waren deshalb als Nikoläuse kostümiert, weil wir in unserer lieben Trottelsendung immer als irgendwas kostümiert waren. Einfach so und nie thematisch passend. Zuweilen war es unangenehm, in doofer Kluft Granden gegenüberzutreten. Beim Musikantenstadl war es aber recht erträglich, weil wir in unserem weihnachtlichen Gewand zwischen all den grell gewandeten Musikanten gar nicht auffielen.

Blöd jedoch: Der DJ war ob seiner bevorstehenden Darbietung etwas flatterig und ließ uns durch seinen bedrohlichen Manager ausrichten, dass er sich noch nicht bereit für unsere Unterredung fühle.
Also hieß es warten, warten, warten.

Wir sahen viele bekannte Gesichter, aber auch zahlreiche unbekannte, denn besonders treue Stadlfreunde dürfen sich im Garderobenbereich ihrer Idole aufhalten und sie betrachten.
Wir warteten uns die Haxn in unsere Nikolausbäuche. Der DJ ließ sich immer wieder entschuldigen. Es war so fad.

Doch im Nachhinein bin ich ihm dankbar, dass er uns zappeln ließ, denn so durften wir nach zähen Stunden das Unfassbare erleben:

Irgendwann stand der beliebte Sänger Patrick Lindner in unserer Nähe.

Vom anderen Ende des Backstagebereichs näherte sich eine betagte Dame, die sich von ihrer Tochter begleitet auf Krücken durch die Biertische manövrierte. Plötzlich erblickte die lahme Greisin Herrn Lindner. Ihr soeben noch eingefallenes und fahles Gesicht erstrahlte jäh in freudigem Glanz. Da warf sie ihre Krücken zur Seite und marschierte stramm und euphorisch auf den Barden zu. Ihre Tochter rief "Mama!!! Deine Krücken!!!" und eilte ihr hinterher, doch die Mama konnte plötzlich wieder gehen - Der Erlöser Lindner hatte sie durch seine schiere Anwesenenheit geheilt. Ein Wunder! Im Stadl!

Sollte mir diese Geschichte jemand nicht glauben: Ich hab jederzeit zwei Zeugen an der Hand.

Manchmal ist es "hinter den Kulissen" also doch "spannend". Viel spannender ist aber zweifelsohne immer noch der

Mythos Schaukasten

mc

Wie sieht es eigentlich hinter den Kulissen von Schaukästen aus? Wie darf man sich die Arbeit an einem Schaukasten vorstellen? Ist sie intensiv? Langwierig? Gar fieberhaft? Wird lange konzeptioniert oder eher spontan einfach so drauflos-ausgehängt?

Gut, nach dem Stadl-Wunder ist die Aufmerksamkeit für meine special interests wohl dahin, deshalb erhält die Leserschaft nun zum Abschluss einen exklusiven Einblick hinter die Kulissen dieses Textes:

Behind the Scenes of "Mythos TV-Aufzeichnung, Mythos Schaukasten" by Marc Carnal

Während ich diesen Aufsatz geschrieben habe, verlor ich kurzzeitig die Lust an meinem Handeln und beschloss, den Geschirrspüler einzuräumen. Dabei stach ich mir mit einem sehr spitzen Messer, das sich bereits im Besteckkorb befand, in die Hand.

Ich blutete nur leicht und wollte schnell das restliche Geschirr einräumen, um dann gleich die Wunde zu verarzten. Doch da stach ich mir mit dem selben Messer (!) einen halben Zentimeter daneben (!) noch einmal (!) in die Hand.

Dieses Making-of könnte freilich nur veredelt werden, wenn ich mir noch ein drittes Mal (!) in die Hand gestochen hätte, doch leider leider, es war nicht so. Das Leben ist kein Slapstickfilm.

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(Dieser Hinweis ist in Filmen ebenso sinnlos wie bei Texten. Man merkt eh in beiden Fällen, wenn es vorbei ist.)