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Anna Masoner

Anna Masoner

Anna Masoner

Erkundet als digitale Migrantin Vorzüge und Abgründe der Informationsgesellschaft

20. 5. 2015 - 18:41

"Datensammeln muss nicht sein"

Die kleine Firma ind.ie will Google und Facebook die Stirn bieten, ohne die Daten der NutzerInnen zu verwerten. Ist das naiv oder verwegen?

Service gegen private Daten, so lautet im Kern, das im Silicon Valley beliebteste Geschäftsmodell. Dem Designer und Programmierer Aral Balkan geht es ziemlich gegen den Strich. Mit seiner kleinen Firma ind.ie hat er sich im britischen Städtchen Brighton angesedielt. Von dort aus will er mit derzeit einer handvoll Mitarbeiter Alternativen zu den Services von Google und Facebook entwickeln. Anfangen will Balkan mit einem Peer to Peer Netzwerk, das seinen Nutzern gehören soll.

Datenkrake, dargestellt auf einer Demo

CC BY 2.0 Nicor via Wikmedia Commons

CC BY 2.0 Nicor via Wikmedia Commons, Datenkrake dargestellt auf einer Demo.

P2P Heartbeat

Bevor Aral Balkan Details über seine Projekte und konkreten Ideen verrät, wettert er gerne über die Geschäftspraktiken von Datenkraken wie Google und Facebook. Als Nutzer sei man man nicht Kunde, sondern vielmehr das Produkt. Denn die Internetgiganten haben im Wesentlichen zwei Zielgruppen: Jene, die einen Service gratis nutzen und dann die eigentlichen Kunden: jene, die bezahlen, um an Informationen über die Nutzer heranzukommen.

Für den Anfang arbeitet Balkan an einer Art Peer to Peer Netzwerk namens Heartbeat: "Ich kann damit jemandem ein Foto oder eine Nachricht schicken, kann aber auch etwas öffentlich posten. Wir alle wollen uns ja mitteilen: unsere Gedanken, unsere Fotos, wo wir sind… aber wir wollen es mit unseren Freunden und Bekannten teilen. Aber niemand teilt ein Foto oder ein Statusupdate freiwillig mit einem dieser Techgiganten, über deren Server unsere Kommunikation läuft."

Für den Service muss man zahlen

Aral Balkan

CC BY 2.0 by Paul Clarke via flickr

CC BY 2.0 by Paul Clarke via flickr

Heartbeat bietet die Möglichkeit, ein Netzwerk zwischen den eigenen Geräten und den Geräten von Freunden herzustellen. Da es nach dem Peer-to-Peer-Prinzip funktioniert, bleiben die Daten nur auf den eigenen Geräten, und laufen nicht über die Server von ind.ie. "Wir bieten nur einen verschlüsselten Back Up Service an, den man abonnieren kann." Finanzieren will sich ind.ie über ein Abomodell und über den Verkauf durch den App Store. Für den Anfang läuft Heartbeat nur auf der Apple-Plattform. Für jene, die kein Geld ausgeben wollen und gerne herumfrickeln, gibt es eine Open-Source-Variante.
Bisher hat der ambitionierte Designer und Programmierer sein Projekt durch den Verkauf eines Hauses finanziert, sowie durch Crowdfunding. Derzeit gibt es eine pre-alpha Testversion.

Wird´s funktionieren?

Warum sollten User Heartbeat wirklich nutzen wollen? Ist das "Ich bezahle durch meine Daten"-Modell nicht schon zu eingeschliffen? So oder ähnlich lauten die häufigsten Fragen mit denen Balkan konfrontiert wird. Er verweist auf Studien, die beweisen würden, dass den Menschen der Schutz ihrer Privatsphäre immer wichtiger wird und kontert mit einer "was wäre wenn Frage":
"Wir bezahlen doch die ganze Zeit für irgendwelche Dinge. Ich könnte dir jetzt ein Haus anbieten. Du müsstest nichts dafür bezahlen, bekommst es umsonst. Die einzige Bedingung ist, dass ich jederzeit vorbeikommen kann um dich zu beobachten, zu fotografieren und um alles aufzuzeichnen, was du machst. Du bezahlen also mit deiner Privatsphäre. Wer würde sich darauf einlassen?"

Ausgenommen Exhibitionisten vermutlich niemand. Aber reicht das schöne Bild schon um ein neues soziales Netzwerk groß zu machen? Der Erfolg von ähnlich hehren Projekten ist bisher ja leider bescheiden. Wir erinnern uns an die alternativen Netzwerke Diaspora oder Ello. Trotzdem: Einen Versuch ist es alle mal wert.