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Martin Pieper

radio FM4

Martin Pieper

Ist Moderator und Chefredakteur von seinem Lieblingssender. Hat sein Hobby zum Beruf gemacht.

19. 5. 2015 - 18:08

Ringvorlesung Song Contest?

Der Song Contest als "nicht/-ästhetisches Dispositiv kultureller Entgrenzung" - ein kulturwissenschaftlicher Reader im Test.

songcontest.orf.at

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Aus dem Reich der Kulturwissenschaften hat ein Reader zum ESC den Sprung heraus aus den modrigen Untiefen der Uni-Bibliotheken geschafft. "Eurovision Song Contest - Eine kleine Geschichte zwischen Körper, Geschlecht und Nation" erzählt eigentlich viele Geschichten. Zum Beispiel die von den vielen Sprachen, die den Song Contest früher ausgemacht haben und mittlerweile größtenteils von einem mitunter grotesken Pop-Englisch abgelöst wurden. Oder eine detaillierte Analyse der österreichischen ESC-Songs der bitteren Achtziger Jahre und der damit einhergehenden medial beantworteten "Schuldfrage" (die man salopp mit "immer die anderen" beantworten könnte).

Die Bühne vom Song Contest in Wien

orf.at/Christian Öser

FM4 Song Contest Sauna

Eine ganze Woche Party plus Public Viewing in der Wiener Pratersauna.

Man sieht schon: hier geht es nicht um das nerdige Camp-Wissen der Fans (Warum ist Sandy Shaw bloßfüßig aufgetreten?), sondern um europäische Geschichten im Spiegel des Song Contests. Der Essayband enthält zwanzig Beiträge verschiedenster AutorInnen zwischen Kultur- und Medienwissenschaften, Cultural Studies und Geschichte. Vor Begriffen wie "Dispositiv", "Normative Identität" oder "queeres Subjekt" muss man keine Angst haben. Die kommen zwar auch vor, aber fast immer so, dass man auch als nicht kultur-wissenschaftlicher Afficionado auf seine Rechnung kommt. Und man erfährt tatsächlich ein Menge an nicht nur unnützem Wissen über das Wettsingen. Beispiele gefällig?

Eurovision Song Contest - Eine kleine Geschichte zwischen Körper, Geschlecht und Nation

Zaglossus Verlag

Eurovisions Song Contest – Eine kleine Geschichte zwischen Körper, Geschlecht und Nation . Hsg: Christine Ehardt, Georg Vogt und Florian Wagner; erschienen im Verlag zaglossus .

  • Österreich hat als einziges Land den Song Contest 1969 in Spanien boykottiert, aus Protest gegen das damals noch regierende Franco Regime. Wer hätte das gedacht?
  • Neben dem ESC, dem EBU Song Contest gab es ab 1961 auch einen ISC, den „Intervisions-Songcontest“ der im polnischen Sopot stattfand. Das Ost-Gegenstück zum westlichen TV-Glamour-Vorzeigeprodukt war ein Kind des kalten Krieges. Die Sowjetunion hat sehr oft gewonnen.
  • 1973 nahm zum ersten Mal Israel am Song Contest teil. Ein Jahr nach den Terroranschlägen in München waren die Sicherheitsbestimmungen in Luxemburg extrem hoch. Es durfte im Saal während der Übertragung nicht aufgestanden werden, und Sängerin und Komponist wurden von Scharfschützen bewacht.
  • 1974 hat Abba mit Waterloo den Song Contest gewonnen. Nur drei Punkte gab es für den portugiesischen Beitrag von Paulo de Carvalho, der war dafür aber gleich in Portugal selbst das akustische Signal für den Start eines militärischen Umsturzes, der sogenannten "Nelkenrevolution" gegen die autoritäre Diktatur des sogenannten "Estado Novo".

Die aktuelle, sechzigste Ausgabe des Song Contests konnte natürlich noch nicht ins Buch einfließen. Kulturwissenschaftlich fällt den drei HerausgeberInnen aber schon viel zum heurigen Motto "Building Bridges" ein. Die Songcontest-Forschung ist noch lange nicht abgeschlossen.

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