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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

19. 5. 2015 - 16:35

The daily Blumenau. Tuesday Edition, 19-05-15.

Seelenverkäufer und Wettsucht-Vorschubleister. Würde die selbstkritische deutsche Debatte in Österreich ernsthaft geführt, müsste der Profi-Fußball zusperren.

#sponsorenmacht #sportwetten #fußballjournal15

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Der angesprochene FC Ingolstadt hat seinen Aufstieg auch vielen Österreich-Connections zu verdanken: Chefcoach ist der (im DFB Trainer-Lehrgang ausgebildete) Ralph Hasenhüttl, im Tor steht Teamgoalie Ramazan "Rambo" Özcan, die Tore schießt Lukas "Hansi" Hinterseer, die Presse betreut Oliver Samwald und als Teamkoordinatorin ist Barbara Briegl für das, was der Deutsche "Orga" nennt, zuständig. Briegl wurde übrigens vom aktuellen Sportdirektor nach dessen Zeit als Sportchef in Salzburg nachgeholt: Thomas Linke. Der brasilianische Linksverteidiger Danilo Soares schließlich hatte seine Lehrjahre in Lustenau bei der dortigen Austria verbracht - die (typisch österreichisch) aus seinem Talent kein Kapital zu schlagen imstande war.

Diesmal ist es nicht der klassisch-übliche Verdächtige, nämlich Red Bull, der die Diskussion lostritt - entzünden tut es sich rund um den, durch seinen sensationellen Aufstieg in die deutsche Bundesliga in den ganz großen Mainstream-Fokus geratenen FC Ingolstadt. Dass sich die Fans des RB Leipzig nicht entblöden diesen Umstand in einen Choral zu packen, zeigt ihren unterhalb der Grasnarbe angesiedelten Bewusstseinsstand.

Ingolstadt steht nämlich, teilweise direkt, vor allem aber implizit (wie alles in dieser bayrischen Provinzmetropole) unter dem Einfluss des dort ansässigen Audi-Werkes. Das wiederum gehört VW, und die Mutter hat in ihrer Heimat Wolfsburg noch deutlich direkten Einfluss auf ihren De-Facto-Werksklub VfL Wolfburg (aktuell deutscher Vizemeister und Champions League-Teilnehmer). VW ist auch an Bayern München beteiligt (im einstelligen Prozentbereich) und stellt dort einen Aufsichtsrat (wie auch Audi, ein anderer Bayern-Kleinsponsor). Und einer der Sponsoren von Cupfinalist Borussia Dortmund ist eine VW-Tochter. Zudem sponsert VW auch noch den deutschen Fußball-Cup und ist (direkt oder indirekt) Kleinsponsor bei einem Dutzend anderer Vereine.
Man kann also schon von einem Konglomerat sprechen - und da ist die Wettbewerbsverzerrung nicht weit.

Was sich vor allem im europäischen Wettbewerb auswirken könnte: an Champions resp. Europa League darf nämlich nur je eine Mannschaft desselben (Mehrheits-)Besitzers teilnehmen um exakt diese Interessenskonflikte zu verhindern.

Nun sind die aktuellen konkreten Anwürfe gegen den FC Ingolstadt wenig durchdacht: der Verein existiert zwar erst seit 2004, ging aber aus einer Fusion der beiden Platzhirschen MTV und ESV hervor, die - ich erinnere mich noch - damals der einzig logische Schritt war, um dem Schicksal als konkurrierende, einander gegenseitig aus der 2. Liga Süd werfende Unterdurchschnittler zu beenden. Audi, die dominierende Macht in der Stadt, in der es (außer Slut sonst nichts gibt) kam erst sukzessive stärker an Bord (als man nämlich merkte, dass es sportlich bergauf ging), stieg 2010 mit dem teilweise mitfinanzierten Stadion ein und erwarb 2013 die Aktienmehrheit.

Mit einem künstlich aus dem Erdboden gestampften Verein wie es die Red Bull Franchises sind, oder mit einem systematisch in die Höhe gepimpten vorher völlig bedeutungslosen Heimatverein wie im Falle der TSG Hoffenheim ist der Fall der Ingolstädter also nicht zu vergleichen. Die sind in punkto Tradition schon echt - genauso wie sie in punkto zunehmende Abhängigkeit vom lokalen Platzhirschen chancenlos sind.

Für eine Oberflächen-Diskussion auf Bild-Zeitungs-Level reicht es aber allemal. Und auch die Dorfliga-Debatte, die der Aufstieg der Schanzer nach sich zieht, ist - nimmt man das diesbezüglich deutlich dringlichere Problem in Österreich als Referenz her - Geweine auf ganz ganz hohem Niveau.

Sehr problematisch wird es dann aber, wenn die heimische Branche versucht sich im Vergleich gut darzustellen. Der in diesem Zusammenhang wie zufällig einfließende Hinweis nämlich, dass eine derartige Konstruktion in Österreich nicht möglich sei, ist brüchig.

Nur weil der FC Liefering, Kooperationsclub von Red Bull Salzburg nicht berechtigt ist in die Bundesliga aufzusteigen (und freundlicherweise auch nicht am Cup teilnimmt um sich nicht der Wiederholung dieser Blamage schuldig zu machen), bedeutet das nicht, dass die Lage besser ist. Die deutsche 50 + 1-Regel etwa, die in Hannover, wo Präsident Kind zu viel Macht gebündelt hat, für Brandherde sorgte (/und auch anderswo nicht wirklich eingehalten wird - was für Dauer-Debatten sorgt), gibt es in Österreich nicht - weshalb Red Bull und andere selbsternannte Mäzene in der Vergangenheit auch derart wüten konnten.

Der große Unterschied besteht aber im Bewusstsein einer moralischen Verantwortung. Während in Deutschland die Machtstrukturen hinter Vereinsführungen ausgeleuchtet werden, war dies in Österreich nie Thema. Da zählt die "Wer das Gold hat macht die Regeln"-Regel, und allerspätestens mit dem Verweis auf viele Arbeitsplätze hat man Mainstream-Medien und eilfertige Politiker auf seiner Seite.

Am Allerübelsten muss einem da die österreichische Verzahnung von Vereinen und Wettanbietern aufstoßen. Denn eigentlich ist es unvereinbar wenn Clubs und Sportwetten-Veranstalter, die selbstverständlich auch Wetten zu den von ihnen gesponserten Vereinen oder Bewerben anbieten, in einem Boot sitzen.

Das ist in Österreich seit geraumer Zeit der Fall.
So lange (und so unhinterfragt, schließlich schalten die Wettanbieter auch brav Anzeigen in allen Medien), dass man es schon für normal hält. Da gibt es Klein- und Trikot-Sponsoring, namensgebende Exklusivverträge, ganze Arenen heißen so und vor allem einen Haupt-Sponsor-Vertrag mit der obersten Spielklasse, der Bundesliga.

In Deutschland wird schon das Kleinsponsorentum hinterfragt - wie hier in dieser kritischen Sport-Inside-Reportage nachzusehen. Und zwar nicht von bösen Journalisten, sondern von Liga-Vertretern und Gesetzeshütern.

Wesentlichstes Argument: Verbände, die sich im Bereich Fairplay oder Rassismus als moralische Instanz deklarieren und ihre Mitglieder per Aufruf in die Pflicht nehmen, können die Moral nicht einfach wegschieben, wenn es um ureigene Geschäftsinteressen geht. Und in Deutschland geht es wohlgemerkt um vergleichsweise kleine Beteiligungen.

In Österreich, wo die Wettanbieter (und nicht die Autokonzerne) Bewerbssponsoren sind und Vereinen ihre Namen aufdrücken, existiert das in dem Beitrag spürbare Bewusstsein der Beteiligten nicht einmal in Spurenelementen. Auch weil man weiß, dass man ohne die Sponsorgelder der Wettindustrie zusperren kann.

Dabei ist die zu enge Verbindung von Fußball und Wett-Industrie rein philosophisch existenzbedrohend. Wenn ehemalige Spieler (in Deutschland etwa Herr Kahn, hierzulande der Society-Tänzer Konsel) dem jugendlichen Publikum einreden, dass nur der Wetter Experte sein kann und damit moralisch das Wettverbot für Jugendspieler sabotieren, dann zerstören sie den Fair-Play-Gedanken. Von der ethischen Co-Verantwortung noch mehr Wettsucht in eine Welt zu setzen, bei der das Verbot des kleinen Glückspiels direkt zu einem Anstieg der Sportwetten führt, gar nicht erst zu reden. Natürlich ist die Wettindustrie nicht mit der Wettmafia gleichzusetzen, aber ohne die eine würde die andere nicht existieren. Und sich von dieser Schild reinzuwaschen indem man dann mäzenatenhaft brav sponsert, kann's nicht sein.

Der (tatsächlich und nicht nur in Sonntagsreden) wichtigen Vorbildfunktion wird so Hohn gesprochen.

Würde der österreichische Fußball, würden die heimischen Sportmedien, die Debatte um die Verantwortung ihres Sports für die Gesellschaft seriös, also jenseits klischeehafter Turnstunden-Diskussionen, führen, müsste man sich selber abschaffen, so unhaltbar sind die Zustände einer von Wettanbietern dominierten und somit abhängigen Branche.