Erstellt am: 19. 5. 2015 - 11:17 Uhr
Der Frühling kniet in der Hood
Ding ist so ein Wort. Eines, das Lehrer gar nicht gerne im Vokabular ihrer Schüler hören. Nur können die Dinge selbst gar nichts dafür. Denn wie der große Gegenwartstheoretiker Aubrey Graham weiß, sind Dinge das überhaupt Schönste. Und laut Orhan Pamuk auch unschuldig. Martin Brokko berichtet über all diese Dinge aus dem New Yorker Alltag.
Auf den Straßen ist erstmal: nicht viel. Die BBQs auf der Street sind noch nicht aufgebaut; die Freiluftmusikanlagen noch nicht auf die Veranda gezerrt und auf den Stoops sitzen die geläuterten Original Gangsters noch nicht den lieben langen Tag.
Der erste wärmere Tag geht dem Ende zu. Noch einmal über die volle Betonwüste von vielleicht 100x100 Metern. So sehen Parks aus in dieser Stadt, in der nie jemand hilft, den Kinderwagen die U-Bahntreppe raufzutragen und in der sowieso noch nie eine Rolltreppe wirklich funktioniert hat.
Aber: Ganze vier Körbe.
Alle hängen.
Die gesamte Hoodjugend, jeder Boi von fünf bis fünfunddreißig cornert und macht das, was man im Sommer so tut – es sind bestimmt 100 Mann. So wie Menschen gerne als allererstes Mitgebrachtes essen, wenn sie einen Bus/Zug/Flugzeug betreten, so wollen hier alle am ersten möglichen Tag im Jahr ballen gehen.
Drüben – am Korb ganz rechts – spielen die Sportler. Es zeigt sich: die goldene Biggie-Smalls-Prämisse, es aus der Hood zu schaffen, ist immer noch maximal aktuell. "Either you're slingin crack rock or you got a wicked jumpshot." Mit den Schienbeinschonern am Bein und dem Elan in den Fingerspitzen. Der Jumpshot geht noch etwas ungelenk aus der Hüfte – das wird noch im Mai.
Am nächsten Korb: der Gangsternachwuchs, der sich irgendwann vom Sport verabschiedet, zugunsten von Colt 45, Blunts, Hustlen und Fashion. Sie sind die Swagger am Platz, sporten die durchkomponierten Outfits und puffen am Blunt. Es sind auch die, die am schmalen Gehsteig eher nicht Platz machen. Und wenn die U-Bahn einfährt stehen sie ganz außen am Rand der Plattform. Hier geht es müßig zu und nur vereinzelt schlenzt jemand den Ball – meist neben den Korb.
Die Gs singsangen ganz im lokalen Patois von BK. Trashtawwkin'. Sie schürzen Lippen, tragen die Worte ganz weit vorne; werden lieber lauter, als die Tonhöhe der Sprachmelodie zu variieren. Zwei Frauen mit Kinderwägen und Frauen hinterm Feld – es sind die einzigen hier.
Auf den im Frühling noch kälteren Plätzen (Schatten) toben die Youngsters. Die verwegenen Volksschulkinder. Sie können den Basketball noch nicht in einer Hand halten.
Ich bin der einzige Weiße am Platz: aus meiner Dirk-Nowitzki-Physiognomie und meinen langen blonden Haaren schließen die Kids, dass die englische Sprache nicht die meinige ist. Also versuchen sie Pantomime.
Ich spiele mit.