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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

18. 5. 2015 - 17:48

The daily Blumenau. Monday Edition, 18-05-15.

Des is die nächste deppate Frog! Wieso Mitterlehner einen Philosophiewechsel einleiten könnte.

#medienkompetenz #machtpolitik

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Heute darf ich den am Freitag hier angeteasten Philosophiewechsel ausbreiten.

Zum ersten Mal ist es mir vor zehn, zwölf Tagen in einem ZiB2-Interview aufgefallen: auf eine Live-Interview-Frage, die Politikern das abverlangte, was nur Populisten einlösen können (das Runterbrechen einer vielschichtigen Themenstellung auf eine einfache Headline) reagierte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner leicht säuerlich und gab eine Antwort auf die Meta-Ebene, indem er genau diese Unmöglichkeit besprach.

Es entspricht des von der VP-Propaganda geschickt ins Rennen geführten Django-Figur, dass sie sowohl maulfaul als auch widerspenstig sein kann - nur schien es in dieser Sache um mehr zu gehen, rein gefühlsmäßig.

Ich hätte diese kleine Beobachtung schon wieder vergessen, wenn ich nicht letztens über einen Link auf einen Mitterlehner O-Ton zum Thema "Ende des Bankgeheimnisses" gestoßen wäre.

Mitterlehner antwortet da auf eine nicht zu hörende Journalisten-Frage nach einer genaueren Interpretation, wahrscheinlich im Wortlaut "Ist das Bankgeheimnis jetzt abgeschafft, ja oder nein?", wörtlich so: "Interpretieren sie das wie sie wollen, ich seh' den Sachverhalt als wesentlich komplexer und ich bin nicht bereit über Hölzchen mit Ja oder Nein zu springen"

Man kann diese Ansage als "ungehalten" bezeichnen.
Man kann in den Politiker-Bashing-Autopiloten-Modus verfallen und "typisch; die wollen sich nie festlegen, die Kerle" raunzen.
Man kann mit leisem Spott reagieren und die der Antwort innewohnende Kritik überhören.

Man kann diese Aussage aber auch ernst nehmen.

Und weil diese Art der Beschäftigung des Vize-Kanzlers mit zu simplifizierenden Fragen und sein Unbehagen über die daraus folgenden kurzgreifenden und zunehmend nur auf populistische Lacher abzielenden simplifizierenden Antworten kein Einzelfall ist, sondern (wie sich nach einem kurzen Check herausstellt) Teil der aktuellen Mitterlehner-Linie, kann (und soll) man sich dann auch damit beschäftigen.

Mit diesem bewussten Strategie-Wechsel. Mit dem einseitig ausgerufenen Ende der Hölzchen-Spring-Spirale.

Es gibt nämlich auch für mich nichts Ärgerlicheres als den zunehmenden Krampf an einander übertreffenden supercleveren Zuspitzungen, die die Rettung der partizipativen Demokratie auf der Zunge (und womöglich das Gutgemeinte im Herzen) tragen, aber der endgültigen populistischen Verblödung Vorschub leisten.

Wenn nämlich nur noch der öffentlich hervorsticht, der schnellstmöglich und mit dem wirksamsten und plakativsten Gag auf immer basischere Fluch-oder-Segen-Fragen antworten kann, dann kriegt die politisch interessierte Öffentlichkeit sicher den besten Speed-Dater - aber mit hoher Wahrscheinlichkeit damit auch den geschicktesten Heiratsschwindler.

Die wahrheitsgemäße Beantwortung der allermeisten drängenden Fragen unserer Zeit lässt sich eben nicht übers Knie brechen, sondern erfordert erst einmal den Hinweis auf das zu berücksichtigende Umfeld; zunehmend (und das unterscheidet "die Politik" von dem Schein-Ideal ihrer Hochblüte zu Kreiskys Zeiten, das der heimische Journalismus immer noch als best practice-Nostalgie-Beispiel mit sich herumträgt) auch dem global-vernetzten, den Hinweis auf eine vielschichtige und nicht klar in Schwarz oder Weiß einzuordnende Analyse und vor allem den automatisierten Hinweis auf die (fast automatische) Falschheit der einfachen Hausverstands-Antwort.

Darauf hat sich mittlerweile eine ganze Generation an Machtträgern und Definierern auf beiden Seiten geeinigt. Das Motiv auf journalistischer Seite: zuspitzend fragen ist einfach, erfordert keine große Vorbereitung und lässt sich schnell (schlagzeilenträchtig) umsetzen. Das Motiv auf Politiker-Seite: die populistischen Sager sind zwar schwer zu erarbeiten, bedürfen aber keiner dahinterstehenden politischen Substanz, können also von einem Spin-Doktoren-Team erarbeitet werden und müssen nicht von ministeriellen Experten erarbeitet werden. Diese - ein bissl widerliche - Koalition hat einen gesamtgesellschaftlichen Zustand erarbeitet, der ohne seriöse Debatte auskommen will.

Und nun steuert der neue VP-Leader dagegen. Ich würde annehmen, dass er das bewusst macht. Vielleicht um sich trademark-technisch von den Mitbewerbern, die entweder im Priester- oder im Tribunen-Modus deutlich versuchen sich an Medien und öffentliche Meinung anzubiedern (siehe auch: Heiratsschwindler) und so - jeder auf seine Art - die Heinz Conrads-Schwelle unterschreiten.

Dann kommt Django und meint in alter Günther Neukirchner-Manier, dass er ganz prinzipiell keine Lust habe über die Ja-Nein-Hölzerl der Vereinfacher zu hüpfen und sich auch mit dernächsten depperten Frage nicht einfach so abfinden, sondern sie thematisieren wird.

Noch steigt niemand drauf ein: auf Politikerseite finden sich keine Nachahmer - schließlich hat man ihnen jahrzehntelang eingebläut, dass offensive Grummeligkeit Wählerstimmen kostet (weil es aber seit Kreisky niemand mehr probiert hat, existiert kein Beleg mehr für diese alte These); und auf Journalistenseite herrscht ein ganz erstaunlich schwach entwickeltes reflektives Bewusstsein.

Wenn, dann wird der nächste Schritt eine Eskalation sportlicher Natur sein, mit einer Art verbalem Hochrüsten um auch den Django wieder kleinzukriegen, ins dominante Format zu pressen. Ein Innehalten, ein inneres Moratorium der Tool-Überprüfung wird tendenziell nicht stattfinden. Zu viel Angst vor dem Boulevard, der sowieso nie mehr aus dem Populismus rausfinden will; zu wenig Ressourcen um sich Notwendigkeiten die eine tatsächlich an der Wahrheitsfindung interessierte Fragestellung jenseits der Plattheiten ermöglichen, auch leisten zu können.

Die Implementierung eines neuen Zugangs, einer neuen Philosophie wird also wohl oder übel von Politikerseite angestoßen werden müssen (und nach dem Pionier Mitterlehner wären etwa Leute wie Kurz oder Hundstorfer oder Voves, und die üblich-verdächtigen Grünen sowieso, gute Kandidaten); mit einer platte Fragen hinterfragenden Antwortkultur.

Der Treppenwitz dabei: dieser Paradigmenwechsel wird fürs Überleben des Qualitäts-Journalismus in Österreich entscheidend sein. Und die Widerständigkeit derer, die sonst alles daran setzen den hinterfragenden Journalismus klein zu halten, kann das bewirken.