Erstellt am: 14. 5. 2015 - 12:20 Uhr
"Wir tanzen anders"
Die Niese – der Club Niesenberger – in Graz hat seit Längerem geschlossen und die Kombüse, dieser lustige Holzpavillon am Rande des Grazer Stadtparks, muss seit Kurzem die Musik auf Zimmerlautstärke drehen. DJs können in der Kombüse somit nicht mehr auflegen. Das stört nicht nur den Grazer Daniel Huber, dem nun Ausgeh-Alternativen in der Stadt fehlen.
Darum initiierte Huber mit Freunden eine fröhliche Form des Protests: Die „Parade für ein Recht auf Klubkultur“ zog gestern Nachmittag von der Uni Graz über die Kombüse zum Karmeliterplatz, drei Kleinlastern mit Soundsystemen folgend.
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"Ich hatte in der Früh einen Anruf vom Magistratsdirektor, der gemeint hat, wir InitiatorInnen sollen uns doch mal mit ihm, der Bau- und Anlagenbehörde und dem Kulturamt zusammensetzen", sagt Daniel Huber und zählt das Telefonat als erstes Erfolgserlebnis, seitens der Stadt Graz wahrgenommen zu werden. Gewollt ist eine kooperative Grundhaltung seitens der Behörden, wenn es um kleinere, alternative und nicht-kommerzielle Projekte geht, und eine gemeinsame Suche nach Lösungen für existierende Probleme.
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Dass durch die Parade mehr Menschen aufmerksam wurden, die zuvor nichts davon mitbekamen, hofft eine der wenigen Frauen unter den Grazer DJs, Adriana Celentana: "Zum Beispiel meine Oma oder Leute, die nicht mehr so im Nachtleben involviert sind und sich denken, Graz ist eh eine StudentInnenstadt. Es geht darum, aufmerksam zu machen, dass leider auch die Politik ein bisschen mit schuld ist, dass tolle Dinge einfach sterben. Und das sollte nicht so sein."
Für Nicht-GrazerInnen mag es eigenartig wirken, dass ausgerechnet die Behördenauflagen für einen Imbissstand Menschen motivieren, in den Straßen zu tanzen und ihren Protest auszudrücken. Zumal sich laut Vorschriften gerade einmal vierzig Personen in der Kombüse aufhalten dürfen. Katharina Wiesler aka Adriana Celentana unterstützte bereits die Soli-Party für die Kostendeckung der Parade. Sie erklärt die Situation aus Sicht der DJs. Die Kombüse beschreibt Adriana Celentana als Tollhaus, in dem Dinge möglich waren, die außerhalb nicht so leicht möglich gewesen wären: Es war die Bühne da für jede Person, bloß trauen musste man sich.
Clara Wildberger
Nur noch Zimmerlautstärke
„Es war eine Mini-mini-mini-Clubsituation, vielleicht ein kleines Mysterium, das einen Zauber hatte. Es ist echt traurig, dass es das nicht mehr gibt“, so Adriana Celentana. Seit zehn Jahren legt sie auf, "tanzbar" ist dabei das wichtigste Kriterium und 70er, 80er und 90er die Produktionsjahrzehnte der gespielten Songs und Tracks. Worin liegt der Unterschied zu diversen Jahrzehnte-Partys? „Ich spiele natürlich auch Lieder, die jeder kennt. Aber auch Unbekanntes oder Sachen, an die man lange nicht gedacht hat.“ Der DJ-Name Adriana Celentana kam aus dem Wunsch, etwas Bestehendes zu feminisieren, um mit Wahrnehmung zu spielen. Italo-Schlager sei okay, sagt sie und bedauert, dass nur wenige Frauen auflegen. Generell seien zu wenige Frauen in der Musikszene.
Wiesler macht mit bei Grrrls Night Out, das die MusikerInnen von Just Friends And Lovers regelmäßig mit Jams forcieren. „Man muss diese Rahmenbedingungen für Mädels schaffen, damit sie sehen: Das kann ich mich auch trauen!“, fordert Wiesler. Dabei könnte es ihr eigentlich egal sein, oder? „Ja, mir ist es aber nicht egal, weil ich sehe, dass gewisse Mädels dazu beitragen, dass die gesamte Szenerie interessanter wird. Es sollte mehr Vielfalt geben: Mann, Frau, Transgender. Die Musikszene sollte mehr belebt werden. Deswegen gab es die Parade – unter anderem.“
Die Beschränkung der Kombüse, das Aus der Niese und auch die Situation im Parkhouse, wo Konzerte nur noch mit Ausnahmegenehmigung stattfinden können, sind für Adriana Celentana die Anlässe für die Parade. Wird das Parkhouse überhaupt keine Musik mehr spielen dürfen, wenn die Wohnungen im Pfauengarten am Stadtpark - auf "einem der letzten bebaubaren Areale in der Grazer Altstadt", so die Bewerbung des Bauunternehmens - bezogen sein werden? Das Parkhouse ist ein wichtiger Ort für Grazer DJs, so Adriana Celentana. Graz solle eine Stadt sein für Menschen ihren Alters genauso wie für Menschen mit sechzig. Alle sollten machen dürfen, was ihnen als StadtbewohnerInnen zustünde. Locations außerhalb in Industrievierteln seien keine Alternative. Das sei zwar sicherlich cool, aber es müsse auch in der Stadt Tanzorte geben.
Das Erfreuliche an Graz sei, dass die Menschen nun endlich kapiert hätten, dass sie selber etwas auf die Beine stellen können, wenn sie wollen. Aber wenn man sich selbst nicht einbringe, werde es trist.