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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

13. 5. 2015 - 16:10

Scheinbar

Ein Rauschen im Walde: Die neue Mystery-Show "Wayward Pines". Matt Dillon steigt den Stereotypen nach.

"Wayward Pines" kommt vom ersten Moment an mit Meta-Spielereien durch die ganz große Vordertür: Die erste Einstellung der Show zeigt in Nahaufnahme ein sich öffnendes Auge, eine Pupille. Ein zerzauster, verwundeter Mann liegt auf dem Rücken, im Anzug, im Wald. Wie ist er hier hergekommen? Wo sind die Zuseher hineingeworfen? "Wayward Pines" stellt die ikonisch - auch im Sinne einer möglichen Projektion von Erlöserfantasien - gewordene Eröffnungsszene des modernen Mystery-Klassikers "Lost" in neuem Setting nach.

Der am 14. Mai anlaufenden Fox-Show eilt gehöriges Getöse voraus, Erwartungshaltungen brodeln, allzu sehr scheint "Wayward Pines" mit einem hochkarätigen Cast beliebte Erzählmuster und Spannungsszenarien bedienen zu wollen. Einen adretten Agenten verschlägt es in ein nur auf den ersten Blick pittoresk und verschlafen daliegendes Kleinstädtchen, eingesäumt von prächtigen Wäldern.

Wie dereinst in "Twin Peaks" grüßt auch hier ein Schild ankommende Besucher. Im Falle von "Wayward Pines" heißt es hier jedoch gleich vollmundig: "Where Paradise Is Home". Hinter der Fassade des Paradieses wird es wohl faulig aussehen, das kann doch alles nicht mit rechten Dingen zugehen – auch der Umstand, dass wir wissen, dass das alles hier nicht mit rechten Dingen zugehen kann, scheint zwiespältig.

Wayward Pines

2014 Fox Broadcasting

Co-produziert und mitentwickelt hat "Wayward Pines" M. Night Shyamalan – wechselhafter Spezialist nicht bloß für haarsträubende und mitunter im höchsten Schweiße herbeigeschriebene Plottwists, sondern auch für betont augenzwinkernde Referenzhuberei und Resteverwertung der Popkultur: Immer wieder findet bei Shyamalan eine Überlagerung von bekannten Motiven aus Sci-Fi, Thriller, Comickultur, Phantasy und vor allem auch Märchen und Märchenhaftem statt.

Aus dem tolldreisten und ostentativen Hantieren mit Verweisen und Versatzstücken aus anderen Mystery-, Krimi- und Sci-Fi-Shows, das alleine schon in der ersten Episode von "Wayward Pines" betrieben wird, werden sich in Folge neue Dimensionen ergeben müssen, wenn die Show nicht bloß ein gewitztes Kulissenschieben bleiben will.

Das in Idaho gelegene Dörfchen "Wayward Pines" scheint so auch bloße Kulisse, ein potemkinsches Dorf, seine Einwohner nur Einwohner-Darsteller, eine seltsame Versuchsanordnung, eine Beobachtungsstation, einzig für den Neuankömmling eingerichtet: Hauptdarsteller Matt Dillon, Garant für die Verkörperung verbeulter Typen, kommt als Secret-Service-Agent Ethan Burke nach Wayward Pines, um das Verschwinden zweier Kollegen zu klären. Nach einem Unfall, an den er sich nicht so recht erinnern kann, findet sich Burke in einem Krankenhaus wieder, deren einziger Patient/Insasse er zu sein scheint. Eine furchteinflößende Krankenschwester (Melissa Leo) betreut den widerwilligen Patienten und legt ihm auch gleich mit Nachdruck Zwangsoperationen nahe.

"Wayward Pines" ist ab Donnerstag auf Fox im Angebot von Sky zu sehen.

Wayward Pines

2014 Fox Broadcasting

Ethan Burke taumelt durch Wayward Pines, sein Geld und sein Mobiltelefon sind nach dem Unfall unauffindbar. Niemand scheint ihm helfen zu wollen, auch der – ebenfalls betont uninteressierte Sheriff (Terrence Howard) nicht. Lieber knabbert er - wie er es in einem Film gesehen haben wird - abschätzig an seinem Eis und lässt den Besucher sofort durch seine Körperhaltung spüren, dass hier etwas nicht stimmen wird.

Langsam verschwimmen Agenten Burke derweil die Grenzen zwischen Realität und Wahn, immerhin wollen ihm das die Vorgänge in Wayward Pines und ein Psychiater, der nicht auf Burkes Heilung aus sein dürfte, suggerieren. Die Show will es dabei dem Zuseher suggerieren. Zudem scheinen geheime Mächte Wayward Pines zu überwachen und zu kontrollieren. Immer mehr wird unsere Hauptfigur vom Ermittler zum Gefangenen.

Auch der Kontakt zur Außenwelt gestaltet sich schwierig. Mit altmodischen Telefonen geführte Gespräche versanden irgendwo bei Vermittlungen oder enden bei unkommunikativen Sekretärinnen. "Wayward Pines" bietet so Deutungsmöglichkeiten an, die wir kennen: Hirngespinste im Kopf der Hauptfigur, eine für den Ermittler erdachte Laborsituation, dystopisches Überwachsungsszenario, Reality-TV, fegefeuerhaftes Reinigungsszenario.

Die Show spielt hier klar und ohne Scham auf Shyamalans eigene konstruierte Enklave "The Village" an, auf "The Truman Show", die klassische englische Serie "The Prisoner" und deren Epigonen, insbesondere die wenige bekannte B-Show "Persons Unknown". Wenn Ethan Burke ein Auto klaut und an einem Ende aus Wayward Pines davonbraust, kommt er wenige Momente später wieder an der anderen Einfahrt des Dörfchens an.

Bemerkenswert ist, dass die Show gleichzeitig auch die Außenwelt von Wayward Pines zeigt, die als die "normale" Realität der Serie gelten muss: Ein Seattle, in dem Frau (Shanny Sossamon) und Kind Ethan Burke vermissen. All das – und mehr - geschieht in einer Episode. Ein Blenden mit Spiegeln und Zitaten oder eine Serie über das Machen von Serien. Eine auf sich selbst zurückblickende Verweishölle, an deren Boden hoffentlich noch mehr zu finden sein wird. Ein ständiges Sich-im Kreis-Drehen, you can never leave.