Erstellt am: 13. 5. 2015 - 11:36 Uhr
A Place Where Secret Things Are Sold
Es war nicht das erste Mal, dass Ezra Furman in Österreich gespielt hat. Ich hab' ihn irgendwann zu Zeiten von Ezra Furman & The Harpoons gesehen. Die Harpoons, seine erste Begleitband, sind mehr oder weniger Geschichte, jetzt sind die Boyfriends am Zug. They are my arsenal, sagt Furman über das Quartett, das er schließlich versammelte, als er vor ein paar Jahren sein erstes Soloalbum gemacht hatte: Sam Durkes am Schlagzeug, Keyboarder Ben Joseph am Konzertflügel, Jorgen Jorgensen am Bass, und dazu Saxofonist Tim Sandusky, der später an diesem Abend auch kurz in die Rolle eines Psychiaters schlüpft.
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Aber fangen wir einfach von vorne an: Poppige Sonnenbrille, Lippenstift und schwarze Satinshorts an den nackten Beinchen, das ist der Meister himself, Ezra Furman, den ich mit den Boyfriends nicht gesehen hab', als die Band einmal, oder gar zwei Mal in Wien war. Aber das ist vielleicht auch besser so, denn so wie Ezra und Band da gestern wieder frisch in mein Leben geplatzt sind, das braucht gar keine Vergangenheit. Kein Wunder, dass Großbritannien gerade einen Narren frisst an diesem charmant-manischen Performer und famosen Songschreiber aus Chicago namens Ezra Furman. Niemand ist wie Ezra. Punkt. Die weiße Gitarre, die er umgeschnallt hat, kommt von der Firma Hanson in Chicago - ein herrliches Ding. Mit "Day Of The Dog", dem Titelsong vom aktuellen Album, legen Ezra Furman und seine Boyfriends los, gefolgt von einem weiteren Stück von diesem Album: "Anything Can Happen".
Christian Stipkovits
Alright, sagt er, und druckvoll geht es weiter. Vielleicht ist Gott ja eine Eisenbahn: "And Maybe God Is A Train", ebenfalls vom aktuellen Album. Piano-Man Ben schüttelt das Tambourine. Im Juli kommt das nächste Ezra-Album. Furman hat einmal in einem FM4-Interview gesagt, er schreibe ständig Songs, ununterbrochen, weil er Angst hat, dass die Quelle sonst austrocknen könnte. Heute geht er damit entspannter um: Die Songideen mögen versiegen, aber sie kommen auch wieder zurück, meinte er diesmal im FM4-Interview. Shoobee-shoobee-shoobee-do.
"Lousy Connection" heißt der neue Song, samt Textzeile "I wrote a letter to Congress" und einem furiosen Saxofon-Ende. Ezra Furman ist fast schon manischer Fan des verstorbenen Saxofonisten Clarence Clemens aus Bruce Springsteens E-Street Band. Das Saxofon ist außerdem ein Chicago-Instrument, wenn man so will, mit Jazz und verqueren Math-Rock-Musiken als fixe Bestandteile des Sounds der Stadt, auch wenn Ezra Furman inzwischen Einiges von der Welt gesehen hat und heute nahe San Francisco lebt.
Es rock'n'rollt weiter, mit "Walk On In Darkness", einem Song ebenfalls vom aktuellen Album. Jahrelang hat Ezra Furman Handwerk und Kunst perfektioniert, jetzt geht das Ding voll auf. "There's something in the water" heißt es in "American Soil" von Ezra Furmans erstem Soloalbum "The Year Of No Return", 2012 erschienen. Das Saxofon gibt Ruhe, kurz, dann ist es wieder da, und der Song hat ein schönes Piano-Ende.
Christian Stipkovits
Stand up, empfiehlt uns Ezra Furman, oder noch mehr: Im Saal herumgehen, wenn wir wollen. Tun wir natürlich nicht, schließlich sind wir in Österreich. You can't stay in a place too long, that's the message, sagt Ezra Furman über den nächsten Song, "Restless Year", vom neuen Album, das im Sommer kommt. Ein Song, der wie eine Art Feel-Good-Hit beginnt, dem Ezra Furmans angespannte Vocals - manchmal klingt er fast wie ein wütender Daniel Johnston - aber etwas entgegensetzt. Dann legt der Song richtig los, inklusive Dostojewski und Tom Sawyer im Text. Pianist Ben Joseph spielt nun Gitarre, "I Killed Myself But I Didn't Die" steht an, ein Stück aus Ezra Furmans Zeit mit den Harpoons, seiner ersten Band, die er beim Studium an einer Uni nahe Boston getroffen hatte. Danke schön, sagt er und spielt einen weiteren "Oldie", wie er seine älteren Songs gerne nennt: "Mysterious Power": Das Saxofon erst allein, superschön. I look at the moon, singt Ezra. Die gut geölte Ezra Furman & The Boyfriends Maschine ist nun voll im Gang.
Die Sonnenbrille hat Ezra Furman abgelegt. Der Hit, der alte Hit, wann kommt er denn? Nein, nein, der zarte Ezra ist gerade am Wirken: "I walked to the mall with you, I walked to the shore with you". Super schön, wie ein klassischer alter Popsong. "Transcendence", das ist das, wonach er suche, so Hippie-Ezra den Song unterbrechend. Der Rhythmus, die Noten der Musik, es soll uns daran erinnern that we're alive, meint Ezra Furman. Aber immer kommt etwas dazwischen: "This love is a coward" heißt es in seinem nächsten Song, in "Bad Man". Ezra Furman, der theatralische Performer. Ganz wenig Drums - nur die zarten Beserl, und das Saxofon ebenso delikat. I go to a place where secret things are sold, singt er und haucht uns ein thank you ins Mikro.
Es folgt ein neuer Song, "Wobbly", der wie schon "Restless Year" ebenfalls die Rastlosigkeit zum Thema hat. Two, three, four - wobbly, wobbly! Ein überdrehter Ezra Furman, der seine Boyfriends ruft, sie jammen und er legt ein kurzes Tänzchen hin. Applaus für die Boyfriends, und Ezra wechselt zur akustischen Gitarre :"My Zero" vom aktuellen Album. Ein Hit. Wir stehen auf, und Ezra, ganz Amerikaner, vergisst auch nicht aufs Lächeln.
Toller Bogen, super Set, viel Applaus. Die elektrische nochmals umgeschnallt und auf geht's zum großen Finale: "Tip Of A Match". Nein, noch ist nicht Schluss: Ezra Furman erzählt von seiner Kindheit in Chicago. Der Sohn gutbürgerlicher Eltern fängt an, mit 15, 16 nachts durch die Straßen zu gehen. I was not part of teams or clubs that everybody else was on, sagt er. Nur Piano und etwas Drums kommen zum Einsatz während Ezra mit poetischem Ton erzählt, wie ihn der Rock'n'Roll gerettet hat. Die Geschichte vom Outsider, der nur in der Musik Erfüllung findet, sie ist so alt wie der Rock'n'Roll selbst. Die Eltern schickten ihn zum Psychiater, aber dieser schwieg erst nur. Doctor, are you gonna talk to me?, so soll Ezra die Stille damals unterbrochen haben. Die Nacht und der Mond sind meine besten Freunde, sagte er dem Doktor. Saxofonspieler Tim Sandusky übernimmt kurz den Psychiater-Part: Wie wäre deine perfekte Welt? Was könntest du machen? Ezra: I want to form a band! Da passt nur das drauf: "I Wanna Destroy Myself".
Zu den Zugaben sitzt die Sonnenbrille wieder ganz Stage-Prop-gerecht auf Ezra Furmans Nase. Alright, I feel crazy still, sagt er. Also, noch einmal, let's rock'n'roll: "Tell 'Em All To Go To Hell", vom aktuellen Album. Gefolgt von, jaaaa, "Take Off Your Sunglasses". You've lifted me up, meint er noch und wirft die Groovemaschine noch einmal an: "Higher And Higher", die Ezra Furman & The Boyfriends Coverversion von einem alten Soul-Stück von Jackie Wilson. Das sitzt. Bye, Ezra und Boyfriends, kommt bald wieder!
Christian Stipkovits
Die Setlist
Day Of The Dog
Anything Can Happen
And Maybe God is A Train
Lousy Connection
Walk On In Darkness
American Soil
Caroline Jones
Restless Year
I Killed Myself But I Didn't Die
Mysterious Power
The Mall
Bad Man
Wobbly
My Zero
Tip Of A Match
I Wanna Destroy Myself
Tell 'Em All To Go To Hell
Take Off Your Sunglasses
Higher And Higher (Jackie Wilson Cover)