Erstellt am: 12. 5. 2015 - 13:39 Uhr
Keine Witze über Putin!
Eigentlich hat er es ganz und gar nicht böse gemeint. Nicht einmal politisch. Nach dem Hinweis einer Freundin hat Mario Wienerroither sogar einen Disclaimer an den Anfang seines Videos gesetzt. Genutzt hat es wenig: binnen weniger Tage ist er ins Kreuzfeuer von Hasspostern geraten.
Mario Wienerroither ist Musikproduzent und Sounddesigner. Bekannt geworden ist er mit seinen "Musicless Musicvideos" (FM4 hat berichtet): Er entfernt die Musik aus Musikvideoclips und ersetzt sie durch die Geräusche, die da eigentlich sein müssten. Da quietscht dann Britney Spears' Latex-Oberteil, Freddie Mercury singt zum Staubsaugerlärm und Keith Flint von The Prodigy niest und hustet.
Inzwischen haben die Musicless Musicvideos einen Hype losgetreten und sind zu einem eigenen Format im Netz geworden. Mario Wienerroither hat sich auf die Suche nach etwas Neuem gemacht und neben dem weiteren Format "Musicless Serien-Intros" vor kurzem auch Politikerreden enttont.
Bei Barack Obama, so erzählt Mario, hat das noch problemlos funktioniert. "Mit dem habe ich angefangen, weil ich weiß, dass der Spaß versteht und selber auch ab und zu einen Scherz in der Öffentlichkeit macht." Bei Wladimir Putin sei am Anfang auch noch alles ganz normal gewesen. Doch schon drei Tage nach dem Upload auf seinen Youtube Kanal hat er das Video wieder "privat" gestellt. Zu diesem Zeitpunkt ist es allerdings schon mehrfach kopiert und neu hochgeladen worden.
Schon nach kurzer Zeit war Mario ins Kreuzfeuer zwischen Putin-Gegnern und Putin-Fans geraten - und in Verdacht, er wolle mit seinem Video Putin ans Bein pinkeln. "Amerikanische und russische Putin-Gegner haben mein Video dazu benutzt, Putin anzuschießen, und seine Fans haben zurück geschossen", erzählt Mario. Die Empörung war groß. "Mir hat jemand erzählt, dass es in Russland ein Gesetz gibt, das es verbietet, Politiker falsch darzustellen. Mein Video würde da wohl drunter fallen." Allerdings habe das den Kreml, der die Rechte an dem Material hält, nicht davon abgehalten, das Video auf Youtube zu monetarisieren, also Geld damit zu verdienen.
"Ab und zu hab ich schon ein bissl Angst gehabt." Als die ersten "R.I.P. Mario Wienerroither" Posts aufgetaucht sind, oder jemand auf russisch gepostet hat "Wer fährt mit nach Wien, Mario Wienerroither umpusten?". Aber vor allem hat Mario das Video wieder vom Netz genommen, weil er mit seiner Seite nicht Plattform für Hass und Aggression sein will. "Das [Runternehmen] ist natürlich auch wieder nicht so gut angekommen. Da habe ich dann Posts bekommen, wieviel mir bezahlt worden wäre, dass ich das Video vom Netz nehme."
Rammelhof und Maschek, Putin und Orban
Ähnliche Erfahrungen haben auch unsere heurigen Protestsong-Contest-Sieger Rammelhof mit ihrem Song "Wladimir Put-Put-Putin" – auch die haben sich gewundert, wie ihr an sich harmloses Video in der West-Ukraine zum Hit und in Russland zum Hassobjekt werden konnte. „Jeder, der sich den Song genau anhört und die Mundart versteht, der sieht, dass es eigentlich um ein ganz anderes Thema geht. Es geht um dieses Verlangen von breiten Teilen der Bevölkerung, auch in Österreich, nach einer starken Führung“, meint General Geri von Rammelhof, der seinen echten Namen sicherheitshalber nicht öffentlich bekannt geben möchte.
Das Rammelhof-Video wurde zwei Mal, nach massenhaften Interventionen bei Youtube, kurzzeitig vom Netz genommen. General Geri führt das auf die bekannte russische Cyber-Army – auch Putins Troll-Factory genannt, zurück, eine russische Organisation für Netz-Propaganda.
Erfahrungen mit Fans autoritärer Politiker haben auch die Video-Neuvertoner von Maschek. Probleme mit Hass-Posts, so erzählt Robert Stachel, bekommen sie eigentlich nur bei Videos über Putin oder Orban. Robert Stachel liest sich Youtube-Kommentare gar nicht mehr durch. Auf Youtube, meint er, schaukelt sich der Hass ganz besonders schnell auf, und das Niveau dort sei ja unter aller Sau. „Ich finde es besonders erschreckend, dass ein extrem harmloses Video wie das von Mario schon genügt, um Morddrohungen zu erhalten. Da scheint ein Respektbegriff vorzuherrschen, der dazu führt, dass schon beim allergeringsten Anlass das Taschenmesser gezückt wird.“ Dafür, dass Mario sein Video enfernt hat, hat Robert Stachel jedenfalls vollstes Verständnis.
Speechless Speech als leeres Versprechen
Doch komplett weg ist der sprachlose Putin sowieso nicht, denn längst haben andere Accounts Marios Arbeit gespiegelt. Und inzwischen scheint "Speechless Putin" in Russland ein Trend zu sein: "Es gibt einige Videos, in denen Putin leere Wahlversprechen macht oder mit Staatschefs von Nachbarländern friedlich Hände schüttelt, die auch unter dem Titel 'Speechless Putin' laufen. Offensichtlich ist mein Video auch so verstanden worden, dass ich ihm unterstelle zu lügen."
Wenn die Aufregung abgeklungen ist, will Mario sein Video wieder öffentlich stellen. Politiker enttonen will er weiterhin.