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Zita Bereuter

Gestalten und Gestaltung. Büchereien und andere Sammelsurien.

11. 5. 2015 - 17:01

Heldengesänge und Deutsche Schlager

Einmal den großen griechischen Familienteller mit Allem. Vea Kaiser lässt in "Makarionissi oder Die Insel der Seligen" Heldinnen und Helden im großen Stil an der Liebe scheitern.

buchcover sprechende blumen

Matthes & Seitz

Äußerst empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang das prächtige Werk von Isabel Kranz und Judith Schalansky: Sprechende Blumen. Ein ABC der Pflanzensprache. Matthes & Seitz, Berlin 2014

Vor kurzem besorgte ich mir nach der Arbeit in einem kleinen Laden ein paar Blumen. Ein FM4-Kollege begleitete mich. Er hatte einen wichtigen "Beziehungstermin" vergessen und wollte das mit Blumen wettmachen. Während mein Strauß ebenso schnell gebunden wie gekauft war, haderte der verzweifelte Kollege.

Er sei der universellen Sprache der Blumen nicht mächtig und wisse daher nicht um die Bedeutung der von ihm gewählten Blumen, eröffnete er der Floristin. Ob seine Wahl in der Sprache der Blumen nicht missverständlich zu interpretieren sei? Und ob die gewählte Anzahl in der Sprache der Blumen auch sicher unverfänglich sei? Die nette Floristin lächelte nur geduldig. Selbst noch, als der Kollege an der Kassa schließlich beim genannten Preis zusammenzuckte. Ob 13 Euro in der Sprache der Blumen nicht Unglück brächten? Ich bat ihn, der guten Frau 14 Euro zu geben und sie - und mich - mit seiner universellen Sprachschwierigkeiten nicht länger zu nerven.

Noch auf dem Weg zur U-Bahn jammerte der Kollege über das allmähliche Aussterben der universellen Sprache der Blumen und das Unglück, das man mit dem fehlenden Wissen anrichten könne.

Nicht anders ergeht es Yiayia Maria Kouzis, der dominanten Großmutter in Vea Kaisers neuem Roman. Auch wenn die Matriarchin im Kaffeesatzlesen ebenso sattelfest ist wie im Deuten von Naturereignissen und erst recht in dem von Träumen, so hat sie ihre Übersetzungsprobleme mit der Sprache der Blumen. Gewaltig verschätzt sie sich, als sie 1956 im Traum zwar endlich die Hochzeit ihrer Enkelin Eleni und ihres Enkels Lefti vorsieht - umgeben von Sonnenblumen. "Nur an eine Sache dachte sie in ihrer Erleichterung nicht: dass Sonnenblumen die Blumen der unglücklichen, hoffnungslosen Liebe waren. Das würde ihr erst ein Jahrzehnt später einfallen, als bereits alles zu spät war."

buchcover vea kaiser makarionissi

KiWi

Vea Kaiser: Makarionissi oder Die Insel der Seligen. KiWi 2015

Damit lassen sich schon mal einige Eckpunkte bestimmen: Vea Kaiser erzählt von unerfüllten, unglücklichen Lieben, von Tragödien, Sehnsüchten und Träumen, die sich über mehrere Generationen ziehen. Eine Familiengeschichte, die in einem kleinen Bergdorf an der griechisch-albanischen Grenze ihren Ursprung nimmt und über Hildesheim, Chicago, St. Pölten und Zürich schließlich ihr Finale auf der fiktiven griechischen Insel Makarionissi findet.

Griechenland ist kein Zufall – studiert Vea Kaiser doch immer noch begeistert Altphilologie und teilt deswegen den Roman nicht nur in Anlehnung an die neun Musen in neun Gesänge, sondern lässt dementsprechend die griechische Mythologie immer wieder einfließen und stellt die Protagonisten bzw. Helden vor schwierige Prüfungen.

"Der Geschichte Helden" werden denn auch in einem Stammbaum dem Roman vorangestellt. Am Ende des Buches wäre das besser aufgehoben gewesen, denn so weiß man schon vorab, dass Elenis Herz Otto gehört, obwohl Eleni mit Lefti und mit Milton verheiratet ist. Wenig später liest man hingegen, dass die schöne Eleni als junges Mädchen beschließt, niemals zu heiraten. Vielmehr will sie den Amazonen gleich eine Heldin sein. Aber Obacht: "Heldinnen weinen nicht."

Gleichsam trotzig und stur wie mutig und tapfer folgt sie ihren Überzeugungen statt dem Willen der Familie.
Schnell ist man drinnen, in diesem mitreißenden Erzähl- und Fabulierstrom, der sich über sechs Jahrzehnte erstreckt. Vom griechischen Bürgerkrieg über das Migrantenleben in Deutschland ("Das deutsche Nein war absolut. Man konnte nicht darüber diskutieren. Und es wurde nicht begründet. Selbst wenn das Nein keinen Sinn ergab und jeglicher Vernunft widersprach.") und St. Pölten ("Die St. Pöltnerinnen lagen ihm zu Füßen, sobald sie herausgefunden hatten, dass er kein Türke war.") spannt sie den Bogen in die Gegenwart.

Vea Kaiser

Ingo Pertramer

Vea Kaiser kann launig erzählen und macht das wohl auch sichtlich gerne. Als würde sie mit ihren unzähligen Figuren spielen - mal auf diesem, mal auf jenem Schauplatz. Hier noch ein Schwänkchen, da eine Anekdote und eine Heldenerwähnung ist immer noch gegangen. Mangelnde Ideen kann man ihr ebensowenig vorwerfen wie Langeweile.

Fast entschuldigend bittet sie "den geschätzten Leser" in einer Vorbemerkung dem "Fabulieren eine Chance" zu geben. "Oftmals erzählt ein G'schichterl die Geschichte besser, als es die Ereignisse in ihrem echten Ablauf je könnten." Diese G'schichterln sind intellektuell wenig fordernd, aber unterhaltend. Im besten Sinn unterhaltend. Wenngleich sie, gerade gegen Ende hin, ein bisschen zu häufig auf billige Lacher hingeschrieben sind und man hier und dort doch kürzen hätte können.

Sie habe im Vorfeld viele Heldengesänge gelesen und sich vorgestellt, dass nackte, verspielte Baumnymphen diese Geschichte erzählen. Das erklärt einiges.

Einmal den großen griechischen Familienteller mit Allem. Und darauf einen Schnaps - der wird im Roman nicht zu knapp getrunken. Wohl bekomm's!

Man darf Vea Kaiser für ihren zweiten Roman Blumen streuen. Wenn man denn der universellen Sprache der Blumen mächtig ist ...

Selbst lesen oder hören?

Wir verlosen ein Exemplar von "Makarionissi" und 2x2 Karten für die Buchpräsentation im Rabenhof am 14. Mai.

Allerdings muss folgende Frage richtig beantwortet werden:
Wie heißen die neun Musen?
Die richtige Antwort lautet:
Klio, Melpomene, Terpsichore, Thalia, Euterpe, Erato, Urania, Polyhymnia und Kalliope
und der sperrige Merkspruch dazu:
"Klio-Me-Ter-Thal Eu-Er Ur-Po-Kal"

Die GewinnerInnen wurden per mail verständigt.