Erstellt am: 12. 5. 2015 - 16:38 Uhr
Biennale in Venedig: Der "Pizza Pavilion"
Der Pizza Pavilion auf der
Biennale in Venedig
Pizzeria Al Volo, Campo Santa Margerita
Noch bis Ende November
Auch Martin Kippenberger hat mal Pizza gebacken.
Und bei Jonas Lund gibt es den „creative excess".
Info zur Biennale:
Die 56. Biennale findet seit 9. Mai in Venedig statt.
Eine Spezialstunde zur Biennale in Venedig gibt es am 14. Mai in der FM4 Homebase zu hören.
21 Uhr.
Ein Pavillon ist ein Pavillon ist ein Pizzaofen.
Die Biennale ist in vollem Gange. Alle zwei Jahre werden die wichtigsten internationalen KünstlerInnen eingeladen, die Pavillons in den Giardini und die Räumlichkeiten im Arsenale zu bespielen. Wer dort ausstellt, der oder die hat es geschafft und ist ein Kunstsuperstar.
Wer nicht zur wichtigsten Kunstausstellung der Welt eingeladen worden ist, der lässt sich halt etwas Kreatives einfallen, um auch mit dabei zu sein. Eine paar Künstlerinnen und Künstler haben einen eigenen "Pavillon" aufgebaut, besser gesagt: Sie haben sich in einem eingenistet und zwar am coolesten Platz der Stadt. Diese Pizzeria haben sie in den „ersten und internationalen Pizza Pavillon" umgewidmet, der sich Pizza als kultureller Leinwand widmet und ein Kulturphänomen innerhalb der Kunst positioniert. Hier gibt es Pizza für alle und sie ist wirklich essbar. Gute Pizza zu machen ist immerhin ja auch eine Kunst.
Künstler machen Kunst (in diesem Fall nach strengen Regeln und Zutatenlisten), Kuratoren kuratieren (sie suchen Künsterlnnen aus, die a) als „Sharer“ im Internet aktiv sind und b) noch nicht offiziell auf der Biennale in Venedig ausgestellt haben), die Pizzeria macht die Pizza.
Der Pizza ihre Kunst, der Kunst ihre Pizza!
Paul Barsch
Hungry Eyes
"Pizza, das ist kleinste gemeinsame Nenner! Niemand hat eine negative Beziehung zu Pizza und das Internet ist voll davon, genauso wie mit Katzen!", erzählt "Kuratorin" und Kunstwissenschaftlerin Konstanze Schütze.
Sie hat gemeinsam mit Paul Barsch, Simona Lamparelli und Matteo Ceretto Castiglioni die Idee vom "Pizza Pavilion" in Venedig umgesetzt. Sie haben internationale KünstlerInnen dazu eingeladen - zumeist aus der viel zitierten "Post Digital Generation" - jeweils eine Pizza zu designen. Diese Pizzen haben alle möglichen Formen, dürfen gekauft und verspeist werden. Die Pizzabäcker vor Ort backen diese Pizzen in der "Pizzeria Al Volo" nach den Design-Vorlagen der globalen KünstlerInnen nach Fernanweisung.
Alexandra Augustin/ FM4
Nichts da mit Quattro Formaggi, Pizza Provinciale oder Margarita: Es gibt hier Pizzen, die als "Topping" das bunte Google-Logo tragen, das mit Gemüse und diversen Würsten nachempfunden wird. Es gibt monochrome Pizza, die nur eine Farbe hat. Es gibt Pizza für Puristen, die mit nur einer Sorte Belag auskommt. Es gibt Pizzen, die verkohlt sind. Also alles mehr oder weniger genießbar aber weniger verrückt und auch fast nie „figurativ“. Lustvoll aber mit viel Konzept.
Alexandra Augustin/ FM4
Gimme Pizza
Im Interview erzählen Konstanze Schütze und Paul Barsch mehr über ihre Off-Space-Idee und ihren Pizza Pavilion:
Wie seid ihr denn auf die Idee für euren Pizza Pavilion gekommen?
Konstanze Schütze: In Venedig, zur Zeit der Biennale, ist es schwer zu unterscheiden, was einfach nur teures Essen ist, wo man gutes Essen bekommt und was gar eine Biennale-Falle ist. Es ist schade, dass sich alle immer auf die Gratisbuffets bei den Eröffnungen stürzen müssen. Zudem ist die junge Kunstgeneration - die zumeist aus einer post-digital-Logik parallel zum Kunstmarkt agiert - bisher in Venedig unterrepräsentiert. Das kann man zusammen bringen und da dachten wir uns: Wieso nicht Kunst und Essen miteinander verbinden? Was eignet sich dafür besser als das „Super-Meme“ PIZZA?
Und was für Pizza kann ich hier bekommen? Und diese Pizza ist ein Kunstwerk, oder wie?
Paul Barsch: Wir haben 19 internationale Künstlerinnen gebeten, jeweils eine Pizza nach ihren Vorstellungen zu designen. Dann haben wir in Venedig eine Pizzeria gesucht und die lokalen Bäcker backen diese dann mit ihren Zutaten nach den Ideen der KünstlerInnen nach.
Wir haben zum Beispiel die "Pizza Capital" von Yorgos Sapuntzis: Auf der ganzen Pizza sind nur fünf Kapern verteilt. Der Rest der Zutaten, der sonst eben auch noch auf die Pizza rauf muss – Käse, Oliven, Schinken, Tomaten –, ist auf einen einzigen Fleck, wie ein kleiner Berg, konzentriert. Dieser Fleck symbolisiert wohl eine Art "Hauptstadt" und die Kapern rundherum sind die Dörfer. Eine andere Interpretation ist, dass es hier um Geld geht und sich das Kapital auf einem Fleck akkumuliert. Auch sehr schön.
Dann gibt es beispielsweise noch die Pizza von Debora Delmar Corp, einer mexikanischen Künstlerin: Sie hat ausschließlich mit grünen Zutaten gearbeitet. Ihre Pizza nennt sich "7G", "sieben Sorten Grün" und ist eine ideelle Weiterentwicklung des in Venedig so seltenen 3G-Balken auf dem Smartphone. Ein Zufluchtsort! Diese Pizza hat nicht einmal Tomatensauce drauf. Nur Zucchini, Rucola, Spinat, Artischocken, grüne Oliven, grünen Spargel und andere grüne Zutaten: Eine Art Salat auf Brot.
Die extremste Pizza stammt vom amerikanischen Maler Luc Fuller: Er hatte einst eine Ausstellung, in der er nichts außer einer einzelnen Tomate ausgestellt hat. Dieses Konzept hat er nun auf die Pizza übertragen: Seine Pizza besteht nur aus gebackenem Teig, einer festen Kruste, und in der Mitte sitzt eine ganze Tomate oben drauf. Das hat eher die trockene Nüchternheit der frühen „Conceptual Art“.
Pizza Pavillon
Konstanze Schütze: Es gibt bei uns aber auch die "Bauhaus Pizza" von Anthony Antonellis, einem Amerikaner, der in Weimar studiert hat. Er arbeitet stark kunstreferenziell und ist mit einem Net-Art-Implant bekannt geworden.
Die Bauhaus-Idee, vor allem das Bauhaus-Logo, hat ihn beeinflusst: Seine Pizza ist streng geometrisch!
Paul Barsch: Mit ausschließlich runden Zutaten muss man aber ersteinmal geometrisch arbeiten. Man muss dazu sagen, dass die Pizzeria diese Konzepte sehr "italienisch" nachempfindet. Die strenge Geometrie ist sehr aufgelockert (lacht).
Richtig gute Pizza backen ist doch auf jeden Fall eine Kunst und eine Jahrhunderte alte Tradition. Wie reagieren die Pizzabäcker hier auf eure Idee? Denken die nicht, ihr spinnt komplett?
Konstanze Schütze: Das stimmt, richtig gute Pizza ist Kunst! Gerade bei Pizza scheiden sich auf jeden Fall die Geister. Es gibt die labbrige Fünf-Euro-Pizza, es gibt High-End-Cuisine-Pizza oder auch die Deep-Dish Pizza, Chicago Style. Alles in allem ist Pizza aber ein "kultur- und klassenübergreifendes" Phänomen: In der Soziologie beschreibt man mit dem "Pizza-Effekt" eine kulturelle Re-Invention: So wurde Pizza etwa erst durch den intensiven Konsum der italienischstämmigen Amerikaner in Italien zum Superfood.
Bisher haben unsere Pizzabäcker jedenfalls viel Spaß mit den Ideen der KünstlerInnen, auch wenn es manchmal gar nicht so einfach ist. Es gibt eine Pizza, die nennt sich "The Pizza is Ruined" von Lorna Mills: Da müssen die Bäcker eine ganz normale Pizza nach eigener Wahl machen und sich dann ganz selbstständig einen "Fehler" ausdenken. Also die Pizza ruinieren. Sie dürfen damit machen, was sie wollen. Sie dürfen sie verkohlen, zu einem Knödel formen, interessant zusammen falten - irgendetwas Kreatives damit anstellen. Das ist gar nicht so einfach!
Da ist er wieder der "Kontrollverlust": Es gibt zwar einen detailliert beschriebenen Katalog mit Abbildungen zu jeder einzelnen Pizza, aber am Ende setzt der/die PizzabäckerIn die jeweilige Pizza um. Was dann wirklich passiert, kann man in den kommenden Monaten kaum kontrollieren und das ist auch gut so.
Alle Stories zur Biennale auf FM4
Paul Barsch: Hauptsache, niemand muss während der Biennale schlechte Pizza essen. Im Pizza Pavilion gibt es die beste Pizza ab knapp fünf Euro! Für 12€ kann man den Doppeldecker aus zwei identischen Pizzen Verdure bekommen. Donald Judd’s Reihung lässt grüßen!
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