Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Auseinandergehen ist schwer"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

10. 5. 2015 - 16:02

Auseinandergehen ist schwer

Der Song zum Sonntag: FFS - "Piss Off"

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Die Interaktion mit Menschen ist schwierig. Sozialstress, Contenance-Terror. Selten wird davon gesungen, wie das so ist, wenn man in der Öffentlichkeit die Fassung verliert oder mit voller Absicht über Bord wirft. Man muss schließlich ein Bild abgeben und gleichgültige Lässigkeit demonstrieren.

Die seltsame Supergroup FFS scheint sich die große Geste, die affektierteste Pose, die schöne Eitelkeit und die Grandezza als Motive auf die Fahnen geschrieben zu haben und darf auf diesem Fundament auch schon einmal so ein Lied schreiben: Es mögen doch bitte alle weggehen. Es soll aufhören. Wir brauchen Ruhe.

FFS

FFS

Die Tatsache, dass die schnieken schottischen Postpunkpopper Franz Ferdinand und das große, weltbewegende kalifornische Glam/Synth/Disco/Hysteria/Pop-Pop-Duo Sparks (wie die Band Mäuse immer ohne Artikel) gemeinsam eine Band gegründet haben, mag zunächst mit leiser Häme bedacht werden: Zwei Generationen Popmusik scheinen hier einander den verblassenden Ruhm aufpolieren zu wollen. So soll es sein. Und natürlich passen diese zwei Bands auch bestens zusammen und ineinander.

Zwei Bands, denen das Geckentum, die Überhöhung, das Drama, das Operettenhafte immer wesentliche Motoren gewesen sind. Und wenn man sich selbst stets als die Diva - auch die gescheiterte, gefallene, kaputte - inszeniert, dann muss mitunter den anderen, die ständig stören, schreien und nerven, den Geringeren verklickert werden, dass sie verschwinden mögen.

"Piss Off" heißt die letzte Nummer auf dem Debütalbum von FFS, ein Rausschmeißer, ihr könnt nach Hause gehen. Arroganz? Das sieht nur von unten so aus.

Verkörpert man so eine Position aber mit allzu heiligem Ernst, macht man sich schnell zum selbstmitleidigen Schmerzensmenschen, zum Outcast by Choice und Rebellen ohne Grund. FFS gelingt mit dem Stück "Piss Off" eine komische Überlagerung von kompletter Ernstmeinung und der bloßen juxhaften Darstellung einer Haltung. Die Ironie ist ein schweres Schwert, FFS schaffen den Spagat, den Drahtseiltanz, ein gauklerhaftes Masken- und Rollenspiel, gleichzeitig die Übermittlung der Message: Manchmal ist schon alles ein bisschen zu viel und zu laut da draußen in der blöden Welt.

Die musicalhaft überzuckerte Instrumentierung und der gockelige Pomp sind hier hilfreich, so wird die Sprecherposition und die vermeintliche Autorität des Erzählers ins Wanken gebracht. Der Refrain ist dann so stadiontauglich mitsingbar gestaltet, so hymnisch sloganhaft und catchy grölbar, dass die Botschaft - Tell Everybody To Piss Off - in ihr Gegenteil verkehrt zum Transporter der Gemeinschaft und Gemeinsamkeit wird: Die Geste der Abgrenzung als großer sozialer Klebstoff stellt die Verbindung her. Da ist die Tür.