Erstellt am: 11. 5. 2015 - 06:00 Uhr
Artist of the Week: Django Django
Droppen wir einmal zwecks dynamischen Einstiegs Namen auf das anthrazitfarbene Pflaster des Online-Boulevards: Drei Jahre oder so wird’s her sein, da legte ich zusammen mit Nick McCarthy von Franz Ferdinand beim Indie-Club "Scared to Dance" in London ein paar Platten auf.
"Was ist'n das?", fragte er, "Das ist aber gut."
"Django Django", sagte ich, während die Nummer "Default", die es damals nur als Promo gab, augenblicklich all diese Leute zum Tanzen brachte, die sie noch nie gehört haben konnten.
Ich weiß schon, so eine Situation ist ganz normaler Alltag für DJs. Aber ich leg ja selber schon seit Jahrzehnten fast gar nicht mehr öffentlich auf, und für mich war somit dieser Pop-Moment, wo ein ganzer Raum voller Leute sich darauf einigt, dass wir da was irgendwie Besonderes hören und uns rhythmisch dazu bewegen sollten, bemerkenswert genug, dass ich ihn mir merkte, bis ich vor ein paar Wochen Django Django zu ihrem neuen Album "Born Under Saturn" interviewte (Ausschnitte daraus sind in unserer Artist of the Week-Serie über die ganze Woche verteilt auf Radio FM4 zu hören).
Was Nick McCarthy damals nicht ahnte, als dieser Song mit seiner cleanen Vibrato-Gitarre und seinem tribalen Stampfe-Beat und Schellenring ihn so direkt ansprach: Es stellt sich heraus, dass mit Bassist Jimmy Dixon einer seiner ehemaligen Glasgower Wohngenossen bei Django Django spielte. Jimmy hatte sich just zu jener Zeit mit Nick die Adresse geteilt, als Franz Ferdinand gerade frisch dabei waren, sich ihr Publikum zu erspielen, und er erinnert sich heute noch dran, wie Nicks Band alles, was sie machte, in einem großen ästhetischen Zusammenhang verstand (das tun Django Django auch, siehe ihr Bandfoto hier drunter).
Because Music
So wie die Ferdis waren auch Django Django, ehe sie sich in London - zunächst als Zusammenarbeit von Drummer/Produzent Dave Maclean und Sänger/Gitarrist Vinnie Neff - formierten, alle miteinander Kunststudenten in Schottland. Ihr Fach war Malerei.
Dave Maclean sagt, dass neben dem Basteln von Beats und Tracks immer schon Collagen seine Stärke gewesen seien. Und als er sich zum ersten Mal einen Computer mit Musik-Software kaufte (ich schätze Django Django so auf Mitte dreißig), wurde ihm klar, dass das eigentlich fast dasselbe war.
Diese populäre Erkenntnis aus dem zwanzigsten Jahrhundert erinnert an eine andere, ganz konkrete Verwandtschaft. Falls einem diese Mischung aus Harmoniegesang, Gitarren und montiertem Backing irgendwie entfernt vertraut vorkommt und man die Jahrtausendwende schon (bzw. noch) bewusst miterlebt hat, ist die naheliegende Assoziation mit der alten Beta Band nämlich auch keine zufällige. Ist Dave Maclean doch tatsächlich der jüngere Bruder von Beta Band-Gründungsmitglied John Maclean und somit Ko-Verwalter der gemeinsam von ihrem Vater gefilzten, für allerhand juvenile Vierspur-Experimente missbrauchten Plattensammlung.
Parallel gehört, muss man zugeben, sind die Unterschiede schon sehr offensichtlich. Bei Django Django ist da viel mehr Wumms, und wo sich bei der Beta Band vor allem bekiffter HipHop mit ausgespacetem Syd Barrett traf, kollidieren bei Django Django eher Bo Diddley und Westcoast-Psychedelik mit Rave-Musik.
Laut Maclean könnte die Band bzw. er selbst jederzeit ein Album voller Chicago House-Stücke hervorbringen. Man wüsste nicht, wozu das gut wäre, aber man versteht, was er damit meint:
Das ist keine Rock-Band, nicht einmal eine Rock'n'Roll-Band (obwohl Maclean ein leidenschaftlicher Verfechter der These ist, dass beim Rock mit dem Verlust des "Roll" alles den Bach runter ging), sondern ein quasi-elektronisches Projekt, das sich bloß klanglich bzw. in seiner Bühnen-Inkarnation als Gitarrenband tarnt.
Because Music
Da ist schon was dran, denn die angesprochenen durchgehenden Harmoniestimmen, die sich auf "Born Under Saturn" anders als beim mehr nach Bedroom-Bastelarbeit klingenden namenlosen Debüt-Album nun regelmäßig zu eingängigen Refrains formieren (wenn man bei Fuji Rocks vor 60.000 Leuten spielt, braucht man das, sagt Maclean), hängen hier rock-untypisch schwerelos und flächig über den Grooves.
Nein, anglophobe Zyniker in meinem Hinterkopf, die hier dazwischen stänkern, das ist nichts nie gehört Neues, und ja, manchmal muss ich dabei auch an frühere Fusionen von Gitarrenpop und Funky Drummer-Beat, also an die Stone Roses bzw. gar an die Inspiral Carpets denken, und gibt es nicht gerade auch die Charlatans wieder? Allerdings, wir waren schon einmal da, aber wo waren wir denn noch nicht?
"I've seen your face in better days / How times have changed / The seasons come and go / Even so it's strange"
Das singen Django Django gerade im Hintergrund im Song "Found You", irgendwie passend zum eben niedergeschriebenen Gedanken, stört das Schon-Dagewesene prinzipiell doch nur Leute wie meinereins, deren Gesichter schon bessere Tage gesehen haben. Und wenn einem solche Bedenken sowieso grundsätzlich egal sind, kann man sich stattdessen - so wie die Leute an jenem Abend bei "Scared to Dance" - einfach vorbehaltlos an der mit Art School-Schläue versetzten melodiösen Tanzbarkeit dieser Musik erfreuen.
"How would it feel if we laid back forever / Travel the world from the bed where we lie / Floating above like the ash from a fire"
Das ist so eine typische Stoner-Zeile aus dem Song "Break The Glass", die mir soeben ins Ohr gehüpft ist. Und wo uns hierzulande gerade das britische Wahlergebnis tief in den Knochen sitzt, muss man ehrlich sagen, die Frage, die Django Django sich und uns da stellen, hat schon ihre Berechtigung, genauso wie das Saxophon-Solo in "Reflections". Weil Pop darf Blödsinn. Muss sogar hin und wieder. Und wenn schon Blödsinn, dann bitte solchen.