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Martin Pieper

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Martin Pieper

Ist Moderator und Chefredakteur von seinem Lieblingssender. Hat sein Hobby zum Beruf gemacht.

9. 5. 2015 - 06:00

Ende gut, alles brut!

Performance, Party, Popkultur: Was kommt und was geht mit dem Intendantenwechsel im brut?

Die brut, oder das brut? Diese Frage konnte in den ersten acht Jahren dieser Institution nie endgültig geklärt werden. Dieser Zustand des Uneindeutigen beschreibt schon ganz gut, wofür dieses seltsame Biest in der Wiener Bühnen-Landschaft steht. Es gab in den letzten acht Jahren sehr viele gute und sehr verschiedene Gründe das brut von Innen zu sehen. Es gab Theater, Partys, Performance, Drinks, Festivals, Kunst, Konzerte und alles was dazwischen liegt. Der wichtigste Spielort der brut ist ein Flügel des Künstlerhauses am Karlsplatz in Wien, eine multifunktionale Blackbox, die zentraler kaum gelegen sein könnte. Ein Raum für die sogenannte „freie Szene“ sollte es sein, frei flottierender Performance-Kollektive, Theatergruppen und Freigeister, die ohne festes Haus und vor allem auch ohne festes Geld an den experimentellen Rändern des Kulturbetriebes arbeiten. Engagiert wurden Thomas Frank und Heiko Pfost (der seit 2014 in Karenz ist), die aus dem eher verschlafenen „dietheater“ einen brummenden Kulturort gemacht haben. Nach den ersten acht Jahren brut gibt es jetzt einen - durchaus geordneten - Wechsel an der Spitze.

Brut Theater

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Say Hello Wave Goodbye

Ab Herbst 2015 werden die Karten neu gemischt. Kira Kirsch heißt die neue künstlerische Leiterin der brut. Was ihre Pläne für den Herbst betrifft, hält sich die ehemalige Dramaturgin des steirischen Herbstes noch eher bedeckt. Ihre bisherige Arbeit lässt aber durchaus auf eine gewisse inhaltliche Kontinuität schließen. So werden wohl auch in Zukunft keine Barockopern am Spielplan stehen.

Bereits angekündigt hat sie die Schließung der „kleinen brut“, der zweiten Spielstätte im Keller des Konzerthauses. Dort waren bislang die etwas sperrigeren Projekte, das eine oder andere Konzert (HGichT!) und viele Debüt-Abende von PerformerInnen zuhause. Kira Kirsch will stattdessen vermehrt neue, temporäre Spielstätten in der ganzen Stadt nützen, etwa leerstehende Geschäftslokale. Viel mehr ist offiziell noch nicht zu erfahren. Zumindest nach Außen hin ist dieser Wechsel an der Spitze ein durchaus freundlicher „Takeover“, wir warten gespannt auf die erste Herbstsaison von Kira Kirsch.

So weit so brut

Bis dahin darf man Thomas Frank und Heiko Pfost noch durchaus ein paar Rosen streuen. Dabei wurden sie in Wien zu Beginn ihrer Amtszeit durchaus argwöhnisch beäugt, wurden sie doch „von außen“ geholt und waren eben nicht seit Jahren in der Wiener-Off-Theaterszene unterwegs. Das brut brachte von Anfang an ein bisschen „HAU“ in die Stadt. Das Berliner Hebbel am Ufer lieferte das Vorbild für einen interdisziplinären und undogmatischen Zugang zur Institution „Theater“. Statt ein fixes Ensemble zu beschäftigen werden unterschiedlichste Gruppen, Kollektive und Formate zu Themenschwerpunkten gebündelt. Performance trifft auf Symposium trifft auf Party, am besten an einem Abend. Mittlerweile fast eine Selbstverständlichkeit, war das vor acht Jahren in Wien eine rare Sache.

Was passiert mit den Clubs?

Frank und Pfost haben das Haus weit geöffnet. Und sie haben schnell erkannt, dass das am leichtesten über eine gute Bar samt angeschlossenem Partybetrieb läuft. Von Bretterbodendisco über Club Fiorucci, Malefiz, Gap-Release Party, Gender Crash und FMqueer (ja da ich bin befangen, die habe ich mitveranstaltet) war die brut oft einfach nur ein toller Club oder auch der größte Darkroom der Stadt. Dass es bevorzugt ein queerer Ort war, hat sicher auch geholfen, eine eigene Identität zu kreieren. Schon einer der ersten großen Erfolge der brut, die queer-feministische Revue „Orlanding the Dominant“ mit unter anderem SV Damenkraft und Gustav war da paradigmatisch für die inhaltliche und formale Positionierung.

Dass Partys und Konzerte auch Auslastungszahlen nach oben schrauben ist allerdings auch klar. Das Publikum der brut ist jedenfalls eines der jüngsten und diversesten in der Stadt, kein Wunder bei Acts wie Bruce LaBruce, Owen Pallet, Goldene Zitronen oder Gastveranstaltern wie Popfest und Waves. Über diesen Umweg der Popkultur, der im brut mit größerer programmatischer Genauigkeit und Liebe betrieben wird, als in anderen Kultur-Institutionen, die „halt auch mal einen DJ ins Foyer stellen", sind sicher viele Menschen mit der Idee "Theaterbesuch" in Berührung gekommen, die man sonst kaum in eine Performance bringen würde. So manche Partyveranstalter in der brut haben in den letzten Wochen schon ihre Abschiedsvorstellung gegeben. Die immer proppevollen The Gap-Parties oder Bretterbudendisco wird es in dieser Form nicht mehr geben. Die neue Intendantin denkt an „neue Partyformate“, es bleibt zu hoffen, dass das Party- und Musikniveau erhalten bleibt. Und mehr Klos wären auch nicht schlecht.

Performance Extravaganza

Gefeiert wird der Abschied der alten Direktion noch bis inklusive Mittwoch in allen Räumlichkeiten, die die brut zu bieten hat, natürlich auch mit jeder Menge Performance-Hits der Ära Frank/Pfost. Ein großes Grillen wird dann die ersten acht Jahre beenden. Möge die brut weiter glühen.