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Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

8. 5. 2015 - 18:42

Erlauf erinnert

In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 stoßen im niederösterreichischen Erlauf ein amerikanischer und ein sowjetischer General auf das Ende des Zweiten Weltkriegs an. 70 Jahre später eröffnet hier das Museum "Erlauf erinnert".

"Erlauf ist ein kleiner Ort, da passiert alles auf einem Fleck", meint Johanna Zechner von der Kulturabteilung des Landes Niederösterreich. Doch so viel, wie auf diesem Fleck passiert, geschieht auch in deutlich größeren Gemeinden nicht. Für das Ereignis, wegen dem sich Erlauf heute „Friedensgemeinde“ nennt und namhafte KünstlerInnen ihre Spuren im Ort hinterlassen haben, interessierte sich nach dem Krieg zunächst kaum jemand: Hier im Mostviertel trafen am 8. Mai 1945 die Truppen der USA vom Westen und der Sowjetunion vom Osten aufeinander. Erst Jahre später kam das Foto von den beiden Generälen über den Umweg des 1938 aus Erlauf in die USA geflohenen jüdischen Greißlers Ernst Brod wieder nach Erlauf.

Ein sowjetischer und ein amerikanischer General feiern das Ende des Zweiten Weltkriegs

Erlauf erinnert

Uhrenvergleich: 9. Mai 1945, 00:01 - der Krieg ist aus!

Mit der Enthüllung einer Gedenktafel am damaligen Wohnhaus des sowjetischen Generals Dmitri Drischkin, in dem die Feier mit dem in Enns stationierten US-General Stanley Reinhart stattgefunden hatte, begann im Jahr 1965 die ungewöhnliche Erinnerungskultur - ungewöhnlich für Österreich vor allem deswegen, weil hier nicht nur das Kriegsende gefeiert wird, sondern vor allem die Siegermächte. Aus den Gedenkfeiern gingen die jährlichen Erlaufer Friedenstage und viele künstlerische Projekte im Öffentlichen Raum hervor.

Inschrift "Friedensgemeinde Erlauf" auf einem hellblauen Haus, davor iene Fahne.

FM4 / Rainer Springenschmid

Links das Wohnhaus von Maria Scheichelbauer, in dem der sowjetische General einquartiert war, und in dem in der Nacht vom 8. auf den 9. Mai gefeiert wurde. Rechts das ehemalige Gasthaus, in dem sowjetische Soldaten ihren General bekochten.

Im Jahr 1995, dreißig Jahre nach der Enthüllung der Gedenktafel und 50 Jahre nach Kriegsende, gestalteten der sowjetische Künstler Oleg Komov und die amerikanische Künstlerin Jenny Holzer korrespondierende Friedensdenkmäler im Zentrum des Ortes. Seitdem sind immer wieder Künstler in Erlauf zu Gast, die im öffentlichen Raum und oft auch mit Beteiligung der Bevölkerung die künstlerische Auseinandersetzung mit der Erinnerung suchen.

Kuratorin Johanna Zechner betont, dass die künstlerische Auseinandersetzung natürlich nicht immer friktionsfrei abgelaufen ist, aber insgesamt seien die Reaktionen im Ort doch sehr positiv.

zweigeteilt: links das Foto von Jenny Holzers Denkmal, ein blauer Lichtstrahl aus einer Stele in der NAcht, rechts zwei Soldaten mit einem Mädchen bei Tag

Remigio Gazzari

Jenny Holzers Lichtstele sieht man auch von der Autobahn aus. Oleg Komovs Siegesdenkmal ist noch deutlich im Stil sowjetischer Staatskunst entworfen.

Am 9. Mai eröffnet in Erlauf nun das neueste Stück Erinnerungskultur: das Museum „Erlauf erinnert“, wo Zeitdokumente aus den Kriegsjahren und der Nachkriegszeit Jahren zu sehen sind – ebenso wie die Geschichte der Erinnerung in Erlauf.

Ausstellungsfoto Erlauf erinnert

Remigio Gazzari

Wie die Erinnerung nach Erlauf kam: Frank Schanzer war als Jude nach dem Selbstmord seines Vaters 1938 aus Erlaufs Nachbarort Pöchlarn geflohen und später als US-Soldat in seine Heimat zurück gekommen. Er hatte eine Erinnerungsbroschüre mit dem historischen Foto gestaltet. Ein Exemplar dieser Broschüre gelangte über den ebenfalls in die USA geflohenen Erlaufer Ernst Brod zu dessen Freund, dem Landtagsabgeordneten Franz Stangler, und damit zurück nach Erlauf – und der ließ die Geschichte hinter dem Foto wieder aufleben.
Feldpostkarte aus Russland in einem Ausstellungsschaukasten

FM4 / Rainer Springenschmid

Kriegsschicksale und Erinnerungsstücke aus Erlauf und von ErlauferInnen, wie diese Feldpostkarte aus Birkenrinde, gesendet „aus dem russischen Sumpf“ im Jahr 1942, haben die KuratorInnen Johanna Zechner, Remigio Gazzari und Cornelia Offergeld gesammelt und damit sehr persönliche Stationen gestaltet.
Das historische Foto der Feier von 1965 wird in eine Ausstellungswand eingepasst

FM4 / Rainer Springenschmid

Das historische Foto aus 1965 wird eingepasst. "Whiskey, Wodka und Veltliner" ist seit damals das Motto der Gedenkfeiern in Erlauf.

Am 9. Mai wird das Museum Erlauf erinnert offiziell eröffnet, die Feiern rundherum dauern das ganze Wochenende. Zur Eröffnung fahren Shuttlebusse aus Wien und St. Pölten. Alle Infos dazu und zum genauen Programm am Eröffnungstag findest du hier.