Erstellt am: 7. 5. 2015 - 18:40 Uhr
Music for Unknown Dancefloors
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Es soll also wieder einmal um die gegenseitige Durchdringung von Systemen gehen, zwischen denen ohnehin bloß noch in besonders bornierten Gegenden Grabenkämpfe abgehalten werden: Das junge Duo mit dem seltsamen Namen Bob Moses - den die zwei involvierten Herren, wenn danach befragt, auch immer auf unterschiedliche Weise herbeierklären - hat sich die Überlagerung, Durchsetzung und Superamalgamisierung der Formate House-Track und Pop-Song wie schon 270 Acts vor ihnen auf die Fahnen geschrieben.
Teilweise können die beiden ursprünglich aus Vancouver stammenden, längst schon in New York ansässigen Musiker und Produzenten Jimmy Vallance und Tom Howie ihrer Musik feine, neue Nuancen entlocken. Die kürzlich beim englischen Indie-Giganten Domino Records erschienene Track-Collection namens "All in All", auf der zwei alte und eine neue EP von Bob Moses versammelt sind, ist kein Zusammenkleistern und Anschichten, sondern ein gasförmiges Ineinander-Aufgehen: Bob Moses präsentieren sich als Boten des Minimalismus. Kein strenger, unterkühlter Minimalismus, ein zärtlicher, flauschiger Minimalismus in Erdtönen und mit Waldaroma.
Bob Moses
Tom Howie und Jimmy Vallance entwerfen so auf ihrer Platte einen doch recht eigenen Sound. Sound im Wortsinne, im Sinne von Klangdesign. Bob Moses bauen tiefe Hallräume, in denen nicht nur weite Echos, sondern auch Nebel und Rauch stehen dürften - bei Bob Moses geschieht sehr wenig, und das mitunter in Zeitlupe.
Das hört man schon im Eröffnungsstück "Far from the Tree", einem alten Hit von Bob Moses. "Hit" muss man sich hier vielleicht im Zusammenhang eines mit Samt ausgekleideten Zigarrensalons vorstellen. Ein Knacksen und Knistern, ein dumpfer Beat, Claps, ein süßliches Wabern kommt aus dem Synthesizer. Die Stimme - Tom Howie ist der Sänger - ist nur ein Hauchen, ein Flüstern. Nur einige wenige Wörter werden als ewiges Mantra wiederholt.
So funktionieren die meisten Stücke bei Bob Moses: Geschmeidiger Deep-House, der die Melancholie beschwört, in Watte gepackt oder mit dem Wissen um TripHop erdacht. Es geht um Entschlackung, Zerbrechlichkeit, Wiederholung, ja, Hypnose. Die Texte kreisen - in Worten: kreisen - um die üblichen Sehnsuchtsdinge, das Verblassen, Nostalgie etc. Das alles hat meist eine schön einlullende Sogwirkung. Langsam fallen wir.
Domino
Nun wollen Bob Moses aber eben nicht bloß ein Dance- oder Club-Act sein - wenn auch die meisten der hier versammelten Stücke ohnehin keine Peaktimefloorfiller sein dürften. Im besten Sinne gemeint. Es muss ja wirklich nicht immer knallen. Deswegen lassen Bob Moses immer wieder auch das ganz sanftmütige Songwriting an der Lagerfeuergitarre in ihre Tracks einfließen. Dazu wird von der Liebe gesummt. Man hört den Morgentau und das herbstliebliche Rascheln des rotbraunen Laubs. Auch in solchen Fällen sind die Stücke von Bob Moses stets reduziert und aus bloß einigen wenigen Elementen zusammengebaut.
Dieses Modell vom akustischen Popsongwriting in Verbindung mit Niedlichkeitselektronik geht nicht immer gut. Sehr oft ist das nah dran an gar schnulziger, weinerlicher Liedermacherei, die das Herzschmerzmetaphern-Buch gut kennt und die man eben ein bisschen digital aufpoliert hat. Das Stück "Hands To Hold" - im Original ein Clubtrack mit sensiblem Muskelspiel - haben Bob Moses dann auch gleich noch in einer vollakustischen Variante auf die Platte gepackt - das wäre nicht nötig gewesen.
Insgesamt glückt Bob Moses aber mit diesem Einsteigerset eine unaufdringliche, putzige Musik, die nicht schreit und keine Euphorie beschwören muss. Wir warten auf ein reguläres Debütalbum und lassen währenddessen wahlweise verträumt oder nachdenklich den Blick über ein Naturschutzgebiet streifen, ein sanfter Pulsschlag bringt uns durch den Tag. Die Sonne geht unter, es regnet leicht.