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Sophie Strohmeier Philadelphia

Film, Film, Film

7. 5. 2015 - 11:48

Unterm Bett, hinterm Kasten, im finsteren Eck!

Ba – Ba – Duk – Duk – Duk!

Klein Samuel in The Babadook

IFC Films

Das Gruseligste, was je so in Horrorfilmen dahergekrochen kam, ist, keine Frage, das Menschenkind.

Auch ist jene Zeit, auf die wir mit dem größten Bangen zurückblicken, genau jene, in der wir tatsächlich noch im dunklen Wald das Schauderhafte zu erspähen glaubten und in der die Schatten im Zimmer zu starrenden Ungeheuern heranwuchsen. Eh ur schön, das überstanden zu haben. Gottseidank haben wir das Kino, um an diesen Ort zurückzukehren.

Behilflich dabei ist womöglich das Horrorfilmchen Der Babadook, Überraschungshit des Jahres der australischen Regisseurin Jennifer Kent.

Women and Children First

Beliebtes Bild der psychologischen Horrorgattung ist die ohnehin so prekäre Beziehung zwischen Mutter und Kind. Amelia (Essie Davis) ist die bemühte Mutter des verhaltensauffälligen, sechsjährigen Samuel (Noah Wiseman), der dem Begriff „Zornbinkerl“ eine ganz neue, hysterische Bedeutung gibt: zum Beispiel bastelt der kleine Samuel sehr einfallsreiche Waffen, die den kleinen Buben für seine Umwelt höchst unangenehm machen. Samuel ist unerträglich, die Mutter-Sohn-Beziehung belastet, und nicht ohne Grund: am Tag von Samuels Geburt starb Amelias Mann, Samuels Vater, bei einem Autounfall. Amelia und Samuel verspüren also täglich Trauer und Zorn, während gleichzeitig Bemühen herrscht, die Normalität endlich einkehren zu lassen.

Filmstill The Babadook

IFC Films

Vielleicht sollten die kleinen Kinder doch lieber fernschauen: in "Der Babadook" sind endlich mal die Bücher böse

Dann stolpern die beiden beim Gute-Nacht-Geschichten lesen über ein kurioses Buch: „Mister Babadook“ besteht nur aus ein paar Seiten, verhält sich im Sinne des morbiden Humors eines Edward Gorey, und ist im Grunde eine Todesdrohung: wenn man den Babadook mal hereingelassen hat, dann ...

In klassischer Horrorfilmmanier beginnen sich nun die Grenzen zwischen Nervenzusammenbruch, Wahnsinn und dem Fantastischen aufzulösen. Der Babadook kennt keinen wirklichen Unterschied zwischen Tag und Nacht, innen oder außen – er kennt, abgesehen von seiner Geräuschkulisse, auch eigentlich keine wirkliche Form oder Aussehen, sondern besteht rein aus dem Grauen und dem Schrecken.

Selbstgefährdeter Horror

Es ist klar, dass bei einem psychologischen Horrorfilm so ein entfesselter, körperloser Spuk für etwas Schlimmes stehen muss, und so geht es in Der Babadook im Wesentlichen um die Realität – um Trauma, Aufarbeitung, und vor allem um die Trauer, die man am liebsten vermeiden möchte.

Jennifer Kent stülpt über diese aufgeladene Symbolik eine Kulisse des Märchenhaften: Räumliche Gesetze werden aufgelöst, und die dunklen Ecken der Zimmer verschwinden in einem unendlichen, gruseligen Nichts, das die Dimensionen sprengt. Die klaustrophobischen Bilder sind so bläulich und farblos, dass sie beinahe schwarz-weiß wirken und die Stimmung von Depression und Statik verschlimmern.

Filmstill Der Babadook

IFC Films

Sitzen selber in einer Art düsterem Bilderbuch: Samuel und seine Mutter

Und, wie bei John Carpenter, läuft immer wieder beiläufig ein Fernseher. Dieser kommentiert auf ominöse Art den inneren Zustand der Hauptfiguren und kündigt Stimmungen an. Es laufen auch fast ausschließlich Horror-Stummfilmchen im Abendprogramm, sowie Insektenaufnahmen und Mario Bava-Filme – was vielleicht der stärkste Indikator ist, dass es sich hier um einen fantastischen Film handelt.

Dieser Fernseher stellt auch ein bisschen eine Selbstgefährdung für Der Babadook dar, denn man hat in diesen Momenten ein bisserl mehr Lust, das laufende Fernsehprogramm zu schauen, als den Film, in dem dieses Fernsehprogramm läuft. Weil dann erwischt man so einen Moment aus Black Sabbath (1964) und ist so, Ughh, nimm mich doch mit ...

Ein kleiner Kult

Trotzdem scheint Der Babadook irgendwo in der Gesellschaft einen Nerv getroffen zu haben; warum, darüber ließe sich psychologisieren (liegt es an unserem Unvermögen, unglücklich zu sein? Der Tabuisierung von Depression? Dem generellen Schrecken der Mutterschaft? Und was sagt es überhaupt über unser ungeliebtes Zeitalter, wenn der Grusel mal nicht - wie in The Poltergeist - aus dem Fernseher spricht, sondern aus einem Bilderbuch?).

Mutter und Kind in The Babadook

IFC Films

Monsterjagd als Familientherapie

Auf jeden Fall wurde der kleine Sundance Film – teils durch crowd-funding finanziert – zu einem Hit bei Kritikern und Publikum. Vor allem Exorcist-Regisseur William Friedkin hat offensichtlich Gefallen daran gefunden, und Stephen King auch.

Immerhin, das Schönste am Film – die entzückenden Momente, in denen das Mister Babadook-Buch seine interaktiven Pop-Up-Funktionen darbietet – konnte man jetzt auch in höchstlimitierter Form selber erleben: als Buch, freilich! Diese waren dann auch sofort vergriffen und versetzen wahrscheinlich soeben Familien in Angst und Schrecken. Na dann, sweet dreams ...

Der Babadook läuft ab 8. Mai im Kino.
Baba -