Erstellt am: 7. 5. 2015 - 16:08 Uhr
Schlendrian
Lendwirbel
2. bis 10. Mai,
Grazer Lendplatz bis Griesplatz und in Straßen, auf Plätzen, in Schaufenstern, Wohn- und Arbeitszimmern dazwischen
Heartlend
Hui, der bisher größte Lendwirbel. Hui! (Maria Motter)
"Wer redet über Gentrifizierung? Das ist so ein Pseudogetakel!" In der Markthalle am Lendplatz stellt Nana Pötsch einiges klar. "Was bleibt im Lendeffekt?", fragt das Viertelfest Lendwirbel als übergeordnetes Thema diesmal und darüber wird auch diskutiert. Die Frau vom Fisch-Imbissstand hat vorsorglich alle Tische mit "Reserviert"-Notizen belegt. Wenig später knüllt sie diese zusammen, es kämen eh keine Gäste mehr, meint sie. Dabei sind etliche Zuhörende da.
Wer darf sich wo aufhalten im öffentlichen Raum? Soll eine Stadt so sein wie Salzburg während der Festspiele? Ist das die Idealvorstellung von Urbanität? Nana Pötsch ist Sozialarbeiterin, Lendwirblerin seit den ersten Wirbeln, und sie ist einer der Gäste, die auf alten Sofamöbeln für den "Annentalk" Platz genommen haben. Das Gesprächsformat ist einer von hunderten Programmpunkten des Lendwirbels.
Radio FM4
Gentrifizierung? Wo?
Für den Historiker Leo Kühberger steht fest, dass Verdrängung finanziell Armer aus dem Lend passiere. Fakt ist: Es gibt keine Zahlen, die eine eindeutige Verteuerung oder Verdrängung belegen würden. Historisch betrachtet ist der Lend seit jeher auch Vergnügungsviertel. Bordelle wurden zugesperrt bzw. sind verzogen, doch nicht aufgrund einer Gentrifizierung, sondern weil sich der Markt hin zu Laufhäusern in Einzugsstraßen verändert hat. "Wir sind nicht in der Phase, wo sich ein Flagshipstore am Lendplatz ansiedeln möchte", weiß Architekt Franz Leber.
Radio FM4
Weiter diskutiert wird morgen, 8. Mai - Was passiert im Lend? - und am 9. Mai beim nächsten "Annentalk"
Die Dichotomie super/schlecht und AltmieterInnen/neue BewohnerInnen greife nicht, sagt Nana Pötsch. Alles sei komplexer und zugleich banaler. Denn der Zuzug in Graz ist enorm, laut Prognose der Stadt Graz wird die Bevölkerung auch in Zukunft durchschnittlich "jung" sein (wobei "jung" 2031 im Durchschnitt mit 42,3 Jahren berechnet ist). Die Stadt wächst und der Druck nach leistbarem Wohnraum steigt für alle. In der Markthalle berichtet eine Anrainerin von ihrem Rechtsstreit, sie müsse nach Jahrzehnten aus ihrem Zuhause, um einem Neubau Platz zu machen. Ob der Lendwirbel der Frau zur Seite stünde, will "Annentalk"-Organisatorin und Moderatorin Anna Druško wissen. Diese Zuschreibung von außen, was der Lendwirbel alles bewirken könne, verwundert Nana Pötsch. Die Annahme, dass der Lendwirbel alle retten müsse. Jede und jeder kann Solidarität in der unmittelbaren Nachbarschaft schaffen. Skeptisch bleibt Leo Kühberger, eine Politisierung des Begriffs Gentrifizierung erfolge nicht.
Radio FM4
Für ein Recht auf Stadt
Beim Lendwirbel entwickeln sich kleine und größere Formate für Austausch. Und es zeigt sich: Es tut sich enorm viel in Graz. Sehr viele sehr fähige Menschen sind hier am Werk.
Eine Soli-Party Donnerstagnacht für eine Parade für mehr Klubkultur am 13. Mai mag aufs Erste dekadent erscheinen. "Die Welle an Solidarität ist ungehalten", freut sich Initiator Daniel Huber. Nachdem die Kombüse leiser drehen und auf ihre nächtlichen DJ-Lines verzichten muss, gründete Huber eine Facebook-Gruppe, um etwas in Bewegung zu setzen. Binnen einer Stunde meldeten sich so viele DJs, dass es bei der Soli-Party ein Kommen und Gehen hinter den Pulten werden wird. Die freiwilligen Spenden werden für Mietgebühren von Wägen für die Parade investiert, vier Kleinlaster sind mal reserviert. "Wir sind ein loser Zusammenschluss ohne institutionellen Hintergrund", erklärt Huber.
Im alternativ-kulturellen Sektor in Graz würden all jene, die nicht unbedingt kommerziell arbeiten, "nicht sonderlich nett behandelt, sagen wir so, wenn sie bei Behörden antanzen müssen, um Genehmigungen einzuholen“, so Huber. Freiräume in der Stadt zu erhalten und zu fördern ist ein Anliegen der Parade kommende Woche. Aber auch gegen Neid unter den Kulturschaffenden will man sich aussprechen.
Das zweite Wochenende beim Lendwirbel
Der Konzertreigen beim Lendwirbel steht bevor. Sir Tralala singt in einem Pub, Favela Gold tritt in der Gallery Lendnine auf und nica&19hertz und sechzig weitere Bands spielen auf dem Mariahilfer-, Lend-, Gries- und dem Hier-ist-Platz-Platz. Im Kunsthaus probten junge Musikerinnen und das Tanzkaraoke ruft nach Wiederholung. Im Minoriteninnenhof wird eine Slackline gespannt. Am Griesplatz findet ein "Speeddating mit erfolgreichen MigrantInnen" ebenso statt wie das PermaLend+GRIES Breakfast, frühstücken im Freien. Zum Katzenvideos-Schauen und zum Swingtanzen wird geladen in Bürogemeinschaften und Innenhöfe. Und Dominika und Josef alias "Erika spielt Posaune" verweilen die ganze Woche hindurch am Mariahilferplatz und kommen mit allen ins Gespräch, die das wollen. Lieblingsmomente bislang gab es auch schon.
Radio FM4
Radio FM4
Radio FM4
Radio FM4
Katharina Heidrich
Radio FM4