Erstellt am: 6. 5. 2015 - 11:39 Uhr
Three Men from Wisconsin
"You're tearing me apart!" – Jim Stark (James Dean) in Rebel Without a Cause (1955) von Nicholas Ray
Joseph Losey, Nicholas Ray, und – Walfisch aller Walfische! – Geburtstagskind Orson Welles, der heute, am 6. Mai, seinen 100. Geburtstag feiert.
Die Namen dieser Regisseure, die jeweils so einzigartige wie unterschiedliche Biographien und Werke vorweisen können, stehen synonym für Enfants terribles. Alle drei stammen aus Wisconsin, zwei sogar aus derselben Kleinstadt (was sich in diesem Ort von La Crosse, WI abgespielt haben muss, wo Nicholas Ray und Joseph Losey auf der High School waren! ...Des Wahnsinns Knusprige Beute, vielleicht.).
Österreichisches Filmmuseum
In einer Zeit, in der die meisten der heute noch bekannten Regisseure Hollywoods aus Europa stammten, scheiterten genau diese drei an eben diesem Amerika – an Hollywood, der Filmmaschinerie, oder einfach am ominösen amerikanischen Traum. Losey und Welles zog es später als beinahe prometheische Exilanten in die verschiedensten Gegenden Europas, während Ray – der Inbegriff des Auteurs – Anhänger in den neuen Wellen Frankreichs und Deutschlands fand.
Österreichisches Filmmuseum
Am spannendsten an diesen Regisseuren ist ihre Haltung zu Hollywood und der damaligen Filmindustrie, mit der sie in ständigem Konflikt stehen; wenn nicht bereits biographisch, dann in ihren eigenen Filmen, oder dem, was von ihren Filmen übrig geblieben ist:
Orson Welles hat so manche Träne wegen seiner von Hollywood zerstückelten Filme zerdrückt. Ein Großteil seiner Filmographie besteht aus Zerstückelung und Unvollendung, die durchaus von ihm selbst ausgegangen sein mag. Bei Joseph Losey gibt es einen rituellen, schwankenden Austausch zwischen dem Herrschenden und Dienenden. Und besonders die Helden von Nicholas Ray stehen in einem ständigen, zerrissenen Zwiespalt mit der Gesellschaft, Gemeinde oder Familie. Und so kann man sich wieder einmal darauf besinnen, dass die größten Kunstwerke womöglich jene sind, die als rebellisches Feuer unter den autoritärsten Bedingungen zu lodern vermögen.
Im Österreichischen Filmmuseum widmet sich unter dem Titel "On Dangerous Ground: Joseph Losey/Nicholas Ray/Orson Welles" ab 8. Mai eine Retrospektive den drei Rebellen. Hier drei Empfehlungen pro Regisseur.
Österreichisches Filmmuseum
Joseph Losey
Eva (1962): Femme fatale Jeanne Moreau in Venedig. Obwohl Joseph Losey bereits in Hollywood Film noir drehte, kommt hier seine existentialistische Ader hervor und man fühlt sich wie in einer eigenen nouvelle vague. Venedig spielt später bei Loseys düsterem und sorgfältigem Opernfilm Don Giovanni (1979) eine eigene Rolle, leider ist dieser aber nicht bei der Retrospektive zu sehen (aber trotzdem ur toll).
The Servant (1963): Wie in einer absurden Zeremonie werden hier die Rollen von Herr und Diener ausgewechselt und ausgespielt; dies ist der quintessentielle Losey-Film, und außerdem: Dirk Bogarde, der eleganteste und schönste Schauspieler ever.
Österreichisches Filmmuseum
The Damned (1963): Cold War-Paranoia Science Fiction in einer monströsen, mythischen Landschaft und seltsamen, radioaktiven Kindern. Es ist ein bisschen so, als hätte sich ein früher Godard mit einer Twilight Zone-Episode vermehrt.
Nicholas Ray
In a Lonely Place (1950): In dieser düsteren Hollywood-Romanze verlieben sich Nachbarn Gloria Grahame und Humphrey Bogart, nur um von Verdacht und Gewalt zerstört zu werden. Einer der schönsten Liebesfilme und Film noir aller Zeiten und gleichzeitig eine unterschwellige Kritik an der Filmindustrie selbst.
Österreichisches Filmmuseum
On Dangerous Ground (1951): Titelfilm der Retrospektive und ein absoluter must-see, schon allein wegen seiner Landschaften: die schwarze, nächtliche Großstadt und der Schnee in der Einöde, der sogar in der Dunkelheit grell leuchtet. Die Guten sind in diesem unbehaglichen Film brutal und die Bösen unschuldig.
Paycom Multimedia
Johnny Guitar (1954): Joan Crawford spielt Vienna, die grell-gekleidete, aber doch melancholische Saloonbesitzerin. Johnny Guitar durchzieht eine völlig eigene Stimmung, die mit keinem Film vergleichbar ist. Hier duellieren die Frauen, und die Männer spielen Gitarre und werden gelyncht.
Orson Welles
The Lady from Shanghai (1947): ein opulenter, surrealer Film noir mit Orson Welles' Gattin Rita Hayworth als Femme fatale, die in diesem Film einfach wahnsinnig arg rüberkommt. Angeblich fehlt an dem Film eine gute Stunde, und absolut nichts ergibt Sinn, was den Film nur noch betörender macht.
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Chimes at Midnight (1965): Orson Welles, der Diplomat Shakespeares ins 20. Jahrhundert, drehte hiermit angeblich seinen persönlichen Lieblingsfilm; Shakespeares Sir John Falstaff spielt die Hauptrolle. Welles ist hier bereits ein ziemlicher Körper von Gewicht und am besten ist einfach Falstaffs Ritterrüstung, in der ein kleiner Pottwal Platz finden könnte.
F for Fake (1973): Orson Welles und seine geniale Selbst-Inszenierung erschaffen hier einen durchkomponierten Film-Essay, ein Gesamtkunstwerk, das einem die Sprache verschlägt. Sujet sind Kunst, Magie, und Täuschung – Stichworte, die Welles als Künstler zusammenfassen.
On Dangerous Ground
On Dangerous Ground: Joseph Losey/Nicholas Ray/Orson Welles startet am 8. Mai im Österreichischen Filmmuseum. Bis 21. Juni sind insgesamt über 40 Werke der drei Regisseure zu sehen.