Erstellt am: 5. 5. 2015 - 15:00 Uhr
Entwicklungshilfe: Helfen und Herrschen?
Die Tragödien, die sich täglich im Mittelmeer abspielen und die Katastrophe in Nepal rücken die Entwicklungshilfe wieder in den Fokus der Politik.
Wie die meisten Industrienationen hat Österreich sich dazu verpflichtet 0,7% des Bruttoinlandsprodukts für "Entwicklungszusammenarbeit", so die offizielle Bezeichnung, zu Verfügung zu stellen. Und wie die meisten dieser Länder gibt Österreich mit 0,26% viel weniger für EZA und humanitäre Hilfe aus.
![© APA Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit](../../v2static/storyimages/site/fm4/20150519/eza.jpg)
APA
Vom Kalten Krieg in die Irrelevanz
Das ist auch nicht überraschend, denn EZA hat im ursprünglichen Sinne weniger mit Solidarität, als mit politischen Interessen zu tun.
Die moderne Entwicklungshilfe entstand als eine Waffe im Kalten Krieg. Vor über sechs Jahrzehnten warnte US-Präsident Henry S. Truman vor der Gefahr die aus der Armut der sogenannten „Dritten Welt“ hervorging. Die Bedrohung war hier natürlich der Kommunismus.
Mithilfe von „technical assistance“ sollten die Länder der „dritten Welt“ sowohl wirtschaftliche Hilfe erhalten, vor allem aber ideologisch den Level des kapitalistischen Westens erreichen. Das Ziel wurde fast immer verfehlt.
In ehemaligen Kolonien verstärkten alte Imperialmächte die Abhängigkeitsstrukturen und finanzierte autoritäre und korrupte Regime. Mit dem Ende des Kalten Krieges wurde die Hoffnung geweckt, dass die Zeit jetzt für eine EZA jenseits von ideologischen Grabenkämpfen reif geworden wäre.
Das Gegenteil kam. Die EZA erlebte einen Bedeutungsverlust, von dem sie sich erst nach einem Jahrzehnt erholte.
Helfen für die Sicherheit
Mit 11.September 2001 änderte sich alles, auch in der Entwicklungspolitik. Es gab wieder ein gutes Argument für Entwicklungshilfe. Die globale Ungerechtigkeit galt als Nährboden für internationalen Terrorismus und musste bekämpft werden. Nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Entwicklungsprojekten.
Die amerikanische USAID beispielsweise baut ihre Arbeit auf drei Säulen auf – „Diplomacy, Development, Defense“. Das meiste Geld bekommen dabei Staaten wie Afghanistan und Pakistan. Ärmere Regionen mit geringerer geostrategischer Bedeutung erhalten hingegen weniger Hilfe.
Und auch der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan erklärte, dass Entwicklung nicht ohne Sicherheit, und Sicherheit nicht ohne Entwicklung möglich ist.
Mit dem globalen Terrorismus gibt es wieder eine neue Bedrohung, allerdings konzentriert man sich erneut eher auf die Bekämpfung der Gefahr, als auf die Bekämpfung von Armut.
Was ist das Ziel?
Angesichts der großen Flüchtlingstragödien der letzten Monate hoffen in Europa und auch in Österreich NGOs und EntwicklungspolitikerInnen auf mehr Gelder für die EZA. Bei der gestrigen Sondersitzung des Nationalrats wurde unter anderem die Erhöhung der EZA-Mittel beschlossen.
Die ist auch jenseits von aller Kritik an EZA dringend notwendig. Bisher landen von 100 Euro, die Österreich für Entwicklungshilfe ausgibt, nur 40 Euro in den Empfängerländern. Die gestrige Sitzung zeigt aber auch die Schwäche der österreichischen EZA. Zunächst soll nun im Sommer ein „Stufenplan“ kommen der mit Blick auf das Jahr 2022 die Erhöhungen festlegen soll. Gleichzeitig streitet sich die Koalition darüber wer überhaupt eigentlich für Entwicklungshilfe zuständig und welche Ministerien zahlen sollen.
Mit der aktuellen Betroffenheit kommt also auch in Österreich wieder Bewegung in Diskussion um Entwicklungshilfe. Während aber große Geberländer helfen und herrschen, plant man in Österreich lieber erstmal und wartet ab bis die Aufregung verfliegt.
FM4 Auf Laut über Entwicklungshilfe
Österreich hat sich im Rahmen der Vereinten Nationen schon 1970 dazu verpflichtet 0,7% seines Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe aufzuwenden. Bis heute ist man diesem Versprechen nicht nachgekommen. Andererseits wird das Konzept von "Entwicklung" seit Jahren als eurozentristisch und autoritär kritisiert.
In FM4 Auf Laut diskutiert Ali Cem Deniz mit Entwicklungsforscher Jan Pospisil und der ehemaligen freiwilligen Helferin Fabiana Ellmerer über das westliche Helfersyndrom, über Neokolonialismus und über globale Solidarität jenseits der Entwicklungsideologie.
Am Dienstag 5.5.2015, ab 21:00 und gleich nach der Sendung auch für sieben Tage unter fm4.orf.at/7tage zum Anhören.