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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

3. 5. 2015 - 19:00

Funker finden vermissten Österreicher in Nepal

Über das internationale 9N1 Nepal Emergency Network der Funkamateure wurde ein Österreicher gefunden, von dem seit einer Woche jede Nachricht fehlte.

Eine Woche nach dem Erbeben ist die Kommunikation nur in den urbanen Räumen Nepals teilweise wiederhergestellt. Das Kurzwellennetz internationaler Funkamateure, das tagelang die einzige, öffentliche Direktverbindung nach Nepal war, hat deshalb am Freitag den Sendebetrieb dorthin eingestellt, nicht aber ѕeine Aktivitäten. Über die rasch wachsende Facebook-Gruppe des 9N1 Nepal Emergency Funknetzes werden seitdem Vermisstenmeldungen direkt per E-Mail an die Behörden in Nepal weitergegeben. Am Sonntag konnte der vermisste Österreicher Willy W. (53), von dem eine Woche jede Spur gefehlt hatte, mit Hilfe der kleinen Funkertruppe in Kathmandu gesund und wohlauf gefunden werden.

Wichtiger Hinweis zu Anfragen nach Vermissten

Aktuell dazu in ORF,at
Am Sonntag wurde die Zahl der Bebenopfer von offizieller Seite auf über 7.000 erhöht. Nur langsam gelingt es, auch in die entlegenen Bergregionen vorzudringen, wo in Folge des Bebens auch Schnee- und Schlammlawinen etliche Opfer gefordert haben könnten.

Bei weiteren Anfragen nach den weniger als zehn noch vermissten Österreichern über das 9N1 Emergency Network sollten neben den persönlichen Daten und einem Foto unbedingt auch alle bekannten Handynummern weitergegeben werden, um den letzten Aufenthaltsort zu ermitteln, heißt es in einer E-Mail von Satish Kharel (9N1AA) an ORF.at. Falls weitere Anfragen vorliegen sollten, genügt eine E-Mail an den Autor . Die Mails werden an die nepalesischen Funker weitergeleitet, die wiederum in direktem Kontakt zu den Behörden und Spitälern in und rund um Kathmandu stehen.

Neben der Personensuche wird von den Funkamateuren gerade Ausrüstung für den Aufbau eines permanenten Notfunknetzes in Nepal organisiert. Vor Ort unterstützen Funker aus Indien die wenigen Kollegen aus Nepal, denn dort gibt es bis jetzt nur ein paar Dutzend Funkamateure, weil bis 2011 kaum Lizenzen dafür genehmigt worden waren.

Familie vor Ruinen

APA/EPA/DIEGO AZUBEL

So sieht die Lage in den ländlichen Regionen Nepals aus. Mindestens 600.000 Häuser landesweit sind nur noch Schutthaufen.

Kompentenzgerangel vor Ort

Außerhalb der Städte ist die Lage immer noch desperat. Ѕo berichteten indische Funker wiederholt von Dorfbewohnern, die bereits seit Tagen auf Hilfe warten, aber noch nicht einmal Erstkontakt zu Helfern hatten. Dabei haben die nepalesischen Behörden bereits ausländische Helferteams zurückgeschickt, weil sie angeblich nicht mehr benötigt werden.

Das 9N1 Netz hatte am Sonntag seinen Betrieb aufgenommen und war bis Donnerstag früh auf Kurzwelle aktiv

Für die Funker aus Indien wurde ausgerechnet das für regionalen Verkehr am besten geeignete Amateurfunkband (40 Meter) nicht freigegeben, nur gebürtige Nepalesen unter der indischen Hilfstruppe erhielten dafür eine Gastlizenz. Plausible technische Gründe dafür gibt es keine, Hintergrund sind offenbar Kompetenzansprüche der nepalesischen Militärs. Es wird behauptet, alles im Griff zu haben, die Zustände vor Ort sagen jedoch das Gegenteil.

Zerstörte "letzte Meilen"

Bezeichnend für die derzeitige Lage ist, dass von den Funkern in Nepal nicht Funkgeräte oder Antennen am dringendsten gesucht werden, sondern Taschenlampen und Handy-Ladegeräte, die mit Kurbeln oder Solarzellen funktionieren. Wie aus ländlichen Regionen, in die bereits Helfer vorgedrungen sind, berichtet wird, sind da und dort Teile der Mobilfunknetze wieder in Betrieb. Da die Stromversorgung außerhalb der Ballungszentren großteils aber noch immer nicht funktioniert, konnten die Handyakkus nicht aufgeladen werden.

97 Prozent des gesamten Internet-Verkehrs in Nepal wird über mobiles Breitband abgewickelt. Die Backbones für Strom und Internetverkehr sind zwar bereits wieder in Betrieb, doch in weiten Teilen ist die jeweils letzte Meile immer noch unterbrochen: umgestürzte oder stromlose Handymasten, deren gesamter Einzugsbereich ebenfalls stromlos ist. Durch die schweren Regenfälle nach dem Beben erschweren Bergrutsche und Vermurungen den Zugang zu den betroffenen Gebieten.

9N1 Emergency network logo

Public Domain

Das 9N1 Emergency Newtork hatte alle Haände voll zu tun um die Frequenzen freizuhalten: Viele Funkamateure, die solche Initiative nur au

Am Samstag war eine kleine Gruppe nepalesischer Funker in einem der schwer betroffenen Gebiete nahe des Epizentrums unterwegs, das keine 80 Kilometer von Kathmandu entfernt ist. Die Fahrtzeit im Allradjeep dorthin betrug alleine vier Stunden, dann war noch eine Stunde Fußmarsch zu bewältigen. Der gesamte Aufwand diente nur dazu, die Lage vor Ort zu erkunden und einen geeigneten Standort für eine Sendestation zu finden. Dank der indischen Funker sowie der internationalen Katastrophenhelfer, die samt und sonders auch auf Kurzwelle angewiesen sind, steht nun erstmals etwas Ausrüstung für Nepals Funker zur Verfügung.

Die Facebookgruppe der 9N1 Funker ist weiterhin aktiv. Im Moment arbeitet man an einem internen Debriefing. Es haben nämlich soviele Stationen im Schichtbetrieb mitgewirkt, dass es noch keinen genauen Überblick blickt, wieviele Nachrichten an wen übermittelt wurden.

Die 9N1 Nepal Emergency Group

Die internationale Amateurfunktruppe 9N1 Nepal Emergency Group, die von gestandenen Notfunkern um den Israeli Amir Bazak und den in Portugal ansässigen Briten Colin Wilson (CT7ACG) bereits am ersten Tag nach dem Beben gestartet wurde, benutzt für die internationale Koordination mittlerweile kaum mehr Kurzwelle, sondern E-Mail und Facebook. Kurzwelle wird jetzt nicht mehr für den Fernverkehr gebraucht, sondern in Nepal selbst und darauf war das 9N1 Nepal Emergency Net - alle Funkrufzeichen in Nepal beginnen mit 9N1 - bereits am Mittwoch vorbereitet.

Satish Kharel und Sanjeeb Panday vor einer Funkstation

US Army MARS network

2013 hatten Satish Kharel (links) und Sanjeeb Panday an einer Notfunkübung des Military Auxiliary Radio Service(MARS) der US Army in Afghanistan teilgenommen. Übungsannahme war ein verheerendes Erdbeben in dieser Weltregion.

Diese Aufzeichnung des 9N1-Funkverkehrs stammt von IZ0KBA, einer Station in Rom Zu hören ist Teamleader Amir Bazak 4X6TT in Konversation mit anderen.

Derselbe Rechtsanwalt und Notfunkpionier Satish Kharel (9N1AA) aus Kathmandu, der am Sonntag den vermissten Österreicher aufspürte, hatte bald nach dem Beben um fertig konfektionierte und abgestimmte Antennenanlagen für das 40-Meter-Band gebeten. Zusammen mit Notstromaggregaten und kleinen Kurzwellensendern lässt sich damit binnen kurzer Zeit ein regionales Notfunknetz errichten, das die Katastrophenzone weitgehend abdeckt.

Antennen aus Deutschland

Bereits am Mittwoch hatte der deutsche Funkamateur Dirk Lübbert (DC8BJ), der ein kleine Firma für Funkbedarf betreibt, die benötigten Antennen zur Verfügung gestellt, seitdem laufen die Bemühungen, das Gerät nach Nepal zu versenden. Die Ausrüstung war bereits dreimal bei Hilfsflügen aus Deutschland nach Nepal eingecheckt, war jedoch wieder ausgeladen worden, weil angesichts der wachsenden Zahl von Verletzten Medikamente immer noch Vorrang haben.

Richtantenne für das 20-Meter Band von OH8XAT

OHXAT

Diese drehbare Yagi-Antenne gehört Timo Silvan OH8XAT, einem deutsch-finnischen Funker, der von Beginn an mitgeholfen hat. Da diese Station mitten in den Wäldern nördlich von Helsinki liegt, wo es keine lokalen Funkstörungen gibt, können hier schwache Signale aufgefangen werden, die ansonsten im Rauschen untergehen würden.

Die Nachrichten aus und nach Nepal werden über eine bereits am Sonntag von einem dänischen Funker eingerichtete Facebookgruppe ausgetauscht, die binnen einer Woche auf über tausend Mitglieder angewachsen ist. Dort werden immer mehr Stimmen laut, eine solch internationale Notfunktruppe auf Dauer einzurichten. Denn auch die Funkamateure, eine ad-hoc zusammengewürfelte Kerntruppe aus etwa einem Dutzend großer Funkstationen wurden auf dem falschen Fuß erwischt. Eine derartige Initiative hatte es bei den Katastrophenfällen der jüngeren Vergangenheit nämlich nie gegeben, obwohl mehr als genug Bedarf dafür bestanden hätte.

Die Rolle der Militärs

Die Gründe waren stets dieselben: Länder, in denen Lizenzen für Amateurfunk gar nicht oder nur an ausgewählte Funktionäre des herrschenden Regimes vergeben werden, schließen sich selbst von einer solchen Unterstützung aus. Ohne trainierte Funker vor Ort ist ein solch dezentrales Funknetz nicht zu betreiben, was wieder in direktem Zusammenhang mit der Rolle der Militärs im Lande steht.

Funkstation des Roten Kreuzes Steiermark

OE6XRK

Die mächtige Station OE6XRK des Roten Kreuzes Steiermark hatte in der Nacht auf Donnerstag zusammen mit Stationen aus den USA die 9N1 Frequenz freigehalten und Nachrichten weitergegeben

Gerade in Spannungsgebieten - Nepal liegt zwischen Indien und China, die bekanntlich verfeindet sind - sehen Militärs autonome, selbstorganisierte Funker weniger als potenzielle Katastrophenhelfer sondern als Bedrohung an. Doch auch in entwickelten Ländern kommt es immer wieder zu Spannungen zwischen Funkern und jenen Teilen des Militärs, die allem misstrauisch gegenüberstehen, was außerhalb ihrer Befehlshierarchie operiert.

Einen Tag, nachdem das 9N1 Emergency Network seinen Notbetrieb auf Kurzwelle einstellen konnte, standen in Österreich, Italien und einer Reihe weiterer Staaten die jährlichen Notfunkübungen auf dem Plan. In Österreich waren wieder um die 500 Amateurfunkstationen unterwegs, ein Teil davon als Staatsfunkstellen in Magistraten und Bezirkshauptmannschaften, von Bundesheer und Rotem Kreuz, die Mehrzahl stellten wieder private Stationen.

OE6XRK war sowohl im 9N1-Netzwerk wie auch an der Notfunkübung in Österreich beteiligt. Wie in mehreren anderen Ländern werden diese Übungen jährlich am 1. Mai abgehalten

Ziel dieser als Wettbewerb abgehaltenen Übung ist wie jedes Jahr, mit allen 95 politischen Bezirken in Österreich direkten Kontakt aufzunehmen, für den Fall, dass alle anderen Kommunikationsmittel ausfallen. Ein Schwerpunkt der Übung lag dabei auf dem autonomen Betrieb mit eigener Stromversorgung. Es wurden also ziemlich genau jene Bedingungen und Aufgabenstellungen angenommen, unter denen die Funker in Nepal operieren müssen. Teilnehmerzahl und Equipment allein der österreichischen Übung hätten ausgereicht, um das etwa doppelt so große Nepal mit einem Kurzwellennetz für Notverkehr abzudecken.