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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

30. 4. 2015 - 16:19

The daily Blumenau. Thursday Edition, 30-04-15.

Eines der besten des Kontinents, oder so. Österreichs Profi-Fußballvereine und das Lizenzierungsverfahren, ungeschönt betrachtet.

#fußballjournal15

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

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Hier die offizielle Stellungnahme der Bundesliga zum Thema der heute erfolgten Lizenzentscheidungen:

"Der Senat 5 der Österreichischen Fußball-Bundesliga (Vorsitz RA Dr. Thomas Hofer-Zeni; weitere Mitglieder Dr. Gerhard Kastelic, Mag. Norbert Vanas, Mag. Peter Pros, Dr. Peter Dösinger, Dr. Rudolf Novotny, Dr. Thomas Hollerer) hat nach Prüfung und Evaluierung der eingereichten Unterlagen die Lizenzentscheidungen für die Bundesliga-Spielsaison wie folgt 2015/16 getroffen:

1) Bundesliga

Lizenz erteilt:
#FK Austria Wien
#FC Red Bull Salzburg
#SK Rapid Wien
#WAC (Infrastruktur-Auflage betr. Flutlicht)
#SCR Altach (Infrastruktur-Auflage betr. Flutlicht)
#SV Grödig (Ausweich-stadion Red Bull Arena)
#SK Sturm Graz (Ausweichstadion Klagenfurt)
#SV Ried (Infrastruktur-Auflage betr. Flutlicht)
#SC Wiener Neustadt (Infrastruktur-Auflage betr. Stadion-Überdachung)

Lizenz verweigert
#FC Admira Wacker Mödling

2) Erste Liga

Lizenz erteilt:
#FC Liefering
#SKN St. Pölten
#KSV 1919 (bestehende Finanz-Auflage: quartalsmäßiger Reorganisationsprüferbericht; Infrastruktur-Auflage betr. Stadion/Flutlicht)
#Floridsdorfer AC (Infrastruktur-Auflage betr. Fassungsvermögen)
#SC Austria Lustenau (Finanz-Auflage: quartalsmäßiger Reorganisationsprüferbericht)
#FC Wacker Innsbruck (bestehende Finanz-Auflage: quartalsmäßiger Reorganisationsprüferbericht)
#SV Horn (Infrastruktur-Auflage betr. Flutlicht)
#SV Mattersburg (Ausweichstadion St. Pölten)
#TSV Hartberg (Finanz-Auflage: Budgetüberarbeitung; Infrastruktur-Auflage betr. Flutlicht)

Lizenz verweigert
#LASK Linz

3) Regionalligen

Lizenz erteilt (über Auflagen wird nach Feststehen des Aufstiegs entschieden)
#SC/ESV Parndorf 1919 (Ost)
#FC Blau Weiss Linz (Mitte)
#WSG Wattens (West)

Lizenz verweigert
#SC Ritzing (Ost)
#First Vienna FC (Ost)
#SK Austria Klagenfurt (Mitte)
#SV Austria Salzburg (West)

4) Weiterer Verlauf des Lizenzierungsverfahrens
Gegen den Senat 5-Beschluss kann der Lizenzbewerber bestimmungsgemäß innerhalb von zehn Tagen beim Protestkomitee (schriftlichen) Protest erheben – die Frist endet am Montag, den 11. Mai 2015. Es gilt lt. Abschnitt 5.4. Absatz E des Bundesliga-Lizenzierungshandbuchs, eine eingeschränkte Neuerungserlaubnis: „Neues Vorbringen und neue Beweismittel sind nur bis zum Ablauf der Protestfrist zulässig. Änderungen des geprüften Jahresabschlusses oder betragsmäßige Änderungen der Budgetpositionen ... sind jedoch unzulässig.“

Die Entscheidung des Lizenz-Protestkomitees wird bestimmungsgemäß innerhalb von fünf Tagen (heuer folglich bis Samstag, 16. Mai 2015) getroffen. Damit ist das Verfahren bzw. der Instanzenweg innerhalb der Bundesliga abgeschlossen. Nach Abschluss des verbandsinternen Verfahrens kann innerhalb von sieben Tagen Klage beim Ständigen Neutralen Schiedsgericht, ein Schiedsgericht im Sinne der §§ 577 ff österreichische Zivilprozessordnung (ZPO), eingebracht werden. Eine etwaig notwendige Entscheidung würde aufgrund der UEFA-Frist bis Ende Mai getroffen.

5) Weitere Termine Lizenzierungsverfahren 2015/16:
#Protestfrist Montag, 11. Mai 2015
#Entscheidung Protestkomitee (2. Instanz) bis Samstag, 16. Mai 2015
#Innerhalb von sieben Tagen (nach Zustellung Protestkomitee-Bescheid) Einreichung der Klage beim Ständigen Neutralen Schiedsgericht
#Bis 29. Mai 2015
Entscheidung Ständiges Neutrales Schiedsgericht bzw. Meldung an UEFA"

Die Schlagzeile zur heutigen alljährlichen und gefürchteten Lizenzverteilung lautet: Fortschritte auf allen Linien. Und zwei Bugschüsse für die ganz Dummen.

Ist also alles in Ordnung? Ist das Lizenzierungsverfahren tatsächlich so, wie es der SK Rapid in seiner Jubelaussendung formuliert, eines "der besten des Kontinents"? Oder reicht schon der Blick zum westlichen Nachbarn um effizienteres zu erkennen?

Die Fakten:

Alle 20 Profiklubs (letztlich sind es nur 19; das keineswegs eigenständige Liefering, das Farm-Team von Red Bull Salzburg, wird ja aus der Zentrale mitbetreut. Das ist ein absurder, eigentlich nicht haltbarer Zustand, aber das klassisch-österreichische Zugeständnis an den Hai im Pool, den mächtigsten Player) und sieben Vereine aus den Regionalligen haben sich um eine Lizenz für den professionellen Spielbetrieb in der Saison 2015/16 (hier Termine und Fristenläufe) beworben. 18 resp. 3 haben sie erhalten. Zwei Liga-Vereinen und 4 Neo-Bewerbern wurde sie verweigert.

Das klingt bilanzmäßig recht gut; besser als in den letzten Jahren. Und weil die Bundesliga seit einiger Zeit verstärkt auf die zunehmende Verschärfung der Bedingungen hinweist und weil das öffentliche und auch das brancheninterne Bewusstsein tatsächlich geschärft wurde, behauptet sich dieses heutige Ergebnis auch auf den zweiten Blick.

Die Analyse

Der dritte Blick sagt: nur 5 von 20 Profiklubs haben die Lizenz ohne Vorbehalte, Auflagen oder Einschränkungen bekommen. Und weil RB Salzburg/Liefering letztlich ein Ding ist, sind's gar wieder nur vier. Nämlich noch die nur sportlich gebeutelte Austria Wien, das pröllgefestigte St.Pölten und - erstmals wieder ohne Finanzauflagen - Rapid Wien.

Auflagen bezüglich ungenügend geklärter Ausweichstadien-Politik (ein Punkt, der erst wegen der Grödig-Krise diesen Winter Bedeutung bekam; viel zu spät - auch kein Ruhmesblatt für die Liga) kriegen Sturm Graz, Mattersburg und eben Grödig aufgehalst - wobei eine Beeinspruchung von Sturm die Liga zwang den Begriff der "Auflage" zurückzunehmen

Die Stadion-Infrastruktur ist - in unterschiedlicher Ausprägung - bei der SV Ried, in Altach und Wolfsberg und auch Wiener Neustadt, bei Horn und dem FAC (der mit Schlimmeren rechnete) sowie Kapfenberg und Hartberg ungenügend und muss nachgerüstet und nachgebessert werden.
Dass die Bedingungen auf vielen dieser Plätze jedem internationalen Vergleich spotten und an sprichwörtliche Ostblock-Verhältnisse gemahnen, weiß jeder, der einen dieser Orte (des Schreckens; teilweise zumindest) schon einmal besucht hat.

Sich hier das Federl des tollen Fortschritts an den Hut heften zu wollen, geht an den Realitäten vorbei. Zudem relativiert der Senat 5-Vorsitzende in seinem offiziellen Kommentar die Bedeutung der eigenen Maßnahme schon wieder und entschuldigt sich quasi: "Die infrastrukturellen Auflagen für einzelne Klub-Stadien sind durch die im Vorjahr beschlossenen und erst ab Juli 2015 geltenden Stadionbestimmungen notwendig."

Die Entscheidung der UEFA ab heuer nur noch die Cupsieger, nicht mehr aber unterlegene Finalisten in den europäischen Bewerb zu lassen, lässt die Verantwortlichen der heimischen Dorf-Liga aufatmen. Das spart einiges an Peinlichkeit.

Kapfenberg und Hartberg sind auch die schlimmsten Sünder in der nächsten noch problematischeren Kategorie, die die Lizenzerteilung "mit Auflage" so zu bieten hat: die mit den Finanz-Problemen.
Die Bundesliga kommt diesmal (Rapid hat die Talsohle durchschritten, Problemboy Admira gerade andere Sorgen) ohne entsprechende Aufsicht davon, in Liga 2 werden mit Innsbruck, Austria Lustenau und den beiden Steirern 4 von 10 Vereinen unter ein strenges Kuratel gestellt. Es wird einen quartalsmäßiger Reorganisationsprüferbericht oder eine komplette Budgetüberarbeitung geben.

Was von diesen Maßnahmen die drei bereits prinzipiell akzeptierten Kandidaten aus den Regionalligen noch erwischen wird, lässt die Liga wie immer noch offen. Blau-Weiss Linz muss sowieso erst einmal Platz 2 in seiner Liga belegen um überhaupt aufsteigen zu dürfen. Parndorf und Wattens sind infrastrukturell durchaus unterentwickelt - und weil die sogenannten "Übergangs-Bedingungen" (die bislang auch ganz klassisch österreichisch genehmigte Ausreden-Plombierung für Aufsteiger) weggefallen sind.

Die sechs in der ersten Instanz durchgefallenen Vereine teilen sich in zwei Kategorien auf: die zwei Profi-Klubs bekommen eine Faustwatschn für ausgewiesene Blödheit, werden aber in der Beeinspruchung ihr Platzerl bekommen. Die vier Neubewerber hingegen kämpfen mit groben prinzipiellen Problemen.

Die Admira, die in den letzten Jahren immer mit einem Nachzipf in den Mai ging, und die Rolle des Klassen-Esels scheinbar nicht ablegen mag, und der LASK haben die Lektion, die ÖFB (über die Trainerausbildung) und die Liga den Vereinen seit einigen Monaten/Jahren vortragen/beten, ums Verrecken nicht kapiert; und provozierten die Lizenzgeber mit Übungsleitern, die die entsprechenden Voraussetzungen (Trainer-Lizenzen) nicht besitzen.

Vor allem die Admira leistete sich Unglaubliches. Der im Herbst 2013 dem lizenzlosen Trainer Oliver Lederer eh nur alibihalber vorgesetzte Walter Knaller wurde jüngstens entlassen, ohne die Folgen mitzubedenken.

Im Fall der beiden Tabellenführer der Regionalligen Ost und Mitte, Ritzing und Austria Klagenfurt stehen jüngst abgewickelte Konkurs-Verfahren im Weg, die - vor allem im Burgenland, dort auch unter Beteiligung des alten FC Tirol-Pleitiers Robert Hochstaffl, in Kärnten ist Peter Svetits der Chef... - dubios abgelaufen sind. West-Leader Austria Salzburg fällt seine außer Kontrolle geratene Fan-Base auf den Kopf - niemand will den wilden Violetten eine Stadionheimat geben. Die ebenfalls abgelehnte und darob schäumende Vienna wird es wohl sportlich eh nicht auf einen Top 2-Platz (und nur mit denen ist ein Aufstieg möglich) schaffen.

Zusammengefasst heißt das: bei 27 (bzw 26, je nach Lesart) ansuchenden Vereinen, von denen 1 bis 2 schon die sportlichen Kriterien nicht erfüllen werden, gibt es sechs Verweigerungen in 1. Instanz sowie vier schwerwiegende Finanz-Auflagen, gleich zehn steilweise haarsträubende Beanstandungen im Bereich der Stadion-Infrastruktur, und drei fahrlässig nicht bedachte Ausweich-Stadien-Zustände.

Die Liste der Ausnahmen und zugedrückten Augen ist also fast so lang wie die Anzahl der Bewerber.

Zudem hat sich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entwickelt. Während die Bundesligisten ihre Finanz-Troubles (zumindest offiziell) weitgehend unter Kontrolle gebracht haben und sich "nur noch" mit scheinbaren B-Problemen herumschlagen (zumindest wird die Stadien-Infrastruktur-Problematik bei einigen Dorfvereinen als quantité négligeable betrachtet) sind die Erstligisten zunehmend von Liquiditätsproblemen gebeutelt. Dazu kommt der Klassiker, dass Aufstiegswütige (wie aktuell Ritzing und Klagenfurt) glauben sich mit riskanten Va-Banque-Spielen aufpimpen zu müssen.

Der Vergleich

Eine strukturell vergleichbare Liga löst diesen Zwiespalt anders: in der Schweiz wird das Lizenzverfahren stufenweise unterteilt. Es gibt eine Lizenz für die Super League, die auch für die europäischen Klubbewerbe gilt (Lizenz I), dann die Lizenz II für die Super League und die Lizenz III für die Challenge League, die zweite Leistungsstufe.
Aktuell teilt sich das so auf: die aktuellen Top 8 der Schweizer Meisterschaft dürfen nach Europa, die beiden anderen aus der Super-League sowie der Leader und der aktuell 6. aus der Challenge League dürfen (sportliche Qualifikation vorausgesetzt) in der obersten Spielklasse mittun. Fünf weitere Teilnehmer der 10köpfigen Challenge League haben die Lizenz für ihre Spielklasse, dazu käme auch der überlegene Tabellenführer der (eingleisigen) 3. Liga, die alte Skandalnudel Xamax Neuchatel.

Ein anderer kürzlich nach einem Konkurs neu gegründeter Challenge League-Vereine, Servette Genf, derzeit Tabellenzweiter, hat die Lizenz im ersten Anlauf ebenso nicht bekommen wie die beiden Schlusslichter. Wenn sich nichts ändert, dann spielen die beiden Zehner-Ligen der Schweiz nächstes Jahr mit nur 18 Klubs.

Abgesehen davon garantiert das Schweizer Stufen-Modell eine Annäherung an das geschlossene Ligen-System von dem Clubchefs kleinerer Profi-Vereine mit Dauer-Angst vor dem Fall in den Abgrund seit Jahren feucht träumen: aus der 3. Liga, der Promotion League, in der sich semiprofessionelle Truppen mit B-Teams der Super-League und echten Amateuren messen, kann eh nur ein potenter, alle Auflagen umfassend erfüllender Verein wie Xamax aufsteigen. Zwei weitere Lizenzanträge (etwa der von Köniz) wurden - wegen Aussichtslosigkeit - zurückgezogen. Außerdem kann nicht jeder zufällig eine lässige Saison spielende Dorf-Verein sofort in die oberste Liga, sondern muss erschwerte Bedingungen erfüllen.

Eine solche deutlich gezogene und noch besser umgesetzte strikte Linie hätte der Bundesliga die seit Jahren schwelende Debatte um das sinkende Niveau von Infrastruktur, sportlichem Wert und provinziellen Zugängen (Stichwort: Dorfliga) erspart. Stattdessen wurschelt man weiter mit Ausnahme-Regelungen herum.

Die Qualität der Lizenzvergabe, die dahinterstehende Philosophie und praktische Umsetzbarkeit kann jedenfalls bereits mit dem ersten (logischen, nachbarlichen, wegen Ligen-Formats auch vergleichbaren) ausländischen Beispiel eindeutig nicht mithalten. ZU schwammig sind weiterhin die Ausnahme/Auflagen-Regelungen, zu entschuldigend ist der Grundton, zu wenig resolut die Wehrhaftigkeit gegen unverschämte Töne von Seiten einiger Bewerber, die die Regeln dauerbrechen.
Ist also noch ordentlich viel Luft nach oben, wenn das Lizenzierungsverfahren wirklich "eines der besten des Kontinents" werden will.