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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

29. 4. 2015 - 17:22

"Nichts ist so schön, wie ¾ kg Magazin in der Hand"

Mitten in der Medienkrise bringen sechs motivierte steirische Mountainbiker das Lines Magazin heraus, ein Mountainbike-Gravity-Magazin, das alle Stückerl spielt.

Im Actionsport-Bereich sind Print-Magazine schon länger in der Krise. Branchenprimus Factory Media hat etwa erst kürzlich alle seine 27 Printtitel eingestellt, darunter renommierte Magazine wie Onboard, Skateboard, Dirt etc. Wie kommt man vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund ausgerechnet jetzt dazu, ein neues Mountainbike-Magazin herauszugeben? Weil man's kann, wäre die Antwort der Macher des Lines Magazins. Und weil man nicht davon leben muss.

Hinter dem Lines Magazin, dessen erste Ausgabe im Herbst 2014 erschienen ist, stehen sechs junge Steirer, allesamt begeisterte Mountainbiker, die mit ihren Brotjobs alle Positionen abdecken, die man für ein Print-Magazin braucht: Fotografen, Texter, Grafiker. Sogar ein Druckereibesitzer ist unter ihnen, was das Ganze natürlich ein wenig einfacher macht.

Fünf Mountainbiker mit Rädern, Kameras und Laptops im Wald

Lines Mag/Clemens König

Lines Mag sind Christoph Berger-Schauer, Bernd Dorrong, Klemens König, Christian Lepenik, Michael Perkonigg und Roland Stuhlpfarrer

Angetrieben hat sie die Unzufriedenheit darüber, wie über Mountainbiken - speziell die Gravity Szene, also Downhill, Slopestyle und deren Variationen - in Österreich berichtet wird, nämlich kaum, trotz vieler guter FahrerInnen, tollen Events und Locations. "Es hat nur vier bis sechs Seiten in deutschen Magazinen gegeben, aber kein eigenes österreichisches Magazin, das die Szene verkörpert", sagt Christoph-Berger Schauer, Lines Chefredakteur.

2013 hat das Lines-Team begonnen, das zu ändern und an einem Konzept für ihr Magazin zu feilen. Es sollte von der Aufmachung her edel sein, vor allem abfahrtslastigen Mountainbike-Sport beinhalten und die heimische Szene besser abbilden. Wie groß der Event ist sollte dabei egal sein, solange er Spaß macht. Alle Rider sollten sich im Magazin wiederfinden, und zwar nicht nur als Objekte, sondern auch als Subjekte der Berichterstattung. Denn das Magazin sollte auch ein Community-Projekt werden, zu dem möglichst viele BikerInnen etwas beitragen können und sollen.

Die aktuelle Lines Ausgabe steckt in der Erde

Lines Mag/Clemens König

Mit einem Magazin-Dummy konnten das Lines-Team schließlich Inserenten von ihrem Konzept überzeugen, mit der Premierenausgabe vor einem halben Jahr die LeserInnen. In der zweiten Ausgabe des Magazins, die diesen Monat erschienen ist, werden diese Überlegungen natürlich fortgeführt. Sie beginnt mit einem Rückblick auf Winter-Events von Innsbruck bis zum Semmering und einem Ausblick auf die Bike-Festivals des Sommers, lässt bekannte Rider wie Hannes Slavik oder "Mote" Stonig als Gastautoren ihre Saison beschreiben oder porträtiert die Wicked Ruffneck Crew aus Vorarlberg.

Kernstück eines Printmagazins, das nur drei Mal im Jahr erscheinen wird, kann natürlich nicht Ergebnisberichterstattung sein, sondern die langlebigeren Geschichten. In der aktuellen Ausgabe sind das etwa eine Reisereportage nach Bali, oder die Antwort auf die Frage nach dem ungewöhnlichsten Ort zum Mountainbiken: ein Atomkraftwerk.

Mit dem Bike in Zwentendorf

Ein Fotoshooting in einem Atomkraftwerk würde sicher niemals durchgehen, denken sich Christoph Berger-Schauer und seine Redaktionskollegen, doch überraschenderweise sagen die Betreiber des nie in Betrieb gegangenen AKWs Zwentendorf zu. Gemeinsam mit den Ridern Alex Kurz, Daniel Schemmel und Eric Walenta dürfen sie sich in den über 1.000 Räumen des AKWs austoben, Wallrides auf Turbinengehäusen machen, Sprünge über gigantische Laderampen oder Drifts im Reaktorraum.

Nicht nur die Rider waren ob dieser Session aus dem Häuschen. Auch Fotograf Klemens König bekam große Augen bei dieser dankbaren Location mit Eyecatcher-Motiven, die man sonst nie vor die Linse bekommt, eine 500 Tonnen-Saugglocke etwa oder einen 125 Tonnen Deckenkran. Doch ganz so einfach war das Fotografieren im Kernkraftwerk dann doch nicht, wie Klemens König erzählt, "weil die ganzen Stahlverbauten, die saugen einfach jedes Signal auf, das die Kamera an irgendeinen Blitz sendet, und dann stehst du auf einmal im Dunkeln und weißt nicht warum." Mit ein bisschen Improvisieren hat es schlussendlich doch ganz gut funktioniert.

Das spezielle Print-Erlebnis

Die Zwentendorf-Episode in der aktuellen Lines-Ausgabe zeigt auch ganz gut, warum sich die Magazin-Macher für Print entschieden haben. Im Heft sind diese acht Seiten auf komplett anderem Papier und in komplett anderen Farben gedruckt, schwarzweiß mit Orange drüber. Schon beim Durchblättern fühlt man den Unterschied. "Über Druck kann man was anders vermitteln", sagt Klemens König und streicht die Langlebigkeit des Magazins, sowie seinen visuellen und haptischen Erlebnischarakter hervor. Letzterer beginnt übrigens schon beim Einband, der speziell gummiert ist und sich ein bisschen wie ein Mountainbike-Reifen anfühlt. Alles andere als ein Wegwerfprodukt, sondern etwas fürs Regal.

Was noch für Print spricht ist die Endgültigkeit einer Geschichte. "Ich bin der Meinung, dass man sich für Print ein bisschen mehr anstrengt", sag Christoph Berger-Schauer, weil man sich ziemlich sicher sein müsse, dass alles passt, wenn man ein paar tausend Exemplare drucken lässt. Dafür ist dann "kein Gefühl so schön, als wie man einen dreiviertel Kilo Magazin in der Hand hat", die Motivation für Monate harter Arbeit und Entbehrungen. Dass Factory-Media, das weltgrößte Actionsport-Medienhaus alle ihre Printtitel einstellt, darunter auch das Mountainbike-Magazin, können Christoph und Klemens nicht ganz verstehen, sehen es aber als Chance, um neue LeserInnen für sich zu gewinnen.

100% idealistisch

Mit den Inseraten und Magazinverkäufen können die Lines-Macher die Druck- und Vertriebskosten bezahlen. Reich werden, oder von der Arbeit für das Magazin leben, können sie wohl auch auf längere Zeit nicht. "Es ist ein Goodwill-Projekt, wo wir uns selber austoben können, und in das wir sehr viel Herzblut stecken, aber es ist zu 100% idealistisch", sagt Christoph Berger-Schauer, und zu kommerziellen Bedingungen könnten sie es nicht produzieren.

Wäre die erste Ausgabe gefloppt, wäre es für niemanden ein Beinbruch gewesen, sondern eben eine extrem aufwendige Visitenkarte, die einem für den weiteren Karriereweg hilfreich sein kann, etwa für Klemens König, dem die Arbeit für das Lines auch eine Tür in die professionelle Sportfotografie geöffnet hat, wo die Dichte an FotografInnen besonders hoch ist. Aber das Lines ist bisher ohnehin eher eine Erfolgsgeschichte. Die Resonanz der Community auf die erste Ausgabe war super, erzählen Klemens und Christoph, was ihnen wieder Motivation zum Weitermachen gibt. Drei Ausgaben wollen sie jedes Jahr herausgeben, und das sollte sich auch ausgehen, wenn alle so hinter dem Magazin stehen wie Christoph Berger-Schauer: "Lines würde ich mir sogar tätowieren lassen."