Erstellt am: 28. 4. 2015 - 15:14 Uhr
Back to the Classics
Wenn bloß das Wort "eigentlich" nicht wäre. Eigentlich hat der deutsche Dorfpunk, Autor und Schauspieler Rocko Schamoni vor gut zehn Jahren seine Karriere als Alben produzierender Musiker für beendet erklärt. Warum es Ende Mai nun doch ein neues Werk namens "Die Vergessenen" geben wird und warum das eigentlich gar nicht geplant war, dafür und deswegen habe ich "King Rocko" in Berlin zum Interview getroffen.
Christian Lehner
DER MOND
Und die Sonne geht auf,
und die Erde geht unter,
ganz oben steht der Mond.
Und er schaut jeden Tag auf die Erde herunter;
von seinem Blick bleibt nichts verschont.
Hallo Freunde, ich bin der Beobachter.
Ich stehe lautlos hier ganz oben und bin einfach da.
Ich habe nichts zu sagen,
ich will kein Urteil geben.
Ich sehe nur dabei zu wie die Dinge kommen und gehen.
Jede neue Mode lässt mich innen völlig kühl
und selbst der Armstrong hat mich äußerlich nur aufgewühlt.
Ich schau auf euch herab und spür die Zeit vergeht,
hier oben gibt es welche, die das auch nicht anders sehn.
Ich hoffe nicht, ihr denkt, mir sei das alles ganz egal,
es ist nur so, dass ich mir nichts mehr mache aus der Wahl.
Ich bin aus Stein gebaut, und doch wie Luft so frei,
ich bin der Stumme Zeuge, ich bin überall dabei.
Ich habe keine Meinung, wenn sich jemand schlecht benimmt,
und wenn er Gutes tut, dann ist das gut bestimmt.
Ich wünsch mir einzig und allein, dass ich dabeisein darf,
ich muss es sehen, denn ich bin der Beobachter.
Und die Sonne geht auf,
und die Erde geht unter.
Und er schaut jeden Tag
auf die Erde herunter.
Und die Sonne geht auf,
und die Erde geht unter.
Un der schaut jeden Tag
auf das Erbe herunter.
Dreißig kurzweilige Minuten ging es um Folgendes: unzuverlässige Theateraufträge, die in eine ungeplante Albumproduktion münden, mühsames Crowdfunding, Angela Merkels Marmorseele, Manfred Krugs schnoddrige Melancholie, sperrigen BRD-Wave im geschmeidigen Philly-Soul-Mantel und noch so einige Hauptwörter mit Adjektiven vorne dran. Aber dazu soll an dieser Stelle noch nicht allzu viel verraten werden, denn es ist ja noch eine gute Weile hin zum Release von "Die Vergessenen" Ende Mai featuring orchestrale Coverversionen von FSK, Ton Steine Scherben, Hildegard Knef, Lassie Singers und anderen.
Reden wir also über ihn. Den Mond. Den möglicherweise größten Schlager-Hit (oder Hit-Schlager) der FM4-Geschichte.
Ist es das Bläser-Intro? Eine Mischung aus Alpenglühen, Soul-Searching und Mexicana, das uns sanft in den Himmel hebt, direkt bis zur Sichel des Mondes? Ist es der Engelschor, der uns versichert, dass wir es hier mit einem überirdischen Moment zu tun haben und wie zum Beweis interplanetarische Verkehrsmeldungen funkt? Oder Mr. La-Le-Lu himself, der im Kontrast zu all dieser Herrlichkeit eine eher nüchterne Bilanz über das Gezeter da unten auf dem kleinen, blauen Planeten zieht und in seine Lieblingsrolle, der des passiven Beobachters, schlüpft.
Was ist der Hintergrund des Stücks? Der Text ist weniger herzerwärmend als die Melodie.
Rocko: "Die Initiation kam von meiner Zeit im Pudel Club. Da gab es immer wahnsinnige, politische Streitereien. Zum Beispiel, ob man nach der Maueröffnung mit sogenannten Wohlfahrtsausschüssen in den Osten fahren sollte, um gegen den aufkeimenden Faschismus zu kämpfen und um den Kommunismus dort nicht ganz aufzugeben und solche Sachen. Diese Grabenkämpfe waren so enervierend, anstrengend und auch beleidigend, dass ich zu dem Entschluss gekommen bin, das zwar auch weiterhin zu verfolgen, aber bitte fragt mich nicht mehr nach meiner Meinung. Ich bin der Beobachter. So ist der Song entstanden."
"Der Mond" gilt als Dauerbrenner unter den FM4-Hörerchens. Hast du den Song auch live noch immer im Repertoire?
Rocko: "Ich hab ihn erst letzte Woche während der Tour gespielt zusammen mit einem Backing von TLCs Waterfalls. Das sind die gleichen Harmonien und es passt perfekt übereinander. Das Publikum ist in diesem Moment immer total verwirrt. Was covert der jetzt TLC? Aber es ist perfekt. Zuerst kommen die Bläser rein, dann der Chor und das vermengt sich ganz toll. Die Idee stammt übrigens von DJ DSL, dem besten DJ von Wien, der jahrelang in Hamburg gelebt hat und der jetzt wieder zurück nach Wien zieht."
Die 1999 aus dem Album "Showtime" ausgekoppelte Version (es gibt mehrere davon) erweist sich bei der werten Hörerschaft bis heute als Dauerbrenner und gern gewünschter Song diverser Wunschprogramme und Phone-Ins. Ich versteige mich sogar zu der Behauptung, dass "Der Mond" in Schnitzelland die erste Assoziation ist mit dem Namen Rocko Schamoni. Als ich vergangene Woche nach dem Interview das obrige Foto auf Facebook gepostet hatte, bildete sich in den Comments sofort eine kleine Schlange mit dem fortgesetzten Refrain des Songs. Lackmustest bestanden.
Das neue Rocko Schamoni Album "Die Vergessenen" erscheint am 22. Mai auf Staatsakt Records. Der Mond wird auch weiterhin hell über unseren Köpfen leuchten.