Erstellt am: 29. 4. 2015 - 16:59 Uhr
Blicke, Witze, unterstelltes Nichtkönnen
Eine der letzten Taten der jetzt scheidenden ÖH-Exekutive war es, erstmals eine großangelegte Studie zu Diskriminierungserfahrungen von Studierenden in Österreich in Auftrag zu geben. 3660 Uni- und Fachhochschul-StudentInnen wurden dabei online nach ihren Erfahrungen mit Diskriminierungen wegen Geschlechts, sexueller Orientierung oder Herkunft befragt. Diskriminierung kann dabei vieles bedeuten: Verbale Angriffe oder zweideutige Witze ebenso wie stereotype Darstellungen in Lehrmaterialien, schlechter Zugang zu Ressourcen, aber auch den Ausschluss von sozialen Aktivitäten, unangemessene Berührungen oder Gewalt.
Fast ein Viertel der Befragten gab an, auf der Uni schon einmal diskriminiert worden zu sein: Frauen mit 27 Prozent etwas öfter als Männer (18 Prozent).
LGBT-Personen erleben mit 31 Prozent überdurchschnittlich oft Diskriminierung. Bei Diskriminierung nach der Herkunft sind es vor allem Studierende aus Nicht-EU-Ländern, die am meisten Benachteiligung erfahren.
Drittstaatsangehörige
Die Studie vom IHS in der Vollversion:
Diskriminierungs- Erfahrungen von Studierenden
(PDF-Dokument)
Die Studie hat einen Schwerpunkt auf sogenannte Drittstaatsangehörige gelegt. Sie müssen besonders viele bürokratische Hürden überwinden, bis sie überhaupt in Österreich zum Studium zugelassen werden. Oft fehlen ihnen wesentliche Infos, welche Dokumente in welcher Form zugelassen werden. Und sie haben Probleme mit der Anrechnung bereits absolvierter Prüfungen, Kurse und Leistungen.
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Informationen, was in welcher Form anerkannt wird, sind oft unvollständig oder widersprüchlich. Oder nur auf Deutsch vorhanden. Außerdem muss man Vermögen besitzen, mit dem man bis zu einem Jahr in Österreich überleben könnte. Trotzdem haben Studierende aus Drittstaaten überdurchschnittlich oft finanzielle Schwierigkeiten: Weil sie einerseits hohe Studiengebühren zahlen und andererseits nicht oder nur eingeschränkt hier arbeiten dürfen. "Das ist auf zehn Wochenstunden im Bachelor und zwanzig Wochenstunden im Masterstudium beschränkt", sagt Kanita Halkič vom ÖH-Referat für ausländische Studierende.
Ausländische Studierende
"Studierende, die Deutsch als Muttersprache haben, wollen mit den Ausländern keine Arbeitsgruppen bilden. Ich bin ständig ausgeschlossen, obwohl ich nicht dümmer bin! Keiner will was mit mir zu tun haben!", so ein Zitat aus dem offenen Frageteil der Studie. Direkte Diskriminierung erfahren ausländische Studierende eher von Kommilitonen als von Lehrenden - das ist eines der zentralen Ergebnisse der Studie.
Was sie aber auch zeigt: Je mehr direkten Kontakt es zwischen ausländischen Studierenden und autochthonen gibt, desto weniger Ressentiments gibt es. So sind fremdenfeindliche Einstellungen an den Kunstunis, wo es besonders viele Studierende aus Drittstaaten gibt, am niedrigsten. Am höchsten sind sie an rechtswissenschaftlichen Unis, wo es am wenigsten ausländische Studierende gibt.
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Gender-Diskriminierung
Ein weiterer Satz aus dem offenen Frageteil der Studie:
"Bei der Einsichtnahme sagte der Lehrende, dass Frauen ohnehin nicht Mathematik studieren sollten." Nicht jede Erfahrung mit Diskriminierung ist so konkret: Im Uni-Alltag ist das oft subtiler. In der Studie ist die Rede von verbalen Angriffen oder zweideutigen Witzen, dicht gefolgt von Zuschreibung des Unvermögens wie im obigen Zitat.
Dabei erfolgt eine Diskriminierung nach Geschlecht eher von Lehrenden als von Mitstudierenden und am häufigsten auf Kunst- bzw. Musikunis. Die Studienautorinnen führen das auf den Unterricht in Kleingruppen zurück und dass es hier noch das Meisterklassenprinzip gibt. "Gerade auf den Musikunis war es da am schlimmsten", sagt Viktoria Spielmann vom ÖH-Vorsitzteam. "Da gibt es oft Einzelunterricht. Und im Zuge dessen passieren dann Berührungen, die man eigentlich nicht möchte."
Sexuelle Orientierung
Ein Drittel der Homo/Bi/Trans/Inter*-Studierenden gibt an, dass sie schon einmal Diskriminierung erfahren haben. Dabei geht es oft um Sprache, aber auch hier um Darstellung in Lehrmaterialien oder Witze. Hier werden nicht nur Lehrende oder Mitstudierende als Diskriminierende angegeben, sondern auch Bibliotheks- und Mensa-Personal.
Was tun?
Für das ÖH-Vorsitzteam zeigen die Ergebnisse der Studie einen Handlungsbedarf. Viktoria Spielmann fordert Anlaufstellen für Studierende, wo sie ihre Erfahrungen melden können. Andere Möglichkeiten wären Arbeitskreise für Gleichbehandlung an allen Unis einzuführen und Lehrmaterialien auf stereotype Bilder hin zu durchforsten. Umsetzen kann das - wenn überhaupt - dann die neue ÖH-Führung, die jetzt bald gewählt wird: Nämlich von 19. bis 21. Mai auf allen Unis, FHs und anderen Hochschulen.