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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

28. 4. 2015 - 13:26

German Angst!

Beim /slash einhalb Festival treffen sich heuer Größen des deutschsprachigen Horrorkinos. Wie es um das Genre zwischen Berlin, Wien und Tirol bestellt ist, darüber plaudern wir im Trio Infernal.

Christian: Es sei Fans des heftigen Gänsehautkinos verziehen, dass sie bei wohligen Schocks und heftigen Erfahrungen als erstes an Filme aus angloamerikanischen Gefilden denken. Oder parallel an italienische Giallo-Thriller, spanische Untote oder den New French Extremism der Pariser Bilderstürmer. Horrorkino aus deutschsprachigen Ländern, gibt es das überhaupt? Floriert das im Underground zwischen Berlin und Wien? Oder tut sich nicht vor allem in letzter Zeit viel Heftiges diesbezüglich? Sebastian Selig und Thomas Groh, ich darf euch vor dem virtuellen Kamin begrüßen, was fällt euch als erstes zu dem Thema ein?

Sebastian Selig lebt im Kino und schreibt darüber in seinen Netzwerken wie auch in so bunten Magazinen wie Hard Sensations, NEGATIV oder der Deadline. In diesen Zeiten des cinephilen Auf- und Umbruchs will er sich nun noch intensiver für ein aufregendes Kino in Deutschland und Österreich stark machen und mit ansteckender Begeisterung zukünftig noch weiter verbindend wirken.

Sebastian: Tatsächlich hat in den vergangenen Jahren global gesehen wohl nichts mehr an meinen Nerven gerüttelt, mir mit solcher Wucht den Boden unter den Füßen weggezogen, wie der im sommerlichen Wiener Umland in furchtloser Konsequenz aus dem Boden geschossene und zu Recht mit Preisen überhäufte "Ich seh Ich seh". Wahrlich unfassbar intensives Horrorkino vom Allerfeinsten. Blick ich etwas weiter zurück, so muss ich dann natürlich sofort auch an die beiden "In 3 Tagen bist Du tot"-Filme, wie auch den ebenso starken "Blutgletscher" denken. Das sind schon allesamt Ausnahmefilme, die sich durchaus mit den größten internationalen Gänsehaut-Werken messen lassen können.

C: Ich stimme in die Begeisterung ein, du hast ein wenig den österreichischen Genre-Aufbruch der letzten Jahre auf den Punkt gebracht. Wie sieht es denn bei euch in Deutschland aus?

S: Auch hier schlagen ja nun mehr und mehr ziemlich rabiate Wunder irgendwo zwischen Kunst und Terrorkino auf. So hat beispielsweise Till Kleinert mit "Der Samurai" erst kürzlich in der Provinz, dort wo noch der böse Wolf durch den Wald streicht, das Rot sehr ausgelassen, bildgewaltig und vielschichtig gen Himmel schießen lassen. Und dann sei natürlich auch nicht Katrin Gebbe vergessen, die gerade erst mit "Tore Tanzt" ganz wunderbar grenzüberschreitend aufregende Spuren hinterließ.

Thomas Groh aus Berlin schreibt für Zeitungen und Zeitschriften über Filme, gleichgültig ob in Print oder Web. Er interessiert sich für Kino abseits des Kanons und eigenwillige ästhetische Entwürfe. Wenn er den Feuilletons Subversion unterheben und dem Aktualitätenbetrieb die Filmgeschichte entgegen halten kann, ist er glücklich.

Ich seh Ich seh

Stadtkino Verleih

Ich seh Ich seh, R: Veronika Franz, Severin Fiala

Stumme Schrecken und grausame Puppen

Thomas: Der deutschsprachige Horrorfilm - der große Untote im europäischen Genrekino, eine Außenseitergeschichte voller abgebrochener Traditionslinien und sporadischer Phasen von Reanimationsversuchen, die immer wieder auch aufregende Solitäre hervorbringen. Dafür sind die von Dir aufgezählten schönen Beispiele der beste Beweis, Sebastian.

C: Tatsächlich sind all die bislang genannten Filme sehr aktueller Natur. Ich wage allerdings schon von einer cineastischen Wüste im deutschen Sprachraum zu sprechen, in der einzelne Oasen aufflackern, in denen das Wasser blutgetränkt in der Sonne glitzert. Zwischen strengen, oftmals bewusst spröden Autorenfilmzugängen auf der einen Seite und massenkombatiblem Komödienkino auf der anderen Seite hatten und haben es derbe Genrestreifen schwer.

T: Dabei hatte die Geschichte ja gut angefangen. Stummfilmklassiker wie "Nosferatu", "Das Kabinett des Dr. Caligari", "Der Student von Prag" und der "Golem" bildeten den Nährboden, Talente wie der Kameramann Karl Freund reüssierten später bei der Universal, für die auch der spätere B-Movie-Maverick Edgar Ulmer, der als Szenenbildner beim "Golem" anfing, den tollen Karloff/Lugosi-Film "The Black Cat" inszenierte. Weniger bekannt sind "Unheimliche Geschichten" (1919), "Orlacs Hände" (1924) oder "Ramper, der Tiermensch" (1927), die die Konjunktur des Horrorkinos made in Weimar belegen.

C: All diese und andere deutsche Stummfilme sind ja immer noch die fruchtbare Erde, aus der im zwanzigsten Jahrhundert unzählige Blumen des Bösen erblühten und die Leinwand überwucherten.

T: Carl Theodor Dreyers poetisches Meisterwerk "Vampyr" (1932) und Fritz Langs grandios gespensterhafter "Testament des Dr. Mabuse" (1933) markieren dann schon den künstlerischen Höhe- und Schlusspunkt: Die Nazis bannten das Grauen aus dem Kino und holten ihn ins reale Leben. Ein Einschnitt, von dem sich der hiesige Horrorfilm nie wieder erholen sollte. "Die Nackte und der Satan" (1959), "Die Schlangengrube und das Pendel" und "Das Rasthaus der grausamen Puppen" (beide 1967) begründeten als goldene Ausnahmen keinen neuen Genre-Zyklus.

Die Schlangengrube und das Pendel

Constantin

Die Schlangengrube und das Pendel, R: Harald Reinl

Hexenjagd im Lungau

C: Ja, leider floppten diese Versuche so etwas wie ein deutsches Gänsehautkino in den Sixties zu etablieren. Besonders der unterschätzte "Winnetou"-Regisseur Harald Reinl bemühte sich auf charmante Weise den B-Movie-Spirit eines Roger Corman oder der britischen Hammer-Productions zu folgen, resignierte aber letztlich.

T: Stattdessen überwinterte das Genre im German Krimi: Die Edgar-Wallace- und Mabuse-Filme der 60er zehrten vom Horrorfilm, ohne sich ihm eindeutig zurechnen zu lassen. Horror findet dann vor allem im "Europudding" der Co-Produktionswelle statt, aber auch im Autorenfilm: "Jonathan" (Geißendörfer, 1970), "Traumstadt" (Schaaf, 1973) und "Nosferatu" (Herzog, 1980) führen das Trivialgenre Horror wieder der Filmkunst zu, während Peter "Kottan" Patzak in Österreich noch den tollen "Parapsycho" vorlegt.

C: Nicht zu vergessen die hemmungslose Hexenjagd, die in österreichischen Wäldern in den 70er Jahren stattfand! Glücklicherweise nur filmisch inszeniert und mit europäischen Geldern finanziert.

S: Ja, dieser wundervolle Moment in der österreichischen und deutschen Filmgeschichte, als in den 60ern und 70ern das Bahnhofskino regierte! Was für zwei berstend lebendige Jahrzehnte des Schunds, der ungezügelten Lust auf Freiheit. Schier unerschöpfliche Schatzkammern wurden dort befüllt, die wir uns ja erst nun wieder Stück für Stück mit all ihren Wundern gerade erst anfangen wieder zu erschließen.

C: Da wird in mehrerer Hinsicht eifrig geforscht, stimmt.

S: Hier in Österreich dank so verwegener Bewegungen, wie dem Institut Schamlos mit "Austrian Pulp" auf der Diagonale oder der internationalen Konferenz in Lungau im letzten Jahr zum österreichischen Pulp-Meisterwerk "Hexen bis aufs Blut gequält". In Deutschland wiederum macht sich in den letzten Jahren insbesondere das mysteriöse "Hofbauer Kommando" mit seinen Sagen umwitterten Kongressen sehr verdient oder so wundervolle Einrichtungen, wie das "Besonders Wertlos Festival" in Köln, ein Filmfestival rund um den "Deutschen Psychotronischen Film", wie sie es programmatisch selbst nennen.

Hexen bis aufs Blut gequält

Arabella Film

Hexen bis aufs Blut gequält, R: Michael Armstrong, Adrian Hoven

Avantgardeschocks und Amateursplatter

C: Okay, ab den 80er Jahren waren alle Versuche, soetwas wie ein kommerzielles und ansatzweise mehrheitsfähiges Horrorkino im deutschen Sprachraum durchzusetzen, erstmal Geschichte. Die Zensur zog die Schrauben enger, Produzenten ließen sich auf schaurige Stoffe nicht mehr ein.

T: Nur folgerichtig, dass die damaligen Expeditionen ins filmische Schattenreich oft in Sichtnähe zu Kunst, queerem Kino und Avantgarde stattfinden: Gerald Kargls "Angst" (1983), Marianne Enzensbergers "Der Biss", Rosa von Praunheims "Horror Vacui" (beide 1984), Robert Sigls "Laurin", Jörg Buttgereits "Der Todesking", Georg Tresslers wahnwitziger Alpenfilm "Sukkubus" (alle 1989), aber auch Maniker wie Christoph Schlingensief und Carl Andersen collagieren die Trümmer des Genres auch unter den Eindrücken der erstarkenden Undergroundkultur neu. Parallel entsteht die Amateurszene rund um Autodidakten wie Andreas Schnaas oder Olaf Ittenbach, zu der ich allerdings eher ein gespaltenes Verhältnis habe.

C: Für mich ist diese Szene des zwar ambitionierten, aber leider meist komplett seelenlosen Heimfilm-Horrors, der endloses Laiendialog-Geschwurbel mit Extremsplatter aus der Hobby-Abteilung verbindet, eindeutig ein (blut-)rotes Tuch.

S: Mich lässt das auch kalt. Rein nur in Eingeweiden zu wühlen und über ausschweifende Gewaltdarstellung etwas pubertär die Provokation zu suchen, provoziert längst nur noch müdes Augenrollen. Erst recht, wenn man es dann sogar nur ironisch meint.

C: Einer, der es nicht ironisch meinte, der aber völlig ungerechterweise bisweilen dieser Ecke der derben Dilletanten zugerechnet wurde, ist Jörg Buttgereit. Dabei zielte der Berliner Regisseur mit Werken wie "Schramm", "Der Todesking" und den beiden "Nekromantik" Teilen nur nach außen auf die Schlüsselreize des Horrorkinos ab. Unter der Oberfläche der extremen Low-Budget-Produktionen eröffnen sich jedoch klaffende künstlerische Abgründe, weit abseits der üblichen Schock-Klischees. Und jetzt, nach einer ewigen Spielfilmpause, in der er Theaterstücke, Hörspiele, Bücher und Dokumentationen produzierte, meldet sich Jörg Buttgereit zurück. Allerdings nur als Teil eines diabolischen Regiegespanns, des wahren Trio Infernal. Vorhang auf für "German Angst."

German Angst

Kosakowski Films

German Angst, R: Jörg Buttgereit, Michal Kosakowski, Andreas Marshall

Der Tod ist ein Meister aus Deutschland

"German Angst" wird am 29.04. beim /slash einhalb Festival im Wiener Filmcasino gezeigt, die österreichische Uraufführung erfolgte beim Crossing Europe in Linz.

S: Dieser Berlin-Film der ganz anderen Art wird nun am Mittwoch den dunklen Raum des Filmcasinos beim diesjährigen /slash einhalb mit Terror wohl regelrecht fluten. "German Angst" setzt sich aus drei Segmenten der keiner Konfrontation aus dem Weg gehenden Filmemacher Jörg Buttgereit, Michal Kosakowski ("Zero Killed") und Andreas Marshall ("Mask"). Wie habt ihr den Film erlebt?

T: Wagemutig, konzentriert, keine Kompromisse: Insbesondere Buttgereits Rückkehr auf die große Leinwand fällt grandios aus. Ein düster schwelendes, unbehagliches Kammerspiel ohne ein Gramm Fett - zudem ästhetisch so atemberaubend souverän in Szene gesetzt, dass es einen nochmal richtig schmerzt, dass "Butti" dem Kino so abhanden gekommen ist.

S: Ich bin auch ungemein begeistert, wie kinogerecht filmisch gerade der erste Teil von Jörg Buttgereit ausfällt. Da werden ständig Bilder entworfen, wie das eben so nur im Kino möglich ist. Ganz nah ran geht die Kamera und lässt Meerschweinchen- wie auch Mädchen-Augen dunkel und unruhig über die Leinwand flackern. Auch wie sich die Kamera daraufhin den Raum, diese herrlich unheilvolle Berliner Hinterhof-Wohnung erschließt, hat mir sehr gefallen.

C: Ich schließe mich der großen Begeisterung an und hoffe nach diesem dunklem Teaser auf einen neuen Langfilm von Buttgereit.

T: Kosakowski wühlt unterdessen beherzt mit den Mitteln des Pulps im Schmutz der deutschen Geschichte, während Marshall das dekadente Berlin der Goldenen Zwanziger im Hier und Jetzt wieder auferstehen lässt - ausgehend vom deutschen Stummfilmexpressionismus und über einen Umweg über das manische Cine-Italien. Im Vorbeigehen begegnet man dabei sogar noch Jess-Franco-Ikone Katja Bienert, was mich besonders gefreut hat.

S: Der zweite Alptraum, welchen Michal Kosakowski abbrennt, der war mir fast zu heftig. Da fühlte ich mich schon sehr grenzüberschreitend gequält. Einer gnadenlosen Gewalt ausgesetzt, der ich irgendwann gerne entkommen wäre. Schön dann mit Andreas Marshall zuletzt noch auf einer ungehemmten Party zu landen und dort am Ende von "German Angst" mystisch schönen Frauen zu verfallen.

T: Fazit: Wenn sich ein deutscher Horrorfilm so gezielt den deutschen Vergangenheiten stellt - ob reale oder Filmgeschichte - und dabei noch so stil- und formbewusst auftritt, so ist das nur zu begrüßen. Und dem touristisch repräsentativ auf sauber getrimmtem Postkarten- und Werbespot-Berlin der letzten Jahre wird dabei noch ein sitzender Faustschlag verabreicht. So ist es schön, so soll es sein.

German Angst

Kosakowski Films

German Angst, R: Jörg Buttgereit, Michal Kosakowski, Andreas Marshall

Zombies die Zähne ziehen

S: Lasst uns das via Crowdfunding realisierte Experiment "German Angst" aber vielleicht zum Anlass nehmen, etwas genauer auf die Produktionsbedingungen zu blicken, unter denen bei uns heute "Horrorfilme", dergestalt nachtschwarze Blumen im Förder-Dschungel überhaupt gedeihen.

T: Entbehrungen und Idealismus sind die Stichwörter. Oder der Blick auf den internationalen Heimmedien-Markt, wo sich eine günstige Produktion über Lizenzierungen unter Umständen auch dann amortisieren kann, wenn ihr das zuhause nicht gelingt. Wovon auch auszugehen ist: Wer in Deutschland und Österreich Horrorfilme dreht, weiß, auf was er sich einlässt. Auf Fördermittel oder Unterstützung durch die Fernsehanstalten braucht man dabei nicht hoffen. Marvin Krens vom ZDF co-produzierter Zombiefilm "Rammbock" war hier die große, wenn auch sehr gelungene Ausnahme, auf der sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk bislang allerdings auch ausruht.

C: Im ORF gab es Mitte der Nullerjahre das Projekt 8x45, wo man acht Regisseuren die Chance gab, ihren kleinen Mysterythriller zu drehen. Schade dass die Idee nicht weiterverfolgt wurde, auch wenn die Ergebnisse bisweilen recht bieder und brav wirkten.

T: Auf der anderen Seite bedeutet der Verzicht auf öffentliche Gelder bei Horrorfilmen auch, dass eben einem nicht ein Redakteur in die Suppe spuckt, der im Zweifelsfall auf die Narkotisierung des Publikums abzielt, nach dem Motto: "Bloß keine erbosten Zuschauerreaktionen provozieren!" Einem Film wie "German Angst" hätte das ZDF die Zähne jedenfalls schon zu ziehen verstanden.

S: Gelingt einem hier mit ganz viel Herzblut und unter denkbar schwierigsten Umständen doch noch ein fantastischer Film, so kann man sich im deutschsprachigen Raum leider nicht unbedingt eines entsprechend offenen Publikums sicher sein. Zu festgefahren, zu unbeweglich erlebe ich hier leider die Reaktionen, mit denen dann leider immer wieder zu rechnen ist. Ich meine, da schon eine stark vorverurteilende Grundhaltung der deutschen, scheinbar wohl leider nur wenig neugierigen Nerdszene wahrzunehmen, die ganz sicher nicht leicht zu durchbrechen ist.

filmstill aus dem film "rammbock"

rammbock.koprax.at

Rammbock, R: Marvin Kren

Erziehung zur Exploitation

C: Stimmt, sehr viele der von uns erwähnten Filme waren und sind alles andere als Kassenschlager. Aber es gibt doch bei euch einen Versuch, diese Mauer der Ignoranz zu durchbrechen oder?

S: 2013 schlossen sich in Deutschland ein paar Filmemacher zu der Bewegung "Neuer Deutscher Genrefilm" zusammen, die, so scheint es mir, sich nun vor allem in deutlicher Abgrenzung zu einem künstlerischen Ansatz im Kino positionieren. Da träumt man von einem Kino, das erst einmal nur die Erwartungen der Fans erfüllen und einfach nur unterhalten will. Den Regelbruch, die Konfrontation, die ja für den Horrorfilm ganz entscheidend sind, scheint man hier eher leider noch zu scheuen. Erst einmal will man sich die Liebe der Zuschauer damit verdienen, dass man alles richtig macht.

T: Ich bin da zwiegespalten. Wenn gute Filme entstehen - bitte. Überzeugen konnten mich da bislang allerdings nur wenig. Und ich weiß auch nicht recht, ob deutschsprachiges Genrekino bereits einen Wert an und für sich darstellt. Genrekino ist mehr als Knarre, Vampir oder UFO. Genre bedeutet Arbeitskontinuität und populäres Kino, einen Vertrag zwischen Publikum und Produktion. Wenn man die Zuschauer zum Genre erst erziehen oder als Lobbyist in eigener Sache trommeln muss, stimmt da was nicht.

C: Da hast du definitiv recht, das wirkt ja wie eine perverse Umkehrung der Bildungsbürger-Fantasie vom edlen und feinsinnigen Erziehungskino.

T: Unter anderem führt das dann dazu, dass an jeden einzelnen Genrefilm Erlösungsfantasien geknüpft werden: Der muss dann gleich unbedingt das Genre retten und eine Trendwelle in Gang setzen. Genre-Filme sind aber, bildhaft gesprochen, Söldner-Filme, keine Jesus-Filme. Mit klassischen Genrebedingungen - unter denen Filme eben im Rudel kommen, aus dem fünf mies, zwei gut und drei hervorragend sind - hat das nichts zu tun. Einem herbeilaborierten Genrekino stehe ich deshalb eher skeptisch gegenüber.

In 3 Tagen bist du tot 2

Allegro Film

In 3 Tagen bist du tot 2, R: Andreas Prochaska

Nicht allein im großen, dunklen Kinosaal

C: Um unsere Rundreise durch den deutschen Horror und seine Geschichte nicht mit Skepsis zu beenden, worauf freut ihr euch denn in naher Zukunft diesbezüglich? Und wird das Problem mangelnder Zuseherzahlen zu überwinden sein?

T: Ich sehe natürlich das Problem, dass mit Horror hierzulande erstmal wenig im Kino zu reißen ist. Als alternatives Vertriebsmodell ist "Direct to DVD" von daher vielleicht eine gute Überwinterungsmöglichkeit für das Genre. Dennoch: Gerade der Horrorfilm braucht den großen, dunklen, unfamiliären Raum des Kinos, das Ausgeliefert-Sein vor der Leinwand, das Erlebnis, den Film in einer Masse zu sehen, mit der Gewissheit, im Anschluss noch durch die Nacht nach Hause gehen zu müssen.

C: In Österreich stecken kommerziell einige Hoffnungen in "Attack of the Lederhosenzombies" vom jungen Regisseur Dominik Hartl. Was sich nach überironischem Zugang anhört, wird laut meinem FM4-Kollegen Markus Keuschnigg, der das Set besuchte, aber eine feiste ZomCom, die auf perfekte Bluteffekte und bösen Witz setzt. Inklusive der großartigen Ulrich-Seidl- Margarethe Tiesel. Ihr sehnt euch aber nach strengeren Zugängen oder?

T: Schon Buttgereits beinahe meditative "German Angst"-Episode wirkte auf mich fast schon so wie "Berliner Schule goes Cinema of Transgression" - sehr gut. Aber auch Christian Petzolds Filme suchen ja immer wieder das Gespenstische und stehen dem klassischen Genrekino näher, als mancher Horrornerd das glauben mag. Auch Christoph Hochhäusler, ein ästhetisch beeindruckend souveräner Filmemacher, arbeitet immer wieder mit Uneindeutigkeiten und Unübersichtlichkeiten, also dem Nährboden des Unheimlichen, und öffnet seine Filme Richtung Genre.

S: Die Hoffnung, dass gerade aus der Richtung bald noch mehr kommen wird, teile ich. Ich wünsche mir da ein ganz aus unserer eigenen Architektur aufsteigendes Grauen, das nicht meint, sich mit lahmen Witzchen absichern zu müssen. Das sich ernsthaft was traut und nicht nur Schenkelklopfer sein will. Ein deutscher "Sharknado" oder noch eine weitere ach-so-lustige Zombie-Splatter-Komödie interessiert mich daher nicht die Bohne.

German Angst

Kosakowski Films

German Angst, R: Jörg Buttgereit, Michal Kosakowski, Andreas Marshall

T: Für mich sind das alles, was da im deutschen Kino nun ernsthaft immer wieder aufblitzt, ohne weiteres Indizien dafür, dass ein Horrorfilm aus den Zusammenhängen, die man mal "Berliner Schule" genannt hat, von allergrößtem Reiz wäre -ob nun verklausuliert als Hintergrundrauschen oder eben als offenes Experiment, das sich dem Horrorkino ganz offen stellt. Kristallin-veruneindeutiger, schlafwandlerischer Großstadt-Gothic-Horror von Christoph Hochhäusler? Count me in, sowas von!