Erstellt am: 25. 4. 2015 - 15:46 Uhr
Gemeinschaftsgeist
"Games are fragmenting in really big ways." Rami Ismail, ein Teil des Indie-Superstar-Duos Vlambeer, sprach in der "Amaze Master Class", einer ausführlichen, lockeren Gesprächsrunde am zweiten Tag des Festivals eine große Wahrheit gelassen aus. Diversifizierung von Genres, Nischen und Subkulturen, der Aufstieg zunehmend persönlicher Zugänge zum Spielemachen und nicht zuletzt der "culture war" rund um Gamergate haben Einfluss auf das ganze Medium, nicht nur die "kleine" Indie-Welt. Im ausführlichen Gespräch mit Leigh Alexander, Gründerin und Chefredakteurin des neugegründeten Gameskultur-Blogs Offworld, ließ Ismail die letzten aufregenden Jahre des Aufstiegs einer Subkultur zum Phänomen Revue passieren.
"There is a great culture shift in games. Games are increasingly seen as more than a product, and that's also because of the rise of Indie", so der Holländer. "Indie started as a counterculture, about making 'something else'." Der Spaß am Erschaffen steht dabei im Vordergrund - "this is fun to make" sei weit öfter der Startpunkt für die Entwicklung als die ängstliche Frage, ob das Endprodukt denn auch dem Konsumenten gefallen würde.
Rainer Sigl
It's the community, stupid
Dabei ist auch ein globaler Gemeinschaftsgeist zu bemerken. "Indie is a cooperative culture. There is a strong attitude of helping each other, because it's highly unlikely that your small, personal idea for a game will be the same as mine. There are local communities everywhere. A real culture explosion is happening right now." Auch der Gamesjournalismus verändert sich durch diese Entwicklungen. "There used to be an Iron PR-Curtain between the people writing about games and those making them. Acces to the creators, as individuals, as persons, was a new thing that happened with the rise of the indies."
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Die Talks der Amaze Berlin 2015 sind via Stream verfügbar.
Umgekehrt führt der Aufstieg von Social Media und anderer Communities dazu, dass althergebrachte - und inzwischen oft zu Recht kritisierte - Instrumente wie der "Metascore" von Spielen, also die Durchschnittszahl aus verschiedenen Zahlenbewertungen für Spiele, wie sie jahrzehntelang verwendet wurden, an Bedeutung verlieren. "Communities are more important than the metascore. Steam stopped using the metascore as a metric and is now displaying an average of user reviews instead. That makes it much more important to reach out to players and communities on the various social media channels. And it is more important to be yourself. Be as genuine as possible."
Weitere Highlights: Terry Cavanagh, Schöpfer von "VVVVVV" und "Super Hexagon", gab einen Einblick in seinen kreativen Prozess, die Britin Marie Foulston erzählte, wie sie von der Veranstalterin von Games-Events in englischen Undergroundclubs ("the bastard hipster child of the nightclub and the arcade") zur Kuratorin für digitale Spiele am weltweit renommierten Designmuseum V&A London wurde und Dennis Wedin von Dennaton Games sprach über die Schwierigkeit, mit "Hotline Miami 2: Wrong Number" ein Sequel zu einem erfolgreichen Spiel zu machen.
And the award goes to ...
Abends wurden mit der Vergabe von erstmals fünf Amaze Awards auch die Gewinner des Jurybewerbs auf die Bühne geholt. Der erstmals vergebene Virtual-Reality-Award "Other Dimensions" ging an "Pixel Ripped", der "Human-Machine-Award" für das beste Local-Multiplayerspiel wurde an "Crawl" vergeben. Großer Gewinner des Abends - und damit programmatisch für den unorthodoxen Zugang von Festivaljury und Publikum: "Line Wobbler", ein "one-dimensional (!) dungeon crawler", der per maßgeschneidertem Joystick auf einer etwa vier Meter langen LED-Lichtleiste stattfindet, konnte als Installation und Spiel sowohl den "WTF Award" als auch den "Audience Award" einheimsen.
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"Poeten, Hippies, Gamedesigner" - so waren die Eröffnung und der erste Konferenztag auf der Amaze 2015.
Als "Most Amazing Game" der Amaze Berlin 2015 wurde "Curtain" ausgezeichnet. Das kurze, sehr persönliche Spiel erzählt von Machtverhältnissen und Missbrauch in der Beziehung zwischen Kaci & Ally, zwei Musikerinnen in einer Glasgower Punkband.
Community-Höhepunkt
Auch die Amaze 2015 war eine große Party, ein trotz ihrer Größe (dieses Jahr mit einer zweiten Veranstaltungshalle!) überraschend intimes Zusammentreffen einer Subkultur, die global, offen und experimentierfreudig ist. Die internationale Relevanz des Berliner Indie-Games-Festival ist weiterhin im Steigen. Für viele DesignerInnen, JournalistInnen und Spielkultur-Fans ist es ein fixer Termin, ein kommunikativer und spielerischer Höhepunkt des Jahres. Wir freuen uns schon jetzt auf die Amaze 2016!