Erstellt am: 24. 4. 2015 - 15:57 Uhr
The daily Blumenau. Friday Edition, 24-04-15.
#medienkritik #medienpolitik #publikumsbeschimpfung
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst. Und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Heute mit einer kurzen Polemik.
Man kann natürlich alles zuspitzen und auf die Wirkung des provokanten Sagers hoffen (zum "Team Häupl" gehören, nennt man das seit kurzem, hab ich eben gelernt).
Legitim, eh.
Mir ist die schlichte Umkehr all dessen, was "die anderen" machen, inzwischen deutlich zu köppelesk, zu aufgelegt und aufgesetzt, zu selfish und ja, zu schlicht.
Zudem hebt sich die einstmals noch griffige Provokation in den klassischen Medien mittlerweile deshalb nicht mehr ab, weil die in den sozialen Medien umtriebige Redaktionsgesellschaft, also eine Masse an aufgeweckten Amateuren mittlerweile mit fast jedem Micro-Posting genauso vorgeht. An- und Untergriffigkeiten, denen der Re-Check auf der einen und die grundsätzliche Überlegung auf der anderen Seite völlig abgehen, sind nicht mehr die (als lässig bewunderte, mediale) Ausnahme, sondern die Regel.
Der hysterische Debattenjournalismus hat den Leap aus den Provokations-Blogs (via Boulevard und Social Media) so schnell gemacht, dass die inhaltliche Unterfütterung dem Formalen gar nicht folgen konnte. Zumal die Redaktionsgesellschaft zwar die Rituale des Journalismus imitiert, aber wegen fehlender Basiskenntnisse nicht nachvollziehen kann, worum es eigentlich geht. Nämlich doch um ein Alzerl mehr als die verbrannte Erde des solitären Hit-and-Run, um die Erschaffung eines Narrativs, in dem eine Gesellschaft beheimatet sein kann.
"Kritisieren Sie auch Ihre Dentalhygienikerin (schlecht geputzt!) oder die Floristin (schlecht arrangiert!)? Wohl kaum. Weil Sie nämlich deren Arbeit nicht beurteilen können. Jedoch reden Sie sich ein, Sie könnten die Arbeit der Journalisten beurteilen." Steht im Text von Reto Hunziger, der wieder zuspitzt und noch einen draufsetzt und die provoziert, die man gar nicht angreifen darf: die Userschaft, das Publikum.
Der Text ist trotzdem witzig und beachtenswert. Nicht weil das Thema (die Mitschuld des Jammer- / Suderkonsumenten an der inhaltlichen Medienkrise) gar so neu wäre: ich muss nicht lange zurückblättern, um was dazu zu finden. Sondern wegen der plastischen Drastik der Ansage.
Etwa, wenn es um ein - zufällig war das das Thema meines gestrigen Eintrags - klassisches Missverständnis geht, dass der Nixchecker-Amateurismus, mit dem die Schrill-Debatte geführt wird, erwachsen ist.
Hunziger schreibt: "Schlecht recherchiert - das ist Ihr Totschlagargument. Selbst bei Texten, die mit Recherche nichts am Hut haben. Sie sind mit der These eines Artikels nicht einverstanden? Der Fall ist klar: schlecht recherchiert. (...) Was erlauben Sie sich eigentlich!?"
Der Fluch oder Segen-Blödsinn, mit der sich der professionelle Journalismus seit Jahren selber ins Knie fickt, wird von einer Mimikry-Armada ins Absurde verzerrt und mit Shitstorm-Holzhämmern noch platter gemacht, als sie eh schon ist.
Die Kontextualisierung, der anderen Sicht- und Betrachtunsgweisen geltende "second thought" spielt im redaktionsgesellschaftlichen Amateurismus, sagt Stefan Mesch in der aktuellen Zeit, eine noch geringere Rolle als in den diesbezüglich eh schon schwachen Medien selber.
Etwa die nötige Dekonstruktion von formelsprachlichen Konsumritualen (Mesch erwähnt die Mode-Industrie und ihre vielen enorm überflüssigen Bullshit-Heilsversprechen), die im einst vielversprechenden Blog-Bereich noch krasser ausbleibt als in den klassischen Medien. Denen aber der öffentliche schwarze Peter bleibt. Was Hunziger so reagieren lässt: "Wenn die Medien tatsächlich verdummen, wie Sie so oft behaupten, dann sind nicht wir schuld, sondern Sie. (...) Weil Sie zuerst verdummt sind. Schließlich bestimmen Sie die Nachfrage und wir liefern das Angebot. (...) Ein Medium kann also nur so gut sein, wie Sie es sein lassen."
Eine hektische, alles vorschnell rausplatzende, sich selber nichts, vor allem keine Reflexion zutrauende Gesellschaft, die stets zuerst das Schlechteste annimmt und davon ausgeht dass sie immer belogen wird, bekommt genau die Medien und genau die Ansprache, die sie verdient.