Erstellt am: 24. 4. 2015 - 06:00 Uhr
#whomademyclothes
Rana Plaza: Dem neunstöckigen Bau waren schwere Sicherheitsmängel attestiert worden, trotzdem wurde er nicht geschlossen. Die Belegschaft war bereits an der Arbeit, als am Morgen des 24. Aprils 2013 die Generatoren aller fünf Fabriken im Rana Plaza gleichzeitig anspringen. Das lässt die Mauern vibrieren und der Bau mit der mangelhaften Statik stürzt in sich zusammen. Tausende ArbeiterInnen werden unter den Trümmern begraben.
Rana Plaza - der Name eines Textilfabrik-Komplexes in der Nähe von Dhaka steht für die bisher größte Katastrophe in der Industriegeschichte von Bangladesch. Die Opferbilanz: 1.138 Tote und mehr als 2.000 Verletzte. Die Katastrophe hat ein Schlaglicht auf die Arbeitsbedingungen in der konventionellen Textilindustrie geworfen, speziell in Bangladesch.
APA/EPA/ABIR ABDULLAH
Die Fairfashionrevolution-Bewegung gedenkt am 24. April den Opfern des Rana Plaza und hinterfragt, wie es aktuell mit den Arbeitsbedigungen in der konventionellen Textilindustrie aussieht. Dazu hat deutsche Clean Clothes-Aktivistin und Expertin für Entwicklungspolitik Gisela Burckhardt in Bangladesch recherchiert und das Buch Todschick. Elde Labels, billige Mode - unmenschlich produziert veröffentlicht.
Heyne
Mindestens 29 globale Markenfirmen, darunter C&A, Mango oder KiK, haben im Rana Plaza produzieren lassen. Obwohl diese Unternehmen zusammen einen Jahresumsatz von mehr als 20 Milliarden US-Dollar erwirtschaften verzögern sich ihre Einzahlungen in den Entschädigungsfond oder sie zahlen zu wenig ein. Dem offiziellen Kompensationsfond fehlen noch 6 Millionen Dollar.
Erst eine Woche vor dem zweiten Jahrestag der Katastrophe hat Benetton bekannt gegeben, in den Entschädigungsfond für die Opfer und Hinterbliebenen zu zahlen. Umgerechnet eine Million Euro - zu wenig für Gisela Burckhardt, angesichts des Umsatzes, den Benetton macht. Aber ein Erfolg für NGOs, die über eine Million Unterschriften gesammelt haben, um auf Benetton Druck auszuüben. Denn das Unternehmen hat nach der Katastrophe geleugnet, überhaupt in Verbindung zu Rana Plaza zu stehen. Ähnlich war es beim deutschen Textildiscounter KiK. Erst als eine Bluse einer KiK-Kollektion in den Trümmern gefunden wurde, hat man die Produktion in Rana Plaza zugegeben, "nicht ohne die Verantwortung auf irgendeinen Importeur zu schieben", wie Burckhardt schreibt. Es sind also vor allem die undurchsichten Lieferketten, die es schwer machen, Unternehmen zu belangen. Erst die Zusammenarbeit von NGOs und Gewerkschaften vor Ort und in Europa macht diese Lieferketten nachvollziehbar.
"Ohne die Arbeit, vor allem der Partner vor Ort, der Gewerkschaften, der NGOs wäre es nicht aufgedeckt worden. Wenn solche Katastrophen passieren, dann gehen die an die Unglücksstätte und suchen Labels, die sie uns zuschicken und wir recherchieren dann, welches Unternehmen dort produzieren lässt. [...] Das Verhalten der Unternehmen ist immer erstmal das gleiche: sie leugenen zunächst und man muss es ihnen erstmal nachweisen, manchmal wissen sie es selber nicht und sind überrascht, da gibt es viele Möglichkeiten. Wir denken ein Unternehmen muss klar und eindeutig wissen, wo es produzieren lässt, und darf davon nicht überrascht werden."
Rund 156 Millionen EinwohnerInnen hat Bangladesch, ein Drittel ist jünger als 14 Jahre - das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen beträgt umgerechnet rund 630 Euro im Jahr. 31 Prozent der Bevölkerung leben unter der offiziellen Armutsgrenze von knapp einem Euro am Tag. Landesweit gibt es bis zu 6.500 Textilfabriken, in denen bis zu 5 Millionen Menschen arbeiten, zum großen Teil Frauen.
Nähstube Europas
Bangladesch hat sich in den letzten 25 Jahren weltweit zum zweitgrößten Bekleidungs-Exporteur entwickelt, 60 Prozent der Textilexporte gehen in die EU. Das liegt zum einen an den niedrigen Lohnkosten, die noch geringer sind als in anderen Ländern der Region. "Nur ein bis drei Prozent des Endpreises eines T-Shirts oder Pullovers sind in der Regel Arbeitskosten," schreibt Gisela Burckhardt in ihrem Buch.
Gisela Burckhardt
Kalpona's Story: Fireburned to firebrand: Johnny Bliss hat für FM4 Reality Check ein ausführliches Interview mit Kalpona Akter geführt. Er hat die Arbeitsrechtsaktivistin, die früher selbst Textilarbeiterin war, in Dhaka getroffen.
Burckhardt berichtet auch von einem völlig gedanken- und bedenkenlosen Umgang mit Giftstoffen in Bangladesch. "So werden etwa zum Färben und Bleichen von Kleidung im großen Stil giftige Chemikalien eingesetzt (...) Da die Arbeiterinnen völlig ungeschützt sind, atmen sie nicht nur die toxischen Dämpfe ein, sondern haben auch immer wieder Hautkontakt mit den Giftstoffen."
Teuer ist nicht gleich fair
Und es sind nicht nur Diskontanbieter, die unter teils miserablen Arbeitsbedingungen nähen lassen. Das bezeugen ganz konkret Aussagen und Schilderungen von mehr als 100 Arbeiterinnen und Arbeitern aus zwölf Fabriken in Bangladesch. Gisela Burckhardt hat sie gemeinsam mit einer örtlichen NGO befragt. Es sind vor allem Frauen, die nähen. Endabnehmer sind Unternehmen wie H+M, aber auch höherpreisige Marken wie Hugo Boss. Die Frauen erzählen von zehn bis 15-stündigen Arbeitstagen, von erzwungenen Überstunden, davon, dass sie zwar Trinkwasser mitbringen können, ihnen aber nicht erlaubt ist zu trinken, wann sie wollen. Die wenigsten der befragten ArbeiterInnen haben einen schriftlichen Vertrag, eine gewerkschaftliche Vertretung ist in diesen Fabriken nicht zugelassen.
Clean Clothes Österreich hat nützliche Tipps, einen Firmencheck und einen Gütesiegel-Guide online bereitgestellt.
Die Arbeiterinnen in den Textilfabriken über ihre Rechte zu informieren, dazu tragen Gewerkschaften bei und NGOs, darunter auch der Verein Femnet, dessen Vorsitzende Gisela Burckhardt ist. Mit ihrem aktuellen Buch leistet die Expertin für Entwicklungspolitik Aufklärungsarbeit für uns, die potentielle AbnehmerInnen am anderen Ende der Lieferkette. Am Beispiel Bangladesch schildert Gisela Burckhardt wie Arbeitsverhältnisse, Abhängigkeits-, Markt- und Machtstrukturen in der Textilindustrie ineinandergreifen - gerade in Bangladesch sind Politik und Textilindustrie eng miteinander verwoben. Viele Parlamentarier sind selbst in der Branche. Arbeitsrechtsaktivistin Kalpona Akter formuliert es so: "Unser Gesetzgeber ist der Fabriksbesitzer".
APA/EPA/ABIR ABDULLAH
Als Lobbyisten für faire Arbeitsbedingungen fordert Gisela Burckhardt von der europäischen Politik gesetzliche und verbindliche Vorgaben. Nur so sind europäische Unternehmen verpflichtet, Sozialstandards einzuhalten, und damit faire Arbeitsbedingungen zu garantieren.
Einige Veranstaltungen am Fashionrevolutionday: ein Screening des Films "Traceable" mit Diskussion im Schikaneder - am Samstag gibt sogenannte "Fair Fashion Walks", abends dann Party im Magdas.
whomademyclothes
An uns KonsumentInnen richtet die Autorin den Appell, unser Konsumverhalten zu reflektieren. Genau das will auch die Initiative Fashionrevolutionday, die den 24. April als Gedenk- und Aktionstag etabliert. Es geht darum die Herkunft und Produktionsbedigungen der eigenen Kleidung zu hinterfragen, erklärt Nicole Kornherr, die sich mit ihrer Initiative Sicherheitsnadel bei Fashiorevolutionday beteiligt:
"Wir rufen alle Leute auf, ihre Kleidung umzudrehen, sich das Makerl anzuschauen und zu schauen, wo wurde es produziert und diese Frage auch an die HerstellerInnen an die großen Markenkonzerne zu richten."
Wear Fair: Einiges an Info und Überblick, wie einen Shopping Guide bietet auch die Website der Wear Fair, die nächste Messe für nachhaltigen Lebensstil: 18.- 20. September 2015, Linz.
Unter #whomademyclothes sollen also die Unternehmen via Social Media ganz konkret angesprochen werden. "Wir fordern eine andere Modewelt, weil eine andere Modewelt ist möglich", so Nicole Kornherr.
Mit dem Fashionrevolutionday wollen die Beteiligten auch auf diejenigen Labels und Unternehmen aufmerksam machen, die bereits fair produzierte Ware verkaufen.
In der FM4 Morning Show ist Michaela Königshofer von der Kampagne für Saubere Kleidung / Clean Clothes zu Gast.